[* 2] (franz.
Neuchâtel), ein
Kanton
[* 3] der
Schweiz,
[* 4] grenzt im
Norden
[* 5] an den Kanton Bern,
im
S. an Waadt
und im
W. an
Frankreich, während ihn im SO. die
Thièle und der
Neuenburger See von Bern,
[* 6] Freiburg
[* 7] und Waadt
trennen.
Sein Flächeninhalt beträgt 808 qkm (14,7
QM.). Der
Kanton ist ein jurassisches Bergland, welches aus der schmalen Küstenebene
am
Neuenburger See sich in
Rücken und
Hochthälern aufbaut und dann zur tiefen Thalfurche des
Doubs abstürzt; daher die vulgäre Zweiteilung
in den flachern, mildern, weinreichen
Bas (Unterland) oder Vignoble (Weinland) und in die
Montagnes, die rauhen
Berge und Hochthäler
der Jurahöhen.
Während das
Niveau des
NeuenburgerSees 432 m ü. M. liegt, steigt schon das von der
Areuse durchflossene
Val de
Travers von 719 zu 933 m
(Verrières) an, und der Thalkessel des
Val de
Ruz, das Gebiet des
Seyon, liegt bei Vallengin,
seinem untersten
Punkt, 655 m ü. M., während andre Ortschaften noch 100-200 m höher liegen,
Les
Hauts Geneveys sogar 956 m hoch.
Noch höher liegen die übrigen Jurathäler mit Brévine-Bémond (1062
m),
Chaux du Milieu (1077 m), La Sagne (1025 m),
La Chaux de Fonds (1034 m), Le
[* 8]
Locle (921 m), von welch letzterm die Paßstraße
des
Col des
Roches und neuerdings auch die
Eisenbahn zu dem vom
Doubs gebildeten
Lac des
Brenets (740 m) hinunterführt.
Als die höchsten
Rücken des
Jura (s. d.) sind zu nennen: die
Tête de
Rang (1423
m) und der
Creux du Vent
(1465 m), während der 1172 m hohe
Chaumont am zugänglichsten und für die Umschau am lohnendsten ist. Hydrographisch gehört
Neuenburg größernteils zum Gebiet der
Thièle
(Neuenburger See,
Areuse und
Seyon), kleinernteils zum Gebiet des
Doubs. Die Einwohnerzahl des
Kantons beträgt (1880) 103,732. Ursprünglich durchaus französischer Abkunft, hat in neuern
Zeiten die
Bevölkerung,
[* 9] wenigstens mancher
Orte, fast einen gemischten
Charakter angenommen. 23,6 Proz. der Bewohner reden deutsch,
eine
Folge der
Einwanderung deutscher Uhrmacher und
Arbeiter.
Diese Mischung vollzieht sich auch mehr und mehr auf konfessionellem Gebiet, denn während das durch
Farel (s. d.) reformierte Ländchen nur 3 kath.
Gemeinden mit etwa 1600 Einw. enthielt, ist jetzt der Gesamtanteil der Katholiken (11,651)
auf 11,2 Proz. gestiegen. Nur die
BezirkeBoudry und
Val de
Ruz sind noch immer fast rein protestantisch. Außerdem gibt es 689
Juden.
An dem
Wechsel der politischen Gestaltung haben die
Montagnards, die sich durch rascheres
Wesen und tief eidgenössischen
Sinn
wie durch Betriebsamkeit auszeichnen, den meisten
Anteil. Die Seeanwohner des Vignoble sind von kälterm, reservierterm
Charakter
und zählen die meisten Aristokraten. Überall aber erscheint die
Bevölkerung ausgezeichnet durch schönen, kräftigen Körperbau,
treffliche Geistesbegabung und
Bildung, sehr arbeitsam und geschickt, solid und bieder und im
Durchschnitt von großem Wohlstand
sowie von feiner, geselliger
Sitte.
Ebenso zweigeteilt wie nach dem
Terrain erscheint das klimatische Verhalten u. danach der wirtschaftliche
Charakter. 49,1 Proz.
des
Areals entfallen auf
Äcker,
Wiesen und
Weiden, 1,54 Proz. auf Weinland, 20,1
Proz. auf
Wald. Während am
SeeFeld-,
Garten- und Weinbau florieren, waren die spät, zum Teil erst im 13. u. 14. Jahrh.
besiedelten
Montagnes von der
Natur auf
Alpenwirtschaft und Holzarbeit angewiesen. In diesen Hochthälern ist das
Klima
[* 10] rauh,
der
Boden dürftig an nährendem Erdreich oder moorig, aber trotzdem die
Bevölkerung so zahlreich, daß
wohl doppelt soviel
Getreide
[* 11] eingeführt werden muß, als die
Produktion beträgt. Kaum daß genug
Kartoffeln und
Gemüse wachsen.
