Nervenentz
ündung
(Neuritis), entzündlicher Prozeß in der bindegewebigen Scheide (Perineurium) oder in den eigentlichen Nervenfasern, verläuft stets mit großer Schmerzhaftigkeit und später eintretenden Lähmungen mit folgendem Muskelschwund. Die eiterige Entzündung der Nervenscheide ist eine Wundinfektionskrankheit, welche sich namentlich an Quetschungen und Zerreißungen größerer Nervenstämme anschließt, wenn die Wunden unsauber gehalten werden und Bakterien sich in ihnen ansiedeln.
Schmerzen, welche dem Verlauf der entzündeten
Nerven
[* 2] folgen und sich bis in die peripherische Verbreitung derselben erstrecken,
bilden das wichtigste und häufigste
Symptom der Nervenentz
ündung. Die
Schmerzen vermehren sich bei einem auf den
Nerv
ausgeübten
Druck, pflegen aber nicht anfallsweise aufzutreten, wie bei den
Neuralgien, sondern sind mehr beständig vorhanden.
Während des Bestehens dieser
Schmerzen ist gewöhnlich der
Tastsinn im Bereich derselben vermindert. Anfangs haben die Kranken
an den betroffenen
Stellen der
Peripherie ein
Gefühl von
Taubheit; später, wenn sich die
Entzündung nicht
verteilt, entwickelt sich vollständige Unempfindlichkeit gegen äußere
Reize, während die
Schmerzen häufig noch fortbestehen.
Enthält der entzündete
Nerv auch Bewegungsfasern, so gesellen sich zu den
Schmerzen Zuckungen und
Kontrakturen, während das
Vermögen der Kranken, die
Muskeln
[* 3] willkürlich in
Kontraktion zu versetzen, beeinträchtigt wird oder gänzlich
verloren geht. Der Verlauf ist bald akut, bald chronisch. Der
Nerv bleibt, auch wenn sich die
Entzündung zerteilt, gewöhnlich
für längere Zeit in gewissem
Grad funktionsunfähig. Bei chronischen Verlauf der Nervenentz
ündung tritt, wenn der
Nerv zerstört wird,
gleichfalls Unempfindlichkeit und
Lähmung ein; bleibt aber der
Nerv erhalten, und erfährt er nur von
seiten der angeschwollenen und verdickten Nervenscheide einen beständigen
Druck, so leiden die Kranken oft jahrelang an
Nervenschmerzen
oder an krampfhaften
Zufällen im Bereich des kranken Nervs.
Die Behandlung hat die Aufgabe, etwa in den
Nerv eingedrungene
Fremdkörper zu entfernen, im übrigen geschieht sie nach den
Regeln der
Wundbehandlung:
Reinigung, antiseptischer
Verband.
[* 4] Die idiopathische Nervenentz
ündung führt ohne ein besonders
erkennbares entzündliches
Stadium zum
Schwund von
Nervenfasern und gleicht somit mehr den entzündlichen
Prozessen, welche am
Gehirn
[* 5] und
Rückenmark vorkommen, mit denen sie auch in den klinischen
Symptomen
Ähnlichkeit
[* 6] hat, zumal mit der aufsteigenden
Rückenmarkslähmung.
Die
Krankheit beginnt plötzlich unter
heftigen Fiebererscheinungen,
Frost,
Hitze, Appetitmangel,
Schmerzen
im
Rücken und
Kreuz
[* 7] und den
Beinen, zuweilen mit Anschwellung der
Gelenke.
Bald darauf stellen sich
Lähmungen in den
Beinen ein,
die schon in wenig
Tagen hohe
Grade erreichen können und zuweilen durch Übergang auf die Atmungsmuskeln tödlich werden.
Auch in den leichtern
Fällen folgt auf die
Lähmungen ein Muskelschwund, welcher bis zu voller
Heilung,
selbst wenn die
Schmerzen und die mangelhafte
Erregbarkeit des Nervs gehoben sind, oft noch monatelanger Behandlung mit Hautreizen,
elektrischem
Strom etc. bedarf. Über die
Ursachen dieser Nervenentz
ündung ist nichts bekannt; es gilt jetzt für ausgemacht, daß die
epidemisch in
Ostasien auftretende
Beriberi oder in
Japan
[* 8] als
Kak-ke benannte
Krankheit mit der primären Nervenentz
ündung gleichartig ist.