Nebeninter
vention,
s. Intervention.
Nebenintervention
3 Wörter, 36 Zeichen
Nebenintervention,
s. Intervention.
(lat., »Dazwischenkunft«),
Einmischung, besonders eines Staats in solche Angelegenheiten eines andern, welche an und für sich dem freien Ermessen des letztern unterliegen, mögen sie nun dessen Verfassung und Verwaltung oder die Beziehungen zu dritten Staaten betreffen. Eine völkerrechtliche I. kann auf verschiedene Weise eintreten. Die fremde Macht kann als Hauptpartei auftreten, entschlossen, ihre Pläne nötigen Falls mit Gewalt durchzusetzen. In solchen Fällen ist die I. zuweilen der Vorbote eines Kriegs gewesen.
Die I. kann aber auch nur als eine Hilfsleistung, als die Unterstützung einer Macht in dem fremden Staat, und zwar regelmäßig der dortigen Staatsregierung, erscheinen (Kooperation, accessorische I.). Ferner kann schon die Ergreifung vorbeugender Maßregeln, z. B. die Aufstellung eines Observationskorps, den Charakter einer I. tragen. Endlich wird der Ausdruck I. auch für das Eintreten für eigne oder fremde Interessen im diplomatischen Verkehr der Staaten untereinander, also auf freundschaftliche Weise, gebraucht. Je nachdem eine I. mit bewaffneter Macht oder nur mittels freundschaftlicher Bemühung (Anbieten der »guten Dienste«) [* 3] geschieht, wird zwischen bewaffneter und moralischer I. unterschieden.
Eine I. kann dann eintreten und wird für gerechtfertigt erklärt, wenn auf Grund geleisteter Garantie die garantierende Macht wegen Verletzung des Vertrags von einem Teil (Staat) zum Einschreiten aufgefordert worden ist. War aber die Garantie nicht bloßer Nebenvertrag, d. h. ein solcher, wodurch der Garant einer Vertragspartei Hilfe verspricht, sondern ein Hauptvertrag (Garantiebeschluß), wodurch eine Anzahl Mächte einen völkerrechtlichen Zustand unter ihren selbständigen Schutz nehmen, so sind die Garanten berechtigt, auch ohne Anrufen zu intervenieren, wenn ihr eignes Interesse an der fraglichen Anordnung verletzt oder bedroht erscheint. So wären z. B. die Garantiemächte zur I. berechtigt, wenn eine Macht die Neutralität Belgiens (Vertrag von 1839) oder des Congostaats (Berliner [* 4] Vertrag vom antasten würde.
Ebenso intervenierten die Signatarmächte auf Grund des Berliner Friedens vom gegen Griechenland. [* 5] Ohne die Voraussetzung einer geleisteten Garantie ist in der Regel kein Staat ermächtigt, sich in die Angelegenheiten eines andern einzumischen; die sogen. Interventionspolitik erscheint daher verwerflich. Allerdings ist dieser Satz nicht unbestritten, und die Frage, welche man dahin formuliert hat: I. oder Nichtintervention? wird verschieden beantwortet.
Man hat die I. verteidigt: einmal vom monarchischen Standpunkt aus im Interesse der sogen. legitimen Fürstengewalt, so z. B. die I. (1791) der Alliierten gegen die Revolution in Frankreich. Diese Art der I. wurde auf den Kongressen von Laibach [* 6] 1821 und Verona [* 7] 1822 als völkerrechtliches Prinzip proklamiert. Dieser Grundsatz hielt sich jedoch nicht lange, er wurde insbesondere auf Betreiben Englands und Amerikas (Monroe-Doktrin) durch das entgegengesetzte Prinzip der Nichtintervention verdrängt. So drang z. B. Österreich [* 8] vergebens auf I. gegen die Hellenen zu gunsten der Pforte, und für Karl X. wagte keine Macht zu intervenieren.
Sodann hat man die Interventionspolitik für den Fall verteidigt, wenn die Handlungen eines Staats die allgemeine Sicherheit der europäischen Staaten bedrohen (z. B. beim Krieg der Westmächte gegen Rußland [1853-56], weil dieses die Türkei [* 9] angriff); endlich für den Fall, wenn die Bedrückung einer Bevölkerung [* 10] der Zivilisation Europas unwürdig erscheint (so z. B. I. zum Schutz der christlichen Bevölkerung in der Türkei). Aus religiösen Ursachen ward von den Ultramontanen I. zu gunsten des Papsttums gegen Italien [* 11] gefordert.