Wein wird viel und in vorzüglicher
Qualität erzielt; die Ausfuhr, auch an künstlichem Champagner, ist bedeutend. Ausgezeichnet
ist besonders das rote
Gewächs; die geschätztesten
Weine wachsen um
Cortaillod,
Boudry und
Neuchâtel.
Obst
muß
¶
Auch die Fabrikation von Chronometern hat eine ansehnliche Stellung errungen. Seit einigen Jahren befindet
sich aber die Neuenburger Uhrmacherei, wie andre schweizerische Industriezweige, in einer Krisis, die hauptsächlich durch
die in den Vereinigten Staaten
[* 16] von Nordamerika,
[* 17] dem Hauptabsatzland, eingetretenen Veränderungen bedingt ist. Während die
Stadt Neuchâtel durch den Export von Wein und Käse zu einer nach schweizerischem Maßstab
[* 18] beträchtlichen u. reichen Handelsstadt
geworden ist, gibt es in den Hochthälern, besonders in La Chaux de Fonds und Le Locle, aber auch in Le
Pont, La Sagne, La Brévine etc. und selbst noch in dem abgelegenen Dorf Les Brenets, Firmen, die sich denjenigen der ersten
schweizerischen Verkehrsplätze an die Seite stellen dürfen.
Stimmberechtigt ist (mit gewissen Ausnahmen) jeder Neuenburger mit dem vollendeten 20. Jahr, ebenso die im Kanton gebornen
Schweizerbürger und endlich jeder Zugezogene drei Monate nach Abgabe seiner Papiere. Der GroßeRat erläßt
die Gesetze, beschließt die Steuern, Ausgaben, Anleihen etc., setzt das Budget und die Besoldung der Beamten fest, entscheidet
Konflikte zwischen der exekutiven und richterlichen Gewalt etc. Die Exekutive ist einem auf drei Jahre gewählten Staatsrat (Conseil
d'État) von sieben Mitgliedern, die jeweilig wieder wählbar sind, übertragen.
Jede religiöse Genossenschaft bedarf zu ihrer Niederlassung die ausdrückliche und immer widerrufliche Erlaubnis des GroßenRats. Die dem rein demokratischen Wesen zusteuernde Revisionsbewegung, welche sich seit 1863 in einer Reihe
der fortgeschrittenern KantoneBahn brach, hat Neuenburg erst 1879 erobert; die Volksabstimmung vom 28. und 29. Juni hat die Einführung
des fakultativen Referendums angenommen und dasselbe an den Willensausdruck von 3000 Wählern geknüpft.
unter den Ausgaben, abgesehen von der Verzinsung
u. Amortisation der Staatsschuld im Betrag von 777,801 Fr., steht obenan das Erziehungswesen mit 423,483 Fr. Ende 1886 war der
Stand des neuenburg.
Das Grafenhaus von Neuenburg, ein altes burgundisches Adelsgeschlecht, dessen Stammsitz Fenis am Bieler See war, und
von dem sich die Nebenlinien von Valengin, Nidau, Straßberg und Aarberg abgezweigt hatten, empfing seinen Namen von der 1072 durch
Rudolf II. gegründeten Stadt Neuenburg. Durch das Aussterben der Zähringer (1218) wurden die Grafen von Neuenburg reichsunmittelbar,
bis GrafRaoul die mächtigen Grafen von Châlons 1288 als Oberlehnsherren anerkannte. Nach dem Aussterben des alten Grafenhauses 1395 ging
Neuenburg durch Erbschaft an einen Seitenverwandten, Konrad vonFreiburg,
1457 an die Grafen von Hochberg und von diesen 1504 durch
Heirat an den französischen PrinzenLudwig vonOrléans,
[* 19] Herzog von Longueville, über.
