1)
GlatzerNeisse, ein Nebenfluß der Oder, entspringt in den
Sudeten an den
Klappersteinen auf der mährisch-schles. Grenze, westlich
vom
Schneeberg und 32 km südsüdöstlich von
Glatz,
[* 4] fließt nach dem kurzen obersten südwestl. Lauf bis unterhalb
Glatz nach
Neisse, dann durch ein enges
Thal
[* 5]
(Paß
[* 6] von Wartha) zwischen Eulen- und
ReichensteinerGebirge nordöstlich,
weiterhin östlich bei der Festung
[* 7] Neisse vorüber und mündet nordöstlich davon, nach 195 km, zwischen Oppeln
[* 8] und
Brieg,
[* 9] die letzten zwei Meilen (von Löwen
[* 10] ab) schiffbar. Nennenswerte Zuflüsse der Neisse sind rechts der Wölfelsbach
(bildet 8 km nordwestlich vom
Schneeberg den 25 m hohen Wölfelsfall) und die
GlatzerBiele, links die
Steine,
dann rechts die
Biela bei Neisse und die
Steinau.
2) JauerscheoderWütendeNeisse, entspringt im Mittelgebirge, oberhalb
Bolkenhain, 20 km im O. von Hirschberg,
[* 11] und mündet nach 37 km
oberhalb
Liegnitz
[* 12] in dieKatzbach.
3)
LausitzeroderGörlitzerNeisse, kommt vom südwestl. Kamm des Isergebirges, nordöstlich von
Reichenberg
[* 13] (345 m
ü.
d. M.) in
Böhmen;
[* 14] zuerst südlich, dann von Gablonz nach NW. fließend, tritt sie oberhalb Zittau,
[* 15] eine Nordrichtung annehmend, in die sächs. und 10 km südlich von
Görlitz
[* 16] in die preuß. Oberlausitz und mündet 12 km
nördlich von Guben
[* 17] (von hier schiffbar), nach 225 km, ohne einen bedeutenden Zufluß, in die Oder.
1)
Kreis
[* 18] im preuß. Reg.-Bez. Oppeln, hat 711,67 qkm und 1890: 98922,
1895: 100259 (49473 männl., 50786 weibl.) E., 3
Städte, 111 Landgemeinden und 61 Gutsbezirke. –
2) Kreisstadt im
Kreis Neisse, früher Hauptstadt des Fürstentums Neisse und fürstbischöfl. Residenz, in 190 m
Höhe, am Abhange der
Sudeten, an der
Glatzer Neisse, welche hier die die Stadt durchströmende
Biele aufnimmt, an den LinienCamenz-Cosel-Kandrzin,
Neisse-Brieg (47,4 km) und der
Nebenlinie Neisse-Oppeln (50,7 km) der
Preuß. Staatsbahnen,
[* 19] ist Sitz des Landratsamtes,
eines Landgerichts (Oberlandesgericht
Breslau)
[* 20] mit 8
Amtsgerichten
(Falkenburg in Oberschlesien, Friedland, Neisse, Neustadt
[* 21] in
Oberschlesien, Oberglogau,
Ottmachau,
Patschkau, Ziegenhals), Amtsgerichts,
Steuer-,
Katasteramtes, mehrerer Bauinspektionen,
eines
Artilleriedepots,
Bezirkskommandos, einer Fortifikation sowie der Kommandos der 12. Division, 23. und 24. Infanterie-
und 12. Kavalleriebrigade und der
Verwaltung des Feldartillerieschießplatzes Lamsdorf und hatte 1890:
22444, 1895: 24359 (14027 männl., 10332 weibl.) E., darunter 5520
Evangelische und 367 Israeliten, in Garnison das Infanterieregiment
von Winterfeldt Nr. 23, das 1. und 2.
Bataillon des Infanterieregiments Nr. 63, die 1.
Abteilung des Feldartillerieregiments
von
Clausewitz Nr. 21, das 2.
Bataillon des Fußartillerieregiments von Dieskau Nr. 6 und das
Pionierbataillon Nr. 6, ferner ein Postamt erster
Klasse und
Telegraph.
[* 22]
Bis 1870 war Neisse eine der wichtigsten östl. Festungen, seitdem sind die innern Werke
abgetragen worden und nur die Redouten und
Forts erhalten geblieben, darunter einige neu angelegte detachierte. Unter den 9
Kirchen,
darunter 2 evangelische, sind hervorzuheben die große, 1195–98 erbaute, 1430 vollendete und 1894 restaurierte
got.
