manchen Orten gründlich aufräumten. Die republikanische Verfassung der Schweizer Kantone ward für die
Neuenburger Patrioten
zu einem erstrebenswerten Ideal, das selbst einige einflussreiche Angehörigen der regierenden Geschlechter als die für
die Zukunft einzig mögliche Lösung der unhaltbar gewordenen Verhältnisse anzusehen begannen. Da das Verlangen nach einer
vom Volk zu bestellenden legislativen Körperschaft blos zu einer Umwandlung der althergebrachten Audiences
générales in einen übrigens nahezu ebenso exklusiven Corps législatif geführt hatte, entschlossen sich die Unzufriedenen
zu gewaltsamem Vorgehen und bemächtigten sich unter Führung von Alphonse Bourquin im September 1831 des
Schlosses.
Dieser Handstreich hatte ein eidgenössisches Einschreiten zur Folge, das den frühern Zustand wieder
herstellte. Ein zweiter Aufstand im Dezember des nämlichen Jahres misslang völlig und hatte ein strenges Vorgehen gegen
die Führer der Bewegung und eine bedauerliche Reaktion zur Folge, die das Tragen der eidgenössischen Farben im Lande verbot
und sogar den Bundesvertrag mit der
Schweiz aufheben wollte. Bevor dieser Beschluss jedoch gefasst werden
konnte, erklärte die eidgenössische Tagsatzung ein derartiges Vorgehen überhaupt für unausführbar.
Als sich die
Neuenburger Regierung 1833 weigerte, fernerhin Abgeordnete zur Tagsatzung zu senden, schritt die
Schweiz zur militärischen
Besetzung des Kantons und betraute mit deren Durchführung den
Obersten G. H. Dufour. Da fügte sich kurz
vor dem Einmarsch der Truppen endlich die Regierung. Es sollte aber auch jetzt noch keine Ruhe geben. Die feindselige Haltung
des Staatsrates gegen die Ansichten und Beschlüsse der Mehrheit der Kantone in der aargauischen Klosterfrage (1841), im
Jesuitenhandel zu Luzern
(1844) und im Sonderbundskrieg (1847), sowie sein strenges Vorgehen gegen die Republikaner
waren selbstverständlich nicht dazu angetan, den gährenden
Brand zu löschen. So kam denn das Unvermeidliche: die im
Stillen
schon längst vorbereitete Revolution vom unter der politischen Führung von Alexis Marie Piaget und der militärischen
Leitung von
Fritz Courvoisier fegte die monarchische Regierung weg und erklärte die Republik, die auch
durch eine 1856 versuchte royalistische Gegenrevolution nicht mehr erschüttert werden konnte. Im Pariser Vertrag vom anerkannte
schliesslich auch der König von Preussen die Unabhängigkeit von Neuenburg,
indem er auf seine sämtlichen Ansprüche und Rechte verzichtete.
Von diesem Zeitpunkt ab sind die GeschickeNeuenburgs mit denjenigen der ganzen
Schweiz verknüpft geblieben.
Es handelte sich jetzt nur noch um den
innern, übrigens sehr freiheitlich gestimmten, Ausbau der Verfassung. Die die Verfassung
von 1848 wesentlich erweiternde Revision von 1858 ist im Wesentlichen bis auf den heutigen Tag giltig geblieben und durch
spätere Revisionen blos noch in wenigen Punkten modifiziert worden, wie z. B. durch die Einführung
des fakultativen Referendums und der Proportionalvertretung für die
Wahlen in den Grossen
Rat.
Von bemerkenswerten Ereignissen der folgenden Jahre nennen wir noch den Uebertritt und die Entwaffnung eines Teiles der französischen
Ostarmee unter General Bourbaki bei
Les Verrières (1871) und die Gastfreundschaft, mit der man in Neuenburg
und
der ganzen
Schweiz diese Opfer eines unseligen Krieges aufnahm, dann den Erlass des Kirchengesetzes von 1873, das den Anlass
zur Lostrennung der freien evangelischen Kirche von der Staatskirche gab, und endlich 1888 die Revision des Gemeindegesetzes,
welche die Bürger- und Einwohnergemeinde unter einer einzigen Verwaltung vereinigte.
Grosse Brüche auf gelben Kreidekalkstein bei Hauterive und La Coudre. In Cressier eine Zementfabrik, in Marin eine Automobilwagenfabrik,
in Le Landeron eine Uhrsteinschleiferei und eine Fabrik für Uhrenrohteile (ébauches). An den Hängen des Jura stehen prachtvolle
Waldungen.
Die Viehstatistik hat folgende Resultate ergeben:
1886
1896
1901
Rindvieh
2212
2345
2166
Pferde
430
530
565
Schweine
612
1163
981
Schafe
324
142
80
Ziegen
523
716
578
Bienenstöcke
612
783
888
Hauptbeschäftigung der ländlichen Bewohner ist der Weinbau, der in grossem Umfang betrieben wird. Die Rebberge folgen
dem Jurafuss von einem Ende des Bezirkes bis zum andern und erzeugen einen vorzüglichen Wein: Rotwein der Stadt Neuenburg,
Weisswein von Hauterive und Saint Blaise. Fast ausschliesslich vom Weinbau leben die Bewohner von La Coudre, Hauterive, Saint Blaise,
Cornaux und Cressier, während die übrigen Dörfer (Marin, Épagnier, Le Landeron) daneben auch noch den Ackerbau
pflegen.