Nachdem das Land schon durch ein »ewiges Burgrecht« des Grafen und der Stadt mit Bern
(1406) und durch ähnliche Bündnisse mit
Solothurn
[* 20] (1369), Freiburg
(1495) und Luzern
[* 21] (1501) an die Eidgenossen gekettet worden war, besetzten es diese 1512 infolge des
Kriegs, den sie mit Frankreich um Mailand
[* 22] führten, u. regierten es als gemeine Vogtei bis 1529, wo sie es der Herzogin von Longueville
zurückstellten. Unter dem SchutzBerns, das eine Art schiedsrichterlicher Gewalt über Neuenburg ausübte, führte Farel 1530 die Reformation
ein. 1584 fiel Valengin an Neuenburg. Im WestfälischenFrieden wurde Neuenburg als souveränes, im Schirm der Eidgenossenschaft¶
Ein Versuch der Republikaner, durch einen Aufstand die völlige Trennung von Preußen zu erzwingen (13. Sept.), wurde
durch eidgenössische Truppen unterdrückt und ein zweiter vom 17. Dez. durch Pfuel erstickt und hart bestraft. 1834 brachte Neuenburg sogar
den Vorschlag an die Tagsatzung, daß das Fürstentum aus dem Bund austreten und nur an der der Schweiz garantierten
Neutralität teilhaben solle, wurde aber von der Tagsatzung damit zurückgewiesen und vom König desavouiert. Zugleich schloß
es sich den reaktionären Kantonen aufs engste an, und wenn es nicht förmlich am Sonderbund teilnahm, so stimmte es doch mit
demselben auf der Tagsatzung und weigerte sich, sein Kontingent zum eidgenössische Heer stoßen zu lassen,
das ihn auflösen sollte. Dafür wurde Neuenburg nach Beendigung des Feldzugs zur Erlegung von 300,000 Frank verpflichtet, die zu
einem Pensionsfonds der in eidgenössischem Dienst Verwundeten verwendet werden sollten. Das Jahr 1848 führte indes einen
Umschwung aller Verhältnisse herbei. Unmittelbar nach der Februarrevolution brach in Locle ein republikanischer
Aufstand aus (28. Febr.); eine Volksversammlung in La Chaux de Fonds wählte eine provisorische Regierung, worauf etwa 1400 bewaffnete
Republikaner nach Neuenburg marschierten, ohne WiderstandBesitz vom Schloß nahmen, den Staatsrat entsetzten und die widerspenstigen
Mitglieder desselben gefangen nahmen (1. März). Die provisorische Regierung, welche alsbald die Wahl eines Verfassungsrats
anordnete, wurde von der eidgenössischen Tagsatzung sofort anerkannt. Das Berliner
[* 26] Kabinett begnügte sich mit einem Protest
gegen das Geschehene, und der König entband die gefangenen Staatsräte des Eides der Treue, während ein Verfassungsrat eine
republikanische Verfassung entwarf, welche 30. April mit 5800 gegen 4400 Stimmen angenommen und von der Tagsatzung
gewährleistet wurde. Die schweizerischen Bundesbehörden versäumten es jedoch, rechtzeitig den König von Preußen zum vollständigen
Verzicht auf seine Rechte zu bewegen; im LondonerProtokoll ließ sich derselbe seine Ansprüche auf Neuenburg von den
Mächten anerkennen; eine kleine Minderheit bewahrte dem entthronten Fürsten die alte Treue und sann auf
Umsturz der neuen Ordnung.
Seitdem erfreute sich der Kanton unter der Herrschaft der Radikalen eines zwar bewegten, aber stets in gesetzlichen Formen verlaufenden
politischen Lebens. 1858 (21. Nov.) wurde die Verfassung, jedoch nicht wesentlich, modifiziert. 1873 wurde die von orthodoxer Seite
angestrebte Trennung von Kirche und Staat mit Überlassung des Kirchenvermögens an erstere vom Volk verworfen,
ebenso merkwürdigerweise die vom GroßenRat beantragte Einführung des Referendums. Dagegen wurde partielle Revision der Verfassung
durch einen Verfassungsrat beschlossen, mittels welcher das Stimm- und Wahlrecht in kantonalen Angelegenheiten auf sämtliche
im Kanton niedergelassenen SchweizerBürger ausgedehnt wurde (30. Nov. d. J.). Die vom Volk angenommene
Partialrevision führte das fakultative Referendum in die Verfassung ein. Von geringerer Bedeutung war die beschlossene
Partialrevision.
Vgl. Chambrier, Histoire de Neuchâtel et Valengin jusqu'à l'avènement de la maison de Prusse (Neuenb.
1840);
Kanton der schweizerischen Eidgenossenschaft, in der offiziellen Reihenfolge deren einundzwanzigster. Lage;Orographie und Geologie. Der Kanton Neuenburg
liegt im westl. Abschnitt der Schweiz zwischen 46° 52' 16" und 47° 9' 58" NBr., sowie
6° 26' 01" und 7° 05' 21" OL. von Greenwich. Er grenzt an Frankreich, den Kanton Waadt,
den Neuenburgersee und den Kanton Bern
und erstreckt sich
quer über das hier von SW. nach NO. streichende Faltengebirge des Jura vom Neuenburgersee (430 m) bis zum Ufer des Doubs (750
m). Höchster Punkt im Innern des Kantons 1442 m. Ist mit 808 km2 der vierzehnte der 22 Kantone der
Schweiz.