Pfarrkirche des heil. Jakobus, die Kreuzkirche, die 1715 von den Kreuzherren im Renaissancestil
aufgeführte Kuratialkirche zu St.
Peter und
Paul, die schöne, 1688 von den
Jesuiten erbaute Maria-Himmelfahrt-, jetzt Gymnasialkirche
und die 1888 geweihte Garnisonkirche.
Andere bemerkenswerte
Gebäude sind der 1499 vollendete, 85 m hohe Ratsturm mit städtischem
Archiv, die
alte Kämmerei, 1602–4 in gotisierender Renaissance errichtet, mit reicher Façade, 1888–90 wiederhergestellt, die ehemalige
bischöfl. Residenz, jetzt Sitz von
Behörden, das
Stadthaus, die
Kriegsschule, das Kreisständehaus, der neue Schlachthof,
ferner der Schöne
Brunnen
[* 23] (1686) und mehrere Kriegerdenkmäler. Die Stadt hat ein königlich kath.
Gymnasium, 1624 als Jesuitenkolleg gestiftet, eine
Kriegsschule, ein Realgymnasium, kath. und evang. höhere
Mädchen-, landwirtschaftliche Winterschute, fürstbischöfl.
Handelsartikel sind
Zuckerrüben, Gemüse aus der Umgegend, Nutzholz und Marmor. Es bestehen eine Reichsbanknebenstelle, die
Neisse-Grottkauer Fürstentums-Landschaft, eine Kommandite des
Schlesischen Bankvereins, Vorschußverein,
Schlesische Wirtschaftsgenossenschaft und der
Verband
[* 26] schles. ländlicher Genossenschaften. – 1350 erhielt Neisse durch
Bischof
Preczlaws
Mauern, hinter welchen die Bewohner 1428 den
Hussiten tapfern
Widerstand leisteten, und 1594 wurde es mit Schanzen
und
Basteien versehen.
Während des Dreißigjährigen
Krieges ward die Stadt dreimal besetzt: 1621 vom Markgrafen Joh.
Georg von
Jägerndorf, 1632 von
Sachsen
[* 27] und Dänen und 1642 von den
Schweden.
[* 28] Seit 1643 durch Wall und
Graben befestigt, ergab sich Neisse 1741 den
Preußen.
[* 29]
Friedrich II. ließ die Festung verstärken, legte auf dem linken Ufer der Neisse die bis 1810 eine eigene Stadt
bildende Friedrichstadt an und ließ einige Hauptbollwerke, insbesondere seit 1743 das
FortPreußen aufführen.
Von den
Österreichern wurde Neisse 1758 vergeblich belagert, mußte es sich nach harter
Belagerung den
Franzosen ergeben,
die es bis besetzt hielten. –
Vgl. Minsberg, Geschichtliche
Darstellung der merkwürdigen Ereignisse in der Fürstentumstadt
Neisse (Neisse 1834);
Kastner, Geschichte der Stadt Neisse (ebd. 1854–67);
Schulte, Beiträge zur Geschichte von Neisse (ebd. 1881).
Das FürstentumNeisse, anfangs von der Hauptburg
Ottmachau das
Ottmachauer, später das
Neisser Land genannt, gelangte 1201 durch
Schenkung an das
BistumBreslau und wurde allmählich vergrößert.
Bischof Preczlaws erwarb 1344 durch
Kauf das Grottkauer Land, weshalb sich auch später die
BreslauerBischöfe Fürsten von Neisse und
Herzöge von Grottkau nannten.
Nach dem
Breslauer Frieden von 1742 blieb bei
Österreich
[* 30] nur der kleinere, gebirgige südl.
Teil (etwa 900 qkm); der größere
nördl.
Teil (1231 qkm) gelangte an
Preußen und wurde 1810 für Staatseigentum erklärt. Die Hauptstadt
des österr. Anteils ist Jauernig, neben dem
¶
mehr
noch Freiwaldau sowie Zuckmantel, Friedeberg, Weidenau und Reichenstein zu nennen sind. Der preuß. Anteil, noch immer Fürstentum
Neisse genannt, zerfällt in die beiden Kreise
[* 32] Neisse und Grottkau.