Enges, Lignières und die an den Gehängen des Chaumont zerstreut gelegenen Meierhöfe treiben Viehzucht. Einzig das im SW.-Zipfel
des Bezirkes gelegene Serrières lebt ganz von industrieller Tätigkeit (grosse Schokoladenfabriken, Papierfabrik, Hammerwerke
und Mühlen). Auch der Fischfang ernährt einen Teil der am Seeufer wohnenden Bevölkerung. Der Hauptort
Neuenburg
selbst hat wenig Industrie. Er ist hauptsächlich eine Schul- und Pensionnatsstadt, hat lebhaftes Buchgewerbe (Verlagsbuchhandel
und Druckereien) und ferner einige Uhrenfabriken, eine Fabrik elektrischer Apparate, eine Zinkornamentenfabrik, zwei Strohhutfabriken,
kunstgewerbliche Ateliers und
Glasmalergeschäfte; zwei Bierbrauereien. Bedeutender Weinhandel. In Neuenburg
grosse Krankenanstalten,
in Préfargier die kantonale Irrenheilanstalt und in Serrières, Cressier und Le Landeron je ein Krankenhaus
und Altersasyl.
französisch Neuchâtel (Kt. und Bez. Neuenburg). Gemeinde und Stadt, Hauptort des Kantons und des Bezirkes
Neuenburg,
Sitz der Verwaltung des 4. eidgenössischen Postkreises; 40 km w. Bern.
Die blühende und malerische Stadt
baut sich vom Seeufer aus amphitheatralisch an den Gehängen des Chaumont auf und wird von dunkeln Tannenwaldungen überragt.
Prachtvolle Aussicht über den See auf die Alpen vom Mont Blanc und den Savoyer Bergen bis zum Pilatus. Der
ordnungsliebende und ernsthafte Charakter der Bewohner verrät sich in der peinlichen Sauberkeit der Strassen und Gassen und
dem etwas monotonen Leben, das sich auf ihnen bewegt.
Dagegen geben die hügelige und unregelmässige Bodengestaltung und die vorherrschend hellgelbe Farbe der Häuserreihen der
Stadt einen Anstrich von Frische und Jugendlichkeit, so dass sie von Alexander Dumas einmal ein aus gelber
Butter geformtes Spielzeug genannt worden ist. Während die Kollegialkirche und das Schloss mit der Tour deDiesse und der Tour
des Prisons noch an die Zeiten des Mittelalters erinnern, reicht kein anderer Stadtteil weiter zurück als bis zum Beginn
des 16. Jahrhunderts.
Aber auch diese Bauten sind nicht mehr in grosser Anzahl vorhanden, da die Stadt zu wiederholten Malen (besonders 1269, 1450,
1526, 1714) von verheerenden Feuersbrünsten heimgesucht worden ist. So kommt es, dass die grosse Mehrzahl der Häuserschon aus
einer Zeit stammt, die eine gewisse Behaglichkeit und grösseren Komfort nicht mehr als überflüssigen
Luxus betrachtete. Die vielen Herrschaftssitze versetzen uns noch in die Zeiten zurück, da Neuenburg
als Hauptort eines eigenen Fürstentums
Residenzstadt war. Doch zeigt die Stadt
¶
mehr
keineswegs etwa den Charakter einer zum stillen Provinzstädtchen degradierten ehemaligen Residenz, da die Behörden es stets
verstanden haben, mit allen Anforderungen und Fortschritten der Neuzeit Schritt zu halten. Schone öffentliche Parkanlagen,
zahlreiche Privatgärten und breite Uferquais mit schattenspendenden Baumreihen hüllen die Stadt in ein freudiges Grün und
geben ihr ein eigenartig behäbiges und vornehmes Gepräge. Dazu verfügt Neuenburg
auch über alle modernen Hilfsmittel
zur schnellen und bequemen Bewältigung des Verkehrs.
Früher floss der aus dem Val de Ruz herabkommende Seyon längs der Rue de l'Écluse und Rue du Seyon offen durch die Stadt und
trennte den Schlossberg einerseits von den Hügeln von Les Chavannes und Le Neubourg andererseits. Dieser
unberechenbare Wildbach lag meist trocken, konnte aber zu Zeiten mit seinen plötzlich heranbrausenden Hochwassern grosse
Verheerungen anrichten. 1844 lenkte man ihn vor seinem Eintritt in die Stadt ab und führte ihn durch einen unter dem Schlossberg
durchgehenden Tunnel, die sog. Trouée du Seyon, in gerader Linie in den See, auf welchem Weg er sich beim
Austritt aus dem Tunnel mit schönen Kaskaden über zwei Schwellen hinunterstürtzt.