Als jurassischer Kanton weist Neuenburg
einen im Aufriss stark gegliederten Bau auf. In den Montagnes finden wir grosse Längsthäler
zwischen einförmigen Kämmen, die an den Hängen mit grossen Tannenwaldungen bekleidet sind und auf den
Rücken Weideflächen (Sennberge) tragen. Wie im ganzen mittleren Jura haben auch hier die Gewölberücken meist sanft gerundete
Formen,
die hie und da durch die Arbeit einer rezenten Erosion abwechslungsreicher modelliert worden sind.
Der höchste Punkt mit 1550 m findet sich aber auf der Grenze des Kantons Bern
in dem zum Chasseral ansteigenden Grat. Die übrigen den
Kanton durchstreichenden Ketten halten sich meist zwischen 1100 und 1300 m. Mehrere der nahezu 1000 m
hoch gelegenen Längsthäler sind trotz dieser bedeutenden Höhe ständig bewohnt, ja es bilden sogar gerade die Thäler von
La Chaux de Fonds und Le Locle das am dichtesten bevölkerte Gebiet des Kantons. Die einzelnen Längsketten
nehmen in der Richtung von O. nach W. an Höhe langsam aber stetig ab.
Durch den NeuenburgerJura führen mehrere Verkehrszüge von grosser Bedeutung. Während die Kette Chasseron-MontAubert einen
stets über 1300 m sich haltenden und nur von Fuss- und Saumpfaden überschrittenen einheitlichen Kamm bildet, steht das Val de Travers
durch die von der Areuse eingeschnittene tiefe Schlucht (Gorges de l'Areuse) mit dem offenen Gelände des Mittellandes in Verbindung.
Die dem linksseitigen Gehänge dieser Schlucht folgende grosse Strasse steigt bis zu dem einst vom Château de Rochefort verteidigten
Engpass auf 816 m, erreicht bei der Clusette 850 m und mündet erst nach einem Gefälle von mehr als 100 m
bei Noiraigue (725 m) in die Sohle des Val de Travers ein. Diesem Tracé folgte schon die alte Römerstrasse, und heute noch
bildet diese Route eine der belebtesten Adern der Verkehrs nach dem Val de Travers und weiterhin einerseits
durch das Val de Noirvaux in den Kanton Waadt
und andererseits über Les Verrières (938 m) nach Frankreich. Vom Neuenburgersee aus gesehen
erscheint die Schlucht der Areuse als eine weit klaffende Lücke in der ersten Jurakette, weshalb sie von den alten Bernern
den Namen
¶
Die Ketten des NeuenburgerJura sind in der Hauptsache aus den Schichten der Juraperiode aufgebaut und zwar von oben nach unten
aus oberem Malmkalk (Portland, Kimeridge, Sequan), mergeligem unterem Malm (Argovien und Oxford) und
dem die Gewölbekerne bildenden Dogger (Callovien, Bathonien, Bajocien). Den Lias hat man bis jetzt nur an zwei Stellen anstehend
gefunden, nämlich am untern Ende der Combe desAuges (bei Convers) und bei Les Quignets, d. h. in der am schärfsten hervortretenden
Falte des ganzen Gebietes. An den tiefern Gehängen der Gewölbe und in der Sohle der Mulden finden sich
in der Regel auch noch die der Untern Kreide angehörenden Neocomstufen des Valangien, Hauterivien und Urgon. In der Mitte
der grossen Muldenthäler endlich liegt noch tertiäre Süsswassermolasse (Aquitanische und Langhische Stufe) und Meeresmolasse
(Burdigalische Stufe).
Dieses Tertiär zieht sich auch als schmales Band der Senke des Neuenburgersees entlang, ist hier aber
vielfach unterbrochen, da das ganze Thal des Neuenburgersees, der Zihlebene und des Bielersees gerade in die Kontaktzone zwischen
Neocom und Tertiär eingesenkt ist. Eine bedeutende Rolle spielen ferner die glazialen Ablagerungen, die zwar das Bodenrelief
wenig beeinflussen, dafür aber durch ihr Retentionsvermögen die meteorischen Wasser zurückhalten und
so einen für die Pflanzenwelt günstigen, feuchten Humusboden bilden.
