Der jetzige Amtsbezirk, dessen Geschichte mit derjenigen seines Hauptortes verknüpft ist, bildete 1815-1846 einen integrierenden
Bestandteil des Amtsbezirkes
Erlach. Zahlreiche erratische Blöcke vom Seeufer an bis hinauf zu den Hängen
des
Chasseral.
französ.
La Neuveville (Kt. Bern,
Amtsbez. Neuenstadt). 438 m. Gem., Stadt und Bezirkshauptort am linken Ufer des
Bielersee: und am S.-Fuss der dem
Chasseral vorgelagerten ersten Jurakette;
Postbureau, Telegraph, Telephon; Postwagen nach
Lamboing-Diesse-Nods. Dampfschiffe nach
Erlach
und der
St. Petersinsel. Gemeinde, mit
Champ Fahy und
Chavannes (Schafts): 285
Häuser, 516 Haushaltungen und 2248 Ew. (wovon 1026 männlichen
und 1222 weiblichen Geschlechtes). 2020 Reformierte, 211 Katholiken und 15
Juden. Die Katholiken sind
nach
Biel eingepfarrt, besuchen aber den Gottesdienst in
Le Landeron. 1478
Berner, 632 übrige Schweizer und 138 Ausländer; 1538 Ew.
französischer, 656 deutscher und 44 italienischer Zunge.
Stadt allein: 258 Däuser, 2104 Ew. Alle
Schulen sind französisch. Neuenstadt ist in den
Weinbergen zwischen dem
See im S.
und den trockenen Berghängen im N. sehr malerisch gelegen und erfreut sich eines milden Klimas, das
ihm die Bezeichnung des jurassischen
Montreux eingetragen hat. Einen feudalen Anstrich geben dem Städtchen die Burgruine
auf dem
Schlossberg, der alte Zeitglockenturm, ein weiterer viereckiger
Turm und einige Ueberreste der einstigen Stadtmauer.
Das Innere hat vielfach noch einen mittelalterlichen Anstrich bewahrt, wie auch die Bürger trotz der
Nachbarschaft des katholischen
Le Landeron und des deutschsprechenden
Ligerz ihre Eigenart stets behauptet haben. Die
Altstadt
hat die Gestalt eines Schlüssels, dessen Griff das
am See gelegene
S.-Quartier und dessen Bart die
Vorstadt im NO. bildet.
Die neuen
Quartiere im O. und W. zeigen modernen Charakter (schöne
Villen, Gärten mit südlicher Vegetation,
schattige Promenaden).
Vom Hafenplatz geniesst man eine prächtige Aussicht auf den
See,
Erlach und die
St. Petersinsel. Hydrantennetz mit Hauswasserversorgung;
elektrisches Licht. Bemerkenswerte Bauten: die aus dem 9. Jahrhundert stammende, im gotischen Stil gehaltene und jetzt dem
deutschen reformierten Gottesdienst eingeräumte
Weisse Kirche
(BlancheÉglise);
das Rathaus mit einem
kürzlich restaurierten und mit Glasmalereien geschmückten gotischen
Saal;
die beiden schon genannten Türme und endlich
im NW. einige hundert Meter über der Stadt die mächtige Burgruine
Schlossberg.
Diese Burg ist von den Fürstbischöfen von
Basel
im 13. Jahrhundert erbaut, während der Zeit der französischen Revolution zerstört und im letzten Jahrzehnt
des 19. Jahrhunderts teil weise
restauriert worden. Haupterwerbszweige der Bewohner sind Uhrenmacherei, Maschinenfabrikation,
Ackerbau, Weinbau und Weinhandel, Fischerei. Zwei Buchdruckereien; Gerbereien, Bankgeschäfte, Mädchen- und Knabenpensionnate,
je eine
Alters- und Krankenkasse, mehrere künstlerische Vereinigungen, eine schöne Bibliothek.