Eine besondere Art der I. ist die, welche gegen die ungerechtfertigte I. eines Staats geübt wird, um deren Ende herbeizuführen und zu verhüten, daß durch dieselbe eine Störung des Weltfriedens herbeigeführt werde. So hat 1826 England gegen Spanien [* 12] interveniert, als dieser Staat mit I. in Portugal drohte; so hat Frankreich, als 1831 Österreich in Italien intervenierte, Ancona [* 13] besetzt. Der französischen I. in Mexiko [* 14] traten 1866 die Vereinigten Staaten [* 15] entgegen.
Die Politik Rußlands in der orientalischen Frage ist nichts andres als eine Interventionspolitik. Es gibt aber auch eine staatsrechtliche I., insofern in der Verfassung eines zusammengesetzten Staats, sei er Bundesstaat oder Staatenbund, in der Regel festgesetzt ist, unter welchen Voraussetzungen und aus welchen Anlässen die Zentralgewalt zur I. in einzelnen Staaten, z. B. wegen Verfassungsverletzung, befugt sei. Schon die Verfassung des frühern Deutschen Bundes anerkannte ein Interventionsrecht des letztern in den innern Angelegenheiten der Einzelstaaten, soweit dadurch die Zwecke des Bundes berührt würden. Im nunmehrigen Deutschen Reich ist das Interventionsrecht des Bundesrats (s. d.) ausdrücklich anerkannt (Reichsverfassung, Art. 76). Verfassungsstreitigkeiten in den einzelnen Bundesstaaten sind, wofern es dem Bundesrat nicht gelingt, sie gütlich auszugleichen, im Weg der Reichsgesetzgebung zu erledigen. Vgl. außer den Lehrbüchern des ¶
Völkerrechts: H. v. Rotteck, Das Recht der Einmischung in die innern Angelegenheiten eines fremden Staats (Freiburg [* 17] 1845);
Francis, Ansichten und Politik des Lords Palmerston (deutsch von Esmarch, Kassel [* 18] 1852);
Hautefeuille, Le [* 19] principe de Non-I. (Par. 1863);
Stapleton, I. and Non-I. (Lond. 1866);
v. Holtzendorff, Die Idee des ewigen Völkerfriedens (Berl. 1883);
Engelhardt, Le droit d'intervention et la Turquie (Par. 1880);
Geffcken, Das Recht der I. mit Beziehung auf Rußland und Bulgarien [* 20] (Hamb. 1887).
Im Rechtswesen bedeutet I. das Eintreten in einen bereits anhängigen bürgerlichen Rechtsstreit. Sie ist demnach teils der Vorgang, durch welchen eine dritte Partei sich in einen zwischen zwei andern anhängigen bürgerlichen Rechtsstreit einmischt, teils die durch eine solche Einmischung eintretende gerichtliche Verhandlung (processus interventionis). Der sich einmischende Dritte heißt Intervenient, sein Gegner Intervent. Die I. ist nur zulässig, wenn ein Dritter an dem Rechtsstreit in der Art ein Interesse hat, daß entweder sein Anspruch auf eine Sache oder gegen eine Partei von deren Sieg abhängt, wie z. B. der Anspruch des Vermächtnisnehmers von dem Sieg des Testamentserben über den Intestaterben, oder daß er einer Partei im Fall des Unterliegens als Auktor (s. Auctor [primus]) haften müßte.
Der Intervenient schließt sich also einer Partei freiwillig an, um ihr zum Sieg zu verhelfen und dadurch sein eignes Interesse zu wahren; er muß den Prozeß in dem Stadium aufnehmen, in welchem sich dieser gerade befindet. Dieser sogen. accessorischen oder Nebenintervention steht die Haupt- oder Prinzipalintervention gegenüber, durch welche der Intervenient die Ansprüche beider Teile an den Streitgegenstand im Weg der Klage (Interventionsklage) zu beseitigen sucht, um allein seine eignen geltend zu machen, z. B. wenn die beim ausgeklagten Schuldner befindliche Sache eines Dritten jenem abgepfändet und gerichtlich verkauft werden soll (Exekutionsintervention).
Durch jede I. wird zunächst die Frage veranlaßt, ob die Einmischung im gegebenen Fall zulässig sei oder nicht. Bevor dieser Inzidenzstreit durch ein Zwischenurteil entschieden ist, tritt ein Stillstand des Hauptprozesses ein. Doch kommt es nur dann zu einem Zwischenstreit, wenn die Zurückweisung der I. beantragt wird.
Vgl. Deutsche [* 21] Zivilprozeßordnung, § 61 ff., 236, 690; Weismann, Hauptintervention und Streitgenossenschaft (Leipz. 1884).
Über I. im Wechselverkehr s. Intervenieren.