Dieses vom ehemaligen Rhonegletscher abgelagerte Moränenmaterial ist am reichlichsten längs dem Jurarand vertreten, findet
sich aber auch im Val de Travers und Val de Ruz, wo ihm noch solche glazialen Geschiebe beigemengt sind, die aus
dem Jura selbst stammen und von lokalen Gletschern zurückgelassen wurden. Der Moränenschutt in den höhern Regionen (Les Verrières,
Les Ponts, Le Locle, La Chaux de Fonds,
La Brévine) verdankt sein Vorhandensein dagegen fast ausschliesslich diesen lokalen
Eis- und Firndecken.
Auf diesen zum Teil lehmigen Schuttböden haben sich dann später die namentlich in der Gegend von Les Ponts
und La Brévine so ausgedehnten Torfmoore entwickelt. Zahlreiche nasse oder vertorfte Thalböden sind jetzt durch künstliche
Entwässerung trocken gelegt (Val de Ruz, Perreux, La Brévine), während andere auf diese Urbarmachung noch warten müssen.
Stellenweise kann das lokale jurassische, d. h. nicht alpine Moränenmaterial aber auch im Bodenrelief
stark hervortreten, wie dies z. B. bei der nachträglich noch von Bergsturzmaterial überschütteten Moräne vor dem Creux du Van,
bei der grossen Lokalmoräne von Les Bayards und bei den Moränen am SO.-Hang des Plateaus von Les Ponts und bei Prépunel der
Fall ist.
Nach dem Rückzug der Gletscher gingen an manchen Orten Bergstürze und Erdschlipfe nieder, so besonders
in den Gorges de l'Areuse unterhalb des Champ du Moulin und bei der Clusette, wo die jurassische Moräne einem bedeutenden
Glazialschutthaufen alpinen Ursprunges aufsitzt. Die Sturz- und Moränenschuttbarren haben ferner die fliessenden Wasser oft
zu temporären Seen aufgestaut, die z. B. den Champ du Moulin und das ganze Val de Travers von Noiraigue
bis Buttes und Saint Sulpice überfluteten. Zu nennen sind endlich noch die an Quellen oft vorkommenden Tuffbildungen, die
am Fuss von Steilhängen liegenden Sturzschuttkegel und die besonders über dem heutigen Ufer des Neuenburgersees bemerkenswerten
lakustren Ablagerungen und alten Deltabildungen. Im ganzen Kanton spielen in orographischer, geologischer
und hydrographischer Beziehung die Gebilde der Jura- und Kreideperiode die wichtigste Rolle, da sie es sind, die die Berge des
Landes aufbauen.
Diese ursprünglich horizontal und einander parallel abgelagerten Schichten sind später aufgefaltet und oft auch stark verworfen
worden. Die Gewölbe sind entweder regelmässig, schief geneigt oder sogar überliegend und überschoben
(mit Scheitel- und Schenkelbrüchen). Der NeuenburgerJura weist vier Falten mit drei dazwischen eingesenkten Mulden auf. Vom
Doubs an gezählt sind es folgende: Kette des Pouillerel, Mulde von Le Locle-LaChaux de Fonds, Kette des Sommartel, Mulde von
La Sagne-LesPonts, Kette der Tête de Rang und des Mont d'Amin, Mulde des Val de Ruz-Val de Travers und die
Kette des Chaumont, an deren Fuss die Senke des Neuenburgersees liegt. Von Saint Blaise an schiebt sich zwischen den Chaumont
und den See noch die kleine Falte von Châtollion mit der Mulde von Voëns-Enges ein, die beide auf dem
Plateau de Diesse (Tessenberg) endigen. Diese genannten tektonischen Formen zeigen sich nun aber nicht überall als zusammenhängendes
Ganzes, indem z. B. ein Gewölbe oder auch eine Mulde
¶
mehr
allmählig oder plötzlich ausstreichen und von einem anderen Gewölbe oder Mulde abgelöst werden kann. Deshalb sind die
vier Gewölbe und drei Mulden im s. NeuenburgerJura nicht immer die direkte Fortsetzung der schon genannten tektonischen Einheiten.
So ist die Mulde von Verrières nicht die Verlängerung sondern nur das Aequivalent derjenigen von La Brévine,
die ihrerseits wieder die Synklinale von Le Locle ablöst; so erlischt auch die Mulde von Les Ponts bei Les Emposieux und wird
erst weiterhin von einer Verzweigung des synklinalen Val de Travers, nämlich der Mulde von La Côte aux Fées, abgelöst.
Einzig die Mulde Val de Ruz-RochefortVal de Travers zieht ununterbrochen von ihrem Beginn (bei Clémesin
nahe der Grenze gegen den Kanton Bern)
bis zur Waadtländer Grenze, wo sie mit derjenigen von Noirvaux verschmilzt. Dementsprechend gehen
auch einzig die Falten des Creux duVan-Chaumont und des Malmont-Sommartel ohne Ablösung durch den ganzen Kanton. (Vergl. die
tektonische Karte und die geologischen Profile).