Von allen umliegendem Höhen (besonders der Colline des Cadolles über Le Plan und der Colline du Mail) aus gesehen bietet der
Niederblick auf die von dunkelm Wald beherrschte und von Weinreben umgebene Stadt mit der zwischen der
Montagne de Boudry und der Tourne eingeschnittenen breiten Oeffnung des Val de Travers (dem einst sog. Trou de Bourgogne oder
Burgunderloch) und mit dem breiten, schimmernden Seespiegel ein überraschend schönes Bild.
Topographie.
Die Sternwarte Neuenburg
liegt in 47° 0' 1" NBr. und 6° 57' 28" OL. von Greenwich. Die Meereshöhe der Stadt
beträgt am Seeufer 434 m, auf dem Plan 580 m, beim Bahnhof 480 m und auf der Schlossterrasse 472 m. Die untere Stadt steht
auf einer von Serrières bis Monruz 5 km langen und vom See bis zum Jurafuss blos 1-3 km breiten Uferterrasse,
während die obere Stadt den durch isolierte Hügel und vorspringende Bergsporne reich gegliederten S.-Hang des Chaumont bis
weit hinauf erklettert.
Die das jurassische Gewölbe des Chaumont einst überdeckenden Kreideschichten sind durch Erosion und Verwitterung bis tief
hinunter abgetragen worden, so dass sie jetzt nur noch am Fuss der Kette anstehen, wo sie in der Stadt
Neuenburg drei Stufen bilden: zu oberst bei der Roche de l'Ermitage, der Écluse und am Vauseyon eine Valangienstufe, in der
Mitte eine Hauterivienstufe (Schlosshügel, Le Tertre, Crêt Taconnet und N.-Seite der Colline du Mail) und
zu unterst eine Urgonstufe (Le Crêt, S.-Seite der Colline du Mail und Seeufer).
Der gelbe Baustein, aus dem die Mehrzahl der Bauten Neuenburgs besteht und der der Stadt ein so eigentümliches Gepräge verleiht,
gehört dem Neocom an, das seinen Namen von der latinisierten Form Neocomium für Neuenburg
erhalten hat. Die Stadt
ist derart gelegen, dass man sie nur gegen O. (Biel) und W. (Yverdon) ebenen Fusses verlassen kann, während im S. der See sich
ausbreitet und im N. noch in der Stadt selbst die steilen Gehänge des Chaumont ansteigen, die nur in dem Thälchen des Vauseyon
etwas weniger stark geböscht sind.
Der Gipfel des Chaumont selbst (1175 m) ist durch eine bequeme Strasse und zahlreiche Fusswege mit der Stadt verbunden, bietet
eine umfassende Aussicht und bildet ein sehr beliebtes Ausflugsziel der Neuenburger. An seinen mit sehr schönen Waldungen
und Sennbergen bekleideten Gehängen stehen zahlreiche niedliche Chalets, die im Sommer von wohlhabenden
Familien aus der Stadt bewohnt werden. Das Volk pflegt dann kurz und bündig zu sagen, dieser oder jener Herr sei jetzt in
«seinem Chaumont» zu treffen. Die Gemeinde Neuenburg umfasst neben der eigentlichen Stadt noch den industriellen Vorort
Serrières (s. diesen Art.), die WeilerSuchiez und Monruz und beinahe den ganzen Berghang. Sie hat eine
Fläche von 15129144 m2, die nach der Katastervermessung von 1872 sich folgendermassen verteilten:
Neuere Daten stehen nicht zur Verfügung, doch kann man bestimmt sagen, dass die überbaute Fläche und die Strassen- und
Eisenbahnanlagen auf Kosten hauptsächlich der einst mit Reben bepflanzten Fläche heute wesentlich höhere Ziffern aufweisen.
Neuenburg
ist ein wichtiger Strassen- und Eisenbahnknotenpunkt. Die älteste Strasse ist die dem Seegelände entlang
ziehende sog. Vy d'Étraz (via strata), die in
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19 km lang, erster und grösster rechtsseitiger Zufluss zur Areuse; sein 72 km^{2} messendes Einzugsgebiet sammelt die Gewässer des westlichsten Zipfels des Kantons Neuenburg Entspringt unter dem Namen Noiraigue auf dem Plateau der Granges de Sainte Croix in 1080 m, durchfliesst das malerische
(MONT DE) Kt. Neuenburg Bez. Val de Travers Gem. Buttes)
Alsine fasciculata, Linum tenuifolium, Geranium lucidum, Spiraea filipendula, Sedum maximum und S. reflexuni, Achillea nobilis
(bei Neuenburg Aster linosyris und A. amellus, Primula acaulis, Cyclaminus europaea, Allium pulchellum, Scilla bifolia; Ophrys muscifera, O. arachnites, O. api
3 km nw. La Chaux de Fonds. Ehemaliger Gasthof, heute Eigentum des Staates Neuenburg Viehzucht. Kt. Neuenburg Bez. Val de Ruz 1442 m. Höchster Punkt der Kette der Tête de Rang zwischen dem Val de Ruz und der Vallée des Ponts, ö. über der Combe des Charbonnières und der Combe des Sagneules.