Ausgezeichnete Primarschulen, eine Mädchensekundarschule, ein Progymnasium, Waisenhaus von
Champ Fahy
am Berghang; Altersasyl (Hospice Montagu), von Lord Montagu, einem einstigen Pensionnatszögling von Neuenstadt, gestiftet;
das 1904 eröffnete Asyl
Monrepos (Gottesgnad) für unheilbare Kranke des
Berner Jura. Gegenüber dem Bahnhof steht das Museum,
das u. a. eine Menge von sehr interessanten Gegenständen aus der Pfahlbauzeit und mehrere Kanonen enthält,
die von den
BürgernNeuenstadts in der Schlacht von
Murten erbeutet wurden.
Nachgrabungen haben ergeben, dass auf der
Ebene w. Neuenstadt einst eine befestigte Römersiedelung gestanden hat. Man fand
hier zahlreiche Münzen, Reste von Wasserleitungen und von sehr altem Mauerwerk. Diese Siedelung, Nugerol genannt, soll
dann mit Ausnahme der ö.
Vorstadt im 4. Jahrhundert von den Alemannen zerstört worden sein. In der der Vernichtung entgangenen
Vorstadt standen im 9. Jahrhundert zwei
Kapellen, deren grössere die in den Urkunden seit 866 genannte Ecclesia Alba (heute
BlancheÉglise) war. 866: Nugerolis; dann Nurols, Neurol, Nurux, Nuerux, Neyrol, Nurol, Nigrol, Nugrol,
Neural und Neureux (von nucariolum = Nussbaumgehölz).
Der in der Folge befestigte und ziemlich bevölkerte
Ort Neureux wurde später von den die Gegend verheerenden Bernern niedergebrannt,
und seine Bewohner siedelten auf
Neuenburger Boden über. An seiner Stelle entstand dann das heutige Neuenstadt, das durch
die ausgewanderten Bewohner der am durch
Graf Rudolf von Neuenburg
dem Boden gleich gemachten Stadt La
Bonneville (im
Val de Ruz) gegründet wurde. Nachkommen dieser einstigen Leute aus
Bonneville sind heute noch die Angehörigen
der
Neuenstadter Geschlechter Imer und Cunier.
Die so am Fuss des
Schlossberges entstandene neue Siedelung wurde lange Zeit hindurch sowohl
Neuveville
als
Bonneville genannt und war mit Hilfe des Fürstbischofes von Basel
1318 fertig erbaut. Im gleichen Jahr verlieh ihr der Fürstbischof
Gerhard von
Wippingen (Wuipens) die gleichen
Freiheiten und Rechte, wie sie
Biel besass. In dieser Urkunde wird die neue Stadt
folgendermassen bezeichnet: Novavillasupra lacum Biello, subtus Gastrum nostrumSchlossbergsitum.
Neuenstadt trat 1387 mit Bern
ins Burgrecht, nahm 1530 die Reformation an, öffnete 1797 seine Tore den Truppen der französischen
Republik und sah 1814 den Durchzug der Verbündeten. 1815 kam die Stadt durch den Wiener Vertrag zusammen mit den übrigen
Ländereien des Bistums Basel
an den Kanton Bern.
1846 als eigener Amtsbezirk von
Erlach abgetrennt. Alteingesessene Patriziergeschlechter
von Neuenstadt sind die de
Rive, die durch Heirat zu den
FreiburgerDiesbach in verwandtschaftliche Beziehungen traten, und
die mit den
Herren von
Colombier(Neuenburg)
verwandten Lécureux.
Jean Lécureux wurde 1500 Burgherr auf
Schlossberg. Eine
Rolle spielten ferner seit 1490 die
Herren von
Ligerz
(Gléresse). Neuenstadt ist die Heimat des 1731 gestorbenen Johann Konrad
Landolt, der im preussischen Heer Feldprediger und nachher Pfarrer der französischen Kirche zu Hamburg
¶
mehr
war; von Pfarrer Jean François Imer, der sich grosse Mühe gab, in seiner Vaterstadt die Seidenraupenzucht einzuführen;
von General Gross, durch seine Verteidigung von Gaeta 1848 bekannt geworden.