Neubritann
ia-Archipel
(Bismarck-Archipel, s. Karte »Neuguinea«),
deutsche Inselgruppe im westlichen Stillen Ozean, nordöstlich von Neuguinea, von welchem dieselbe durch die Dampierstraße getrennt ist, zwischen dem Äquator und dem 8.° südl. Br. und 141-154° östl. L. v. Gr., umfaßt ein Areal von 47,100 qkm (855,4 QM.). Die meisten Inseln sind uns nur durch die Beobachtungen von Seefahrern etwas bekannt geworden, in ihrem Innern aber noch völlig unerforscht. Fast alle sind bei großer Länge nur schmal, dabei hoch und bergig, zum Teil vulkanischen Ursprungs, wie denn ein vulkanischer Ausbruch auf Neubritannien noch 1878 stattfand.
Sie zeigen eine große
Verwandtschaft mit
Neuguinea, die sich in dem zu bedeutender
Höhe emporgehobenen
kompakten Madreporenkalkstein sowie in der
Flora und
Fauna ausspricht. Das
Klima
[* 2] ist heiß und feucht; vom Mai bis
September
weht der Südost-, in den übrigen
Monaten der Nordwestmonsun; während der Dauer des erstern ist die
Regenzeit. Die Bewohner,
deren Zahl man auf 188,000 schätzt, gehören zu den Melanesiern; ihre Hautfarbe schwankt vom hellen
Kupferbraun bis zum glänzenden
Schwarz (s. Tafel »Ozeanische
Völker«,
[* 3] Fig. 5, 12 und 13). Die Körpergröße der
Männer ist
die Durchschnittsgröße der
Europäer; in Bezug auf Schädelgestalt müssen die Neubritannier
zu den hohen Schmalschädeln
gerechnet werden.
Die Kleidung ist dürftig genug, dafür ist der aus Zähnen, Perlmutterstücken, Muscheln, [* 4] Perlen etc. bestehende Schmuck desto reichlicher. Die Frauen bringen auf Brust, Schultern und Rücken starke Narben hervor. Die Wohnungen sind aus Bambus gebaute und mit Pandanus gedeckte länglichrunde Blätterhütten mit hohen Giebeldächern. Landbau wird überall mit Sorgfalt betrieben. Man gewinnt Kokosnüsse, Taro, Yams, Bananen, Zuckerrohr, Mango, Brotfrucht, Betelnüsse u. a. Haustiere sind Hund, Schwein [* 5] und Huhn.
Fische
[* 6] fängt man mit gut gearbeiteten
Netzen, mit Angelhaken,
Reusen und betäubenden Pflanzensäften. Die
Boote der Neubritannier
sind zierlich und geschickt gebaut, haben Ausleger, auf den westlichern
Inseln auch viereckige Mattensegel. Auch fertigen
sie irdene Töpfe,
Büchsen und
Löffel für den
Betel,
Masken
[* 7] zu
Tänzen (auch aus
Schädeln),
Körbe,
Matten,
Kämme von
Holz
[* 8] u. a. In ihrem
Charakter treten als Hauptzüge Argwohn und Hinterlist hervor; dabei fehlt es ihnen aber nicht
an
Mut und Kriegslust.
Die
Frauen (es herrscht eine gemäßigte
Vielweiberei) sind besser als auf andern Inselgruppen. Sie werden
vom Mann gekauft, der damit das
Recht über
Leben und
Tod über sie erwirbt. Die Neubritannier
sind sämtlich ausgesprochene
Kannibalen; die
Kriegsgefangenen und gefallenen Feinde werden verspeist.
Ihre Hauptwaffen sind die
Schleuder,
[* 9] welche mit großem
Geschick gehandhabt wird, Steinbeile, Holzspeere. Sie glauben an gute und
böse Geister und verehren Götzenbilder;
religiöser Art sind auch die Geheimbünde des
Duck-Duck auf der
Insel
Neubritannien. Als musikalische
Instrumente hat man
Flöten,
Muscheltrompeten und mit Eidechsenhaut überzogene hölzerne
Trommeln.
