Naturgesch
ichte,
Geschichte der
Natur, Geschichte des
Welt- und Erdganzen sowie aller einzelnen
Formen und deren Veränderungen. In diesem
Sinn begreift Naturgesch
ichte den
Inhalt der gesamten
Naturwissenschaften. Die Geschichte des Weltganzen
umfaßt die kosmische
Physik, die
Astronomie
[* 2] und die
Astrognosie. Die Erdgeschichte ist zunächst
Geologie
[* 3] oder Geschichte des
Erdkörpers selbst mit seiner
Atmosphäre, als solche ein Teil der Geschichte des
Kosmos; der
Geologie sind
untergeordnet: die
Geognosie, die
Mineralogie und die
Paläontologie.
Diese bietet das Material zur Geschichte der Organismen auf der Erde. Ein Teil der Erdgeschichte ist ferner die Geographie, die Klimatologie oder Meteorologie, die Hydrographie. Für die Pflanzen- und Tiergeschichte bietet die Paläontologie ein freilich sehr unvollständiges Material. Die Pflanzenkunde (Botanik) wie die Tierkunde (Zoologie) zerfallen zunächst in Morphologie und Physiologie. Ein Teil der Morphologie ist die Histologie oder Gewebelehre, ein andrer beschäftigt sich mit der Entwickelungsgeschichte [* 4] und vergleichenden Anatomie.
Auf Morphologie und Physiologie soll sich die systematische Botanik und Zoologie, d. h. die Wissenschaft von den Verwandtschaftsverhältnissen der Lebewesen, gründen. Die Chorologie der Lebewesen (Pflanzen- und Tiergeographie) verbindet diese Disziplinen einesteils mit der Paläophytologie und Paläozoologie sowie anderseits mit der Klimatologie und kosmischen Physik. Die menschliche, oft sehr anmaßend »Weltgeschichte« genannte Geschichte ist nur ein sehr kleiner Teil der Erdgeschichte und die menschliche Geographie, welche in politische Geographie u. Ethnographie [* 5] oder Völkerlehre zerfällt, nur ein Teil der allgemeinen Chorologie der Lebewesen.
Die wahre Menschengeschichte würde nicht eine bloße chronologische
Darstellung von
Schlachten
[* 6] und Umwälzungen und allerlei
Thaten der
Feldherren,
Fürsten und Eroberer, sondern eine Untersuchung der Entstehung des Menschengeschlechts auf der
Erde,
ihrer
Wanderungen, der Entstehung der verschiedenen
Rassen und Völkerstämme, ihrer
Sprachen und
Religionen,
ihrer kulturellen Weiterentwickelung und ihrer
Schicksale darzustellen haben.
Eine solche Behandlung läßt die Menschengeschichte
als einen
Zweig der Naturgesch
ichte erscheinen. - Unter Naturgeschichte
versteht man auch die beschreibende
Naturwissenschaft.
Die bloße Unterscheidung der Naturkörper nach äußern Merkmalen,
Systematik im frühern
Sinn des
Wortes, ist
zwar für die Kenntnisnahme u. Übersicht durchaus notwendig, aber doch nur von propädeutischem,
also sehr untergeordnetem
Werte. Den
Namen Naturgesch
ichte verdient sie jedenfalls nicht. Die
Entwickelung der
Naturwissenschaft gehört unserm
Jahrhundert an. Die alten Griechen hatten, mit Ausnahme des
Empedokles und
Anaxagoras, welche auf dem richtigen Weg der mechanischen
Naturanschauung waren, noch eine theologische, d. h. nach Zweckbegriffen
ordnende, Weltansicht.
Aristoteles ordnete mit logischem Scharfsinn das naturwissenschaftliche Material und fügte zahlreiche eigne Beobachtungen hinzu; Dioskorides und Theophrast lieferten Werke über die Pflanzenwelt, welche uns als Quellen für die Pflanzenkenntnis der Alten unentbehrlich sind; Strabon bearbeitete vortrefflich die geographischen Kenntnisse der Alten. Während durch Baco, Descartes, Leibniz, Hume und Kant das wissenschaftliche Denken und Forschen allmählich auf die gegenwärtige Stufe der Ausbildung erhoben wurde, brachen Tycho Brahe, Kepler, Galilei, Newton, Laplace und in unserer Zeit Darwin einer neuen Weltanschauung Bahn.
Linné ordnete das systematische
Material (»Vollständiges Natursystem«, nach der 12. lat.
Ausg., Nürnb. 1773-76, 9 Bde.)
in genialer, meist noch jetzt unentbehrlicher Form. Die eigentliche Naturgesch
ichte faßte
Bronn zusammen (»Handbuch einer Geschichte der
Natur«, Stuttg. 1841-49, 3 Bde.).
Die großartigste Zusammenfassung des den Weltbau betreffenden
Materials verdanken wir
Alexander v.
Humboldt
(»Kosmos,
Entwurf
einer physischen Weltbeschreibung«, Stuttg. 1845-62, 5 Bde.).
Für eine Orientierung über die
Formen der Organismen ist J.
^[Johannes]
Leunis, »Die
Synopsis der drei
Naturreiche« (neu bearb. von
Ludwig, Lüerssen u.
Senft, 3. Aufl.,
Hann. 1883 ff.) zu empfehlen.
Jede Universität, ja fast jede größere Stadt hat eine naturforschende Gesellschaft, die selbständig oder als Sektion einer wissenschaftlichen Akademie wirkt. Diese geben fast alle regelmäßig oder zwanglos erscheinende Abhandlungen heraus. Seit 1665 erscheinen die »Transactions of the Royal Society of London«, [* 7] seit 1666 die »Mémoires de la Société d'histoire naturelle de Paris«, [* 8] seit 1670 die »Veröffentlichungen der kaiserlichen Leopoldinisch-Karolinischen Akademie der Naturforscher«. Von den Zeitschriften neuern Datums sind in erster Linie zu nennen Monats- und Vierteljahrsschriften der verschiedenen Universitäten, Akademien, Institute und Vereine, deren Zahl Legion ist, so daß bloß referierende und sammelnde Organe für die einzelnen Disziplinen mehr und mehr Bedürfnis geworden sind. Die letztern haben ihre besondern Fachzeitschriften (vgl. die betreff. Artikel).