Der Kanton Neuenburg
hat im Val de Travers und bei Saint Aubin asphaltführende Schichten, die an beiden Orten dem Obern Neocom (Urgon; Kalke
mit Requienia Ammonia) angehören. Der Asphalt findet sich in diesen porösen kreidigen Kalken als mehr oder
weniger gleichmässig verteilte Imprägnation. Die weniger als 7% Asphalt (Erdpech) enthaltenden Schichten («trappe»
genannt) werden nicht abgebaut; die abbauwürdigen Bänke enthalten bis zu 15% von diesem Material.
Die Asphaltlager im Val de Travers gehören zu den bedeutendsten in Europa und liefern jährlich mehr als 30000 Tonnen dieses
Rohstoffes. Es werden Stollen in die meist 2-4, hie und da aber auch 6-8 m mächtigen Bänke getrieben,
wobei man die an Asphalt weniger reichhaltigen Schichten, d. h. eben die «crappe»,
als Decke der Gänge stehen lässt, da die darüber lagernden Mergel des Aptien, Albien und Tertiär als solche nicht genügend
Festigkeit hätten. Da die stehen gelassenen Pfeiler bei der geringen
¶
Zeile 76, das Wort Spiraea durch Ulmaria ersetzen. - Seite 538, Spalte I, Zeile 1, (Cressier
und Le Landeron) streichen;
Zeile 7 und 8, Hottonia palustris streichen;
Zeile 9, Sagittaria Sagittaefolia streichen;
Zeile
36, lies Mimulus guttatus statt luteus;
Zeile 41, lies Orchis coriophorus. - Seite 539, Spalte I, Zeile 52, Anthriscus alpestris
streichen.
Ausdehnung, Orographie, Geologie. Nicht auf Waadtländer, sondern auf Neuenburger Gebiet hat der Creux du Van 1467 m
Höhe.
Landwirtschaft und Viehzucht.
Das Neuenburger Rebgelände schrumpft immer mehr zusammen. Im Jahre 1908 war sein Flächeninhalt nur noch 1115,54 ha. Doch
sind gegenwärtig 350-400 ha. Weinberge wieder hergestellt. Der Getreidebau wird nur in beschränktem Masse
betrieben und liefert nur einen geringen Teil des zur Ernährung der Bevölkerung nötigen Quantums. Die
¶
mehr
Kultur der Runkelrüben wird ohne Zweifel in Stillstand geraten, wenn die Zuckerfabrik in Aarberg ihren Betrieb einstellt.
Des Verbot der Fabrikation und des Verkaufs von Absinth für das ganze Gebiet der Schweiz wird wohl das Verschwinden des Anbaus
der Absinthpflanze im Val de Travers zur Folge haben.
Die Viehzucht hat sich in den Thälern von Le Locle und La Brévine weiter zu Gunsten der rot-weissen Fleckrasse
entwickelt. Die kantonale Statistik von 1908 gibt 3812 Pferde, wovon 10 Zuchthengste und 78 Zuchtstuten, 5 Maultiere und 122 Esel
an. Diese Gesamtheit von 3939 Tieren verteilte sich auf ungefähr 2300 Besitzer. Das Rindviehgeschlecht
zählte 27480 Haupt, die rund 3000 Eigentümern gehören, darunter 266 Stiere und 17571 Kühe. An Schweinen waren 11851 Stück,
an Schafen 852, an Ziegen 2242 vorhanden, die das Eigentum von etwa 3000 Besitzern sind. Die Zahl der Bienenstöcke betrug 4598.
Die Liegenschaft der kantonalen landwirtschaftlichen Schule hat sich stetig vergrössert; sie umfasst
heute 41 ha Land, das der Schule selbst gehört, 15 ha, die aus dem «Fonds des élèves» und 5 ha, die vom Staate Neuenburg
gepachtet
wurden. Diese Schule hat ausserdem noch 2 Besitzungen an der Montagne de Cernier von 32 ha. Fläche, die aus Wiesen und bestockten
Weiden bestehen. Die Schule züchtet das Yorkshireschwein (eine grosse, weisse englische Race) rein. Der Pensionspreis
für Schüler schweizerischer Herkunft beträgt Fr. 300 per Jahr.
