Nebel.
Über die berüchtigten dunklen Nebel
, unter welchen
London
[* 2] wie andre größere Industriestädte
Englands leidet, hat
Russel Mitteilungen gemacht. Das insulare
Klima
[* 3]
Englands bedingt es, daß die zur Nebel
bildung erforderliche
Feuchtigkeit der
Luft fast stets vorhanden ist, und ebensowenig fehlt es an den Staubpartikelchen, auf welche sich aus der
mit
Feuchtigkeit gesättigten
Luft das verdichtete
Wasser niederschlägt. Diese Staubpartikelchen stammen
aus den
Feuerungen und dem Straßenverkehr. Da außerdem auch alle sonstigen Verunreinigugen der Stadtluft durch den Nebel
niedergerissen
^[Anmerkung: wahrscheinliches
Wort, nicht eindeutig zu lesen] werden, so finden sich in dem
Niederschlag, wie er nach starkem
Nebel
auf Glasdächern zurückbleibt, 42,5
Kohle, 41,5, mineralische
Stoffe, 4,5
Asche, 4,8 organische
Basen
(Pyridin etc.), 4
schweflige Säure, 0,8
Salzsäure, 1,1
Ammoniak.
Die
Menge des
Niederschlags kann sich auf sechs
Ton. für eine englische Quadratmeile belaufen. Der ungünstige Einfluß,
den der
Aufenthalt in
Luft, die derartig mit Verunreinigungen beladen ist, ausübt, wird noch dadurch erhöht,
daß der Nebel
das Tageslicht und namentlich die chemisch wirkenden blauen und violetten
Strahlen desselben zurückhält. Nach
den
Berichten des meteorologischen
Amtes nehmen diese Nebel
beständig zu. Während auf einen bestimmten
¶
mehr
Zeitraum früher nur 93, später 119-131 und darüber Nebel
kamen, zählt man jetzt in derselben Zeiteinheit schon 156 Nebel
, und
infolgedessen hatte die Umgebung Londons 1890 nur noch 1723 Stunden Sonnenschein, die Mitte der City aber nur 1157, im Winter
sogar nur 95 Stunden. Diese fortschreitende Vermehrung der Nebel
scheint im engsten Zusammenhang zu stehen
mit der Vergrößerung der Stadt und dem dadurch bedingten erhöhten Kohlenverbrauch in Ermangelung jedes andern Feuerungsmaterials
für Heizung
[* 5] und Beleuchtung.
[* 6]
Von 4,8 Mill. Ton. vor Jahren ist der Kohlenverbrauch jetzt auf 6,3 Mill. T. gestiegen, während die alten unzweckmäßigen
Feuerungen, offene Kamine etc., welche die Rauchbildung begünstigen, geblieben sind und
der billige Preis der Kohle das Bedürfnis nach Verbesserung der Feuerungen nicht aufkommen läßt. Die schlechte Luft und der
Lichtmangel machen es erklärlich, daß die Sterblichkeit während der Nebeltage
steigt, wobei freilich der Abfall der Temperatur
und die Erniedrigung des Luftdruckes, die fast immer die Nebel
bildung begleiten, wohl auch eine gewisse
Rolle spielen.
Den schädlichen Einfluß des Nebels auf den Pflanzenwuchs hat Dyer nachgewiesen, und er glaubt, daß bei dem hohen Gehalt der
Nebel
an schwefliger Säure der Gartenbau in der Nähe Londons bald völlig unmöglich werden wird, wenn die Nebel
sich in gleicher
Weise steigern. In Manchester
[* 7] ist die Luft noch reicher an schwefliger Säure als in London, und damit steht
in Zusammenhang, daß dort gewisse Pflanzen überhaupt nicht zum Wachsen gebracht werden können, die in London sehr gut gedeihen.
Oliver, welcher im Auftrag der Royal Horticultural Society Untersuchungen über die Einwirkung des Londoner
Nebels auf Gewächshauspflanzen ausgeführt hat, stellte fest, daß der Nebel
in kleinen Städten unschädlich ist. Er zeigte,
daß das Protoplasma der Pflanzen unter dem Einfluß des Nebels in derselben Weise abstirbt wie bei der Einwirkung der schwefligen
Säure. Pflanzen in Nebelwasser zu züchten, gelang überhaupt nicht. Temperaturzunahme verstärkt unter sonst
gleichen Verhältnissen die schädliche Wirkung der schwefligen Säure.
Die eigentümliche Verfärbung, welche die Blätter durch den Nebel erhalten, leitet Oliver aus der Einwirkung des Eisens her, welches in verhältnismäßig großer Menge im N. enthalten ist. Um die Schädigungen durch den Nebel herabzusetzen, empfiehlt Oliver für Nebeltage eine möglichst niedrige Temperatur in den Gewächshäusern und ebenso sparsame Zuführung von Wasser, da Wärme [* 8] und Feuchtigkeit die Absorption befördern, während die Blätter nicht wie bei hellem Wetter [* 9] einen Überschuß von Feuchtigkeit auszustoßen vermögen. Das einzige Mittel, welches London von seinen Nebeln befreien und ihm und allen großen englischen Industriestädten ein verändertes Ansehen geben würde, wäre eine Verhinderung der Rauchbildung bei der Verbrennung, sei es durch Koks- oder Gasfeuerung [* 10] oder durch rationelle Konstruktion der Feuerungen.