Die Insel Neubritannien, früher auch Birara, jetzt Neupommern genannt, 24,900 qkm (452 QM.) groß, ist im Innern noch völlig unbekannt, ja selbst der Verlauf der Küsten ist nicht allenthalben mit Sicherheit festgestellt. Gewaltige, mit Urwald bedeckte Berge erfüllen die Insel, und vom Meer erblickt man häufig ausgedehnte Flächen offenen Graslandes. Auf der Nordseite liegt eine Reihe teils thätiger, teils erloschener Vulkane. [* 10] Die bekanntesten derselben sind der Vater (1200 m), der Nördliche Sohn (495 m) und der Südliche Sohn (900 m), die zum Rumpf der Insel gehören, und die Mutter (741 m) mit der Nördlichen und der Südlichen Tochter, welche auf der Gazellehalbinsel liegen, die nur durch einen schmalen Isthmus zwischen der Spaciousbai und der Openbai mit dem übrigen Land in Verbindung steht.
In der Mitte der Halbinsel erhebt sich der Varzin (früher Beautemps-Beaupré genannt) zu 547 m Höhe; an der Nordwestseite desselben liegt ein Süßwassersee. Ein guter Hafen ist im äußersten Nordosten an der Gazellehalbinsel die Blanchebai. Im W. wird Neupommern durch die Dampierstraße von der Rookinsel, im NO. durch den St. Georgskanal von Neuirland getrennt. Mitten im Kanal [* 11] liegt die Duke of York-Gruppe (s. d.), jetzt Neulauenburg genannt, auf welcher sich die Hauptstationen des Hauses Hernsheim, das hier 3000 Hektar Landes besitzt, und der Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft der Südsee befinden und auch die Amerikaner eine protestantische Mission errichtet haben. Im Innern der Duke of York-Insel (Amakata) lebt noch ein 800 Seelen starker wilder Volksstamm in Höhlen unter Bäumen oder in hohlen Bäumen, sich von Wurzeln und wilden Früchten nährend. Neuirland, früher auch Tombara, jetzt Neumecklenburg genannt, 12,950 qkm (235 QM.) groß, ist namentlich im S. hoch und bergig (bis 2000 m) und im Innern mit dichtem Urwald bedeckt. Häfen sind Praslin und Carteret, beide am Südende der Insel. An der Nordküste Neuirlands sowie auf dem im O. der Steffenstraße belegenen Insellabyrinth hat das Haus Hernsheim Stationen angelegt, um den ¶
mehr
dortigen Reichtum an Kokospalmen auszubeuten. Als zu Neuirland gehörig werden noch zwölf Inseln und Gruppen, 1400 qkm (25 QM.) groß, gerechnet. Es sind dies die Hibernischen Inseln an der Nordostküste, alle mit sichern Küsten, bis auf die östlichsten hoch und gebirgig, anscheinend fruchtbar, gut bewaldet und bewohnt. An Neuirland schließt sich nordwestlich, durch die Steffen- und Byronstraße getrennt und durch einen Schwarm kleiner Inseln verbunden, Neuhannover, 1476 qkm (27 QM.) groß, dessen Ufer von Mangroven eingefaßt sind, worauf ein breiter Gürtel [* 13] hochstämmigen Waldes folgt; am Fuß des Gebirges breitet sich Grasland aus, und das Gebirge selbst ist mit Urwald überzogen. Im N. von Neuhannover liegen die 660 qkm (12 QM.) große Insel Matthias von dreieckiger Form, im Innern bergig, gut bewaldet und fruchtbar, und die 165 qkm (3 QM.) große, flache, ebenfalls gut bewaldete Koralleninsel Squally.
Westlich von Neuhannover bedeckt der Archipel
der Admiralitätsinseln (s. d.) einen großen Meeresraum; derselbe umfaßt 2276 qkm
(41,3 QM.). Noch weiter westlich liegen zerstreut die Hermitinseln (17 qkm), ein großes Lagunenriff mit 13 teils flachen,
teils höhern Inseln, dann die Echiquierinseln (50 qkm), zwei Lagunen mit flachen, bewaldeten Inseln, auf denen hellere, schlichthaarige
Menschen wohnen, und die Anachoreten (15 qkm), eine Kette teils niedriger, teils hoher, auf einem langen
Riff liegender Eilande.
Erwähnenswert sind noch die an der Nordküste von Neubritannien liegenden Französischen Inseln, 820 qkm (14,9 QM.) groß, die
hoch und fruchtbar sind und durch ihre heißen, hoch aufsprudelnden Quellen ihren vulkanischen Charakter verraten. Noch werden
zu dem Neubritann
ia-Archipel
gerechnet drei große und mehrere kleine Inseln an der Nordostküste von Neuguinea. Die durch
die Dampierstraße von Neubritannien getrennte Insel Rook, 705 qkm (12,8 QM.), hat im Innern Berge vulkanischen Ursprungs von
majestätischen Formen, fruchtbaren, wohlbewässerten Boden, aber ein ungesundes Klima. An ihrer Nordseite bietet der Hafen Isidro,
im S. San Giuseppe hinreichenden Schutz. Long, 544 qkm (9,9 QM.), westlich davon, besteht aus zwei
durch einen niedrigern, dicht bewaldeten Landstrich verbundenen vulkanischen Bergen.