Seit 1905 hat die Schule Winterkurse eingeführt, zu denen alle, wenigstens 16 Jahre alten Söhne von Landwirten eingeladen
sind. Diese Winterkurse erstrecken sich über 2 Semester. Das gesellschaftliche Leben, das im Kanton Neuenburg
so entwickelt
ist, hat auch die Landwirte zu sechs landwirtschaftlichen Bezirksvereinen zusammengeschlossen, die mit einander wieder die
«Société cantonale neuchâteloise d’agriculture et de viticulture»
bilden. Diese Gesellschaft, die 2500 Mitglieder zählt, gibt als Organ das Bulletin agricole neuchâtelois heraus, das monatlich
einmal erscheint und jedem Vereinsmitglied gratis geliefert wird.
Wälder.
Die Waldfläche des Kantons nahm im Jahre 1907 22968 ha ein, somit 28,43% der gesamten Oberfläche des Kantons. Die Staatswaldungen
messen 1933 ha., die Gemeindewaldungen 11097 ha und die Privatwaldungen 9938 ha.
Fauna.
Die am Anfang des Artikels Fauna des Lexikons angeführten Spezies sind alle mehr oder weniger selten.
Die Geschichte des im Jahre 1855 auf dem Berg von Boudry wahrgenommenen Bären scheint erfunden zu sein. Dagegen setzte man
früher Prämien aus für die Erlegung von Wölfen, Wildkatzen und Bären im Kanton. Das Musée neuchâtelois hat die Rechnungen
der Bourserie de Neuchâtel von 1550-1665 veröffentlicht, wobei freilich 50 Jahre fehlen, so dass es
sich um einen Zeitraum von 65 Jahren handelt. Daraus
ersieht man, dass Prämien verabfolgt wurden für:
27 Bären (Männchen, Weibchen und Junge), erlegt bei Noiraigue, im Champ du Moulin, bei Brot, am Mont Aubert. Einer von ihnen
ist als «grossen Schaden verursachend» bezeichnet. Im Jahre 1600 wird zu
Concise eine Bärin mit drei Jungen zur Strecke gebracht.
Nach Fatio wäre einmal im Val de Ruz ein Alpenhase geschossen worden; der Verfasser hat jedoch das Tier nicht selbst gesehen.
Einige Flüge Lachmöven verbringen den ganzen Sommer im Kanton. Die Blindschleiche ist in den Wäldern nicht selten. Von
Mollusken trifft man 139 Spezies im NeuenburgerJura.
Bevœlkerung.
Im Jahre 1905 betrug die gesamte Bevölkerung des Kantons 131073 Personen, 1906 stieg sie auf 132019, 1907 auf 134014, 1908 auf
134768; 1909 betrug sie 133781, wovon 62611 Neuenburger, 56551 Schweizer anderer Kantone und 14619 Ausländer. Die Hauptursache
der Bevölkerungsabnahme ist eine intensive Krisis in der Uhrmacherei, die den Kanton in den letzten
Jahren heimgesucht hat. Alle Bezirke weisen eine Verminderung auf, mit Ausnahme von Neuenburg
und Boudry. Nach der Herkunft verteilt
sich die Bevölkerung folgendermassen:
Die Fabrik champagnerartiger Weine in Neuenburg
ist die erste in Europa, ausserhalb der Champagne, die «Champagnerweine» hergestellt
hat. Der Ursprung dieses Hauses datiert von 1736; er hat sich besonders von 1811 an entwickelt und beschäftigt 45-50 Arbeiter.
Fleurier zählt (1909) 17 Uhrmacherwerkstätten, von denen mehrere allerdings nur 2 oder 3 Arbeiter
beschäftigen. Im Val de Travers gibt es 1754 Uhrmacher, diejenigen mitgerechnet, die in den Fournitürenfabriken zu Fleurier
und Saint Sulpice arbeiten.
Travers und Noiraigue haben sehr grosse Fabriken zur Herstellung metallener und silberner Uhrschalen. Drei Fabriken in Fleurier
liefern mehr als die Hälfte aller in der Schweiz hergestellter Uhrzeiger. Diese Ortschaft besitzt zudem zwei Fabriken für
Uhrgläser, sowie zwei andere für Spiralen; zwei grosse Ateliers zum Schleifen der Edelsteine bestehen in Couvet; Môtiers
hat eine Schraubenfabrik. Die acht mechanischen Werkstätten von Couvet beschäftigen 50-60 Arbeiter. Im Jahr 1909
¶
mehr
waren 880 Arbeiter in der Strickmaschinenfabrik und in der Schraubenfabrik von Couvet angestellt, welch’ letztere hauptsächlich
Bestandteile für Automobile liefert (etwa 5000 Stück jährlich). Les Verrières besitzt eine Fabrik für automatische Schneidmaschinen,
Röhrenpressen und Kröpfmaschinen. Die 13 Absinthbrennereien sind infolge des letzhin vom Schweizervolk angenommenen Gesetzes
über das Verbot dieses Getränkes zum Untergang oder zur Umwandlung gezwungen, zu welch’ letzterer
mehrere schon Schritte getan haben.