[* 14] Dampier, 272 qkm (4,9 QM.), ganz nahe
der Küste, ist eine ganz gebirgige, mit ununterbrochenem Urwald bedeckte Insel, unter deren Bergen ein thätiger Vulkan von etwa 1600 m
Höhe ist. Auch diese Inseln sind schwach bewohnt. - Entdeckt wurde der Archipel
zuerst 1616 durch die
Niederländer Le
[* 15] Maire und Schouten; ihnen folgte Tasman 1643. Dampier bewies durch die Auffindung der nach ihm benannten Straße
die Selbständigkeit des Archipels
, Carteret fand 1767 den die beiden Hauptinseln scheidenden Kanal.
Ihnen folgten Bougainville 1768, J. ^[John] Hunter 1791, d'Entrecasteaux 1792 und 1793, d'Urville 1827, Belcher
1840, F. Hunter 1842 und Simpson 1872. In diese Zeit fällt die erste Niederlassung des Hamburger Hauses J. C. ^[Johann Cesar]
Godeffroy auf Neubritannien. Die Feindseligkeit der Eingebornen gab Veranlassung, daß die Gazelle auf ihrer wissenschaftlichen
Weltreise auch diesen Archipel
besuchte. Die demzufolge erschienenen Berichte waren namentlich in ethnographische
Beziehung wertvoll (vgl. »Zeitschrift für Ethnologie« 1877, Heft 1 u. 2). Einige Inseln lief 1875 der Challenger an. Nun wurde
die Gruppe auch regelmäßig von Hamburger Handelsschiffen besucht, und die Wesleyaner errichteten auf der Duke of York-Gruppe
eine
Missionsstation.
Eingehende Nachrichten über Land und Leute brachten der englische Missionär Brown, die deutschen Reisenden Hübner und Kleinschmidt (letzterer wurde hier ermordet), der Konsul F. Hernsheim und O. Finsch, namentlich aber der Engländer W. Powell, der drei Jahre auf den Inseln verweilte. Durch die Thätigkeit der Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft und der Firma Hernsheim hat sich allmählich hier ein bedeutender Handel entwickelt, der zum allergrößten Teil in deutschen Händen ist.
Große Strecken Landes sind, um Pflanzungen anzulegen, von den Eingebornen erworben worden. Die beiden Handelshäuser besitzen gegenwärtig Handelsstationen bei Port Weber, Kabakadai, Matava, Ratavul, Nadup, Nugai, Blanchebai, Matupi auf Neubritannien, bei Port Hunter, Mioko, Makada in der Duke of York-Gruppe, bei Lagunebanje, Kapsu, Butbut, Cablaman, Kap Jeschke auf Neuirland, auf der Loof- und der Péméinsel in der Hermitgruppe sowie auf den Anachoreten.
Um den deutschen Handel auf der Gruppe zu stützen, wurden 1878 die beiden Häfen Makada und Mioko in der Duke of York-Gruppe von Reichs wegen von den Eingebornen gekauft und Ende 1884 wie auf der Nordostküste von Neuguinea, so auch auf Neubritannien, Neuirland, Neuhannover und den Admiralitätsinseln die Flagge des Deutschen Reichs aufgezogen. Dies war auf Ansuchen einer deutschen Gesellschaft geschehen, welche später den Titel Neuguineakompanie (s. d.) annahm, und welcher die oben genannten beiden deutschen Häuser beitraten. Dieser Gesellschaft wurde das Recht zur Ausübung landeshoheitlicher Befugnisse im N. verliehen; einer ihrer Beamten hat seinen Sitz in Matupi auf der Gazellehalbinsel.
Vgl. Jung, Der Weltteil Australien, [* 16] Bd. 2 (Leipz. 1883);
Powell, Unter den Kannibalen von Neubritannien (deutsch, das. 1884);
Hager, Kaiser Wilhelms-Land und der Bismarck-Archipel (das. 1886);
Parkinson, Im Bismarck-Archipel (das. 1887).