Travers hat eine Möbelfabrik mit 80 Arbeitern. Die Zündholzfabrik in Fleurier ist die zweite der Schweiz; sie produziert jährlich 13 Millionen
Schachteln, die 800 Millionen Zündhölzchen enthalten. Eine Fabrik für konfektionnierte Kleider, in der 70 Arbeiter
und Arbeiterinnen betätigt sind, wurde 1907 in Fleurier gegründet; eine andere für Maschinenstrickwaren besteht seit kurzem
in Les Verrières. Die einzige Fabrik elektrischer Batterien die in der Schweiz existiert, befindet sich in Fleurier.
Im Jahre 1908 haben die Kontrollbureaux gestempelt:
Von den Kreditanstalten des Kantons waren bis zur Gründung der schweizerischen Nationalbank zwei, nämlich die Kantonalbank
und die Handelsbank, zur Ausgabe von Noten berechtigt und zwar jede für Fr. 8000000. Seither ist die Handelsbank
von der Bildfläche verschwunden und seit dem durch eine Filiale der Nationalbank ersetzt worden. Das Recht der
Kantonalbank, Noten auszugeben, wird mit dem zu Ende gehen. Diese letztere Bank hatte am ein Dotationskapital
von Fr. 10000000 und eine statutarische Reserve von Fr. 1439750. Der Geschäftsumsatz erreichte im Laufe
des Jahres 1908 die Summe von Fr. 1955759826,20. Die Banknoten-Emission stand auf Fr. 3965000. Der Hypothekarverkehr repräsentiert
eine Summe von Fr. 39485021. Am 31. Dezember waren 23242 Sparhefte mit einem Guthaben von Fr. 19845769 vorhanden.
Der Crédit Foncier Neuchâtelois mit einem Kapital von Fr. 4000000 und einem Reserve- und Sicherungsfonds
von Fr. 752000 hatte im gleichen Zeitraum Hypothekardarleihen für Fr. 29086803 und Grundobligationen für Fr. 21856000 zum
durchschnittlichen Zinsfuss von 3,98% ausgegeben. Die Ersparnisabteilung dieser Anstalt, die 1905 gegründet wurde, wies 3702 Einleger
auf, mit einem Guthaben von Fr. 3674785.
Die Sparkasse, die 1812 als philanthropisches Werk gegründet wurde, um den kleinen Sparern aufzuhelfen,
hat kein Kapital, wohl aber einen Reservefonds von Fr. 2475000. Dieselbe Person darf im Verlauf eines Jahres nicht mehr als
Fr. 2000 einlegen, gewisse Ausnahmen vorbehalten, über welche die Direktion entscheidet, und kein Sparheft darf den Betrag
von
Fr. 5000 übersteigen. Ende 1908 verfügte sie über Fr. 56093472 Einlagen, die 70497 Gläubigern
gehörten.
In demselben Jahre erhielt die Sparkasse 78426 Einlagen in einem Betrage von Fr. 8467067.
Die allgemeine Situation der Filiale Neuenburg
der schweizerischen Nationalbank erhellt aus folgenden Zahlen:
Neuenburg
ist vorwiegend Industriekanton, weist aber doch noch eine beträchtliche Zahl von Landwirtschaftsbetrieben auf. Die Ergebnisse
der Betriebszählung dieses Kantons weisen viel Aehnlichkeit mit den Resultaten des Kantons Glarus
auf. Die Zahlen
pro 1905 sind folgende:
Betriebsgruppen
Betriebe
%
Dagegen Schweizer. Betriebe
Männl.
weibl.
Total
%
Urproduktion
4140
23.9
45.4
8657
3846
12503
21.4
Industrie
9079
52.5
35.1
23589
10239
33828
58.0
Handel
2931
16.9
14.5
4049
3430
7479
12.8
Verkehr
499
2.9
2.5
2538
519
3057
5.2
Verwaltung, Wissenschaft und Künste
664
3.8
2.5
756
769
1525
2.6
Total
17313
100.0
100.0
39589
18803
58392
100.0
%
67.8
32.2
100.0
.
Urproduktion.
Als Spezialität ist die Torf- und Asphaltgewinnung zu nennen, in der 254 Personen beschäftigt waren
(Torf 70 Betriebe und 112 Personen, Asphalt 1 Betrieb mit 142 Personen). Ferner gab es in der
¶