Nashorn
(Rhinoceros L., hierzu Tafel »Nashorn«
),
Säugetiergattung aus der Ordnung der unpaarzehigen Huftiere, welche allein die Familie der Nashörner (Nasicornia) repräsentiert, große, plumpe Dickhäuter mit schmalem, auffallend gestrecktem Kopf, unverhältnismäßig kleinem Maul, auffallend kleinem Auge, [* 2] mäßig großem Ohr [* 3] und einem oder zwei hintereinander stehenden Hörnern auf dem vordern Gesichtsteil. Der Hals ist kurz, stärker als der Kopf, der Leib kräftig, in eine panzerartige Haut [* 4] gehüllt, fast ganz oder größtenteils unbehaart.
Die kurzen, wie beim Dachshund gekrümmten Beine sind ziemlich schmächtig, an den vorn und hinten dreizehigen Füßen ist der mittlere Huf [* 5] etwa doppelt so breit als die beiden seitlichen. Der Schwanz ist kurz. Die Haut zerfällt oft in mehrere durch tiefe Falten getrennte Schilder, welche nur durch diese Falten eine gewisse Beweglichkeit erhalten. Die Hörner enthalten keinen Knochenkern, sondern ruhen nur auf der dicken Haut. Das Gebiß besteht aus sieben Backenzähnen in jedem Kiefer; Eckzähne fehlen, und die Schneidezähne durchbrechen entweder das Zahnfleisch gar nicht, oder fallen sämtlich oder zum Teil zeitig aus.
Das indische Nashorn
(R. indicus
Cuv.), 3,15 m lang, mit 60
cm langem
Schwanz, 1,7 m hoch, mit verhältnismäßig kurzem
Kopf, einem 55
cm
hohen, mit der
Spitze zurückgebogenen, kräftigen
Horn, langen, spitzen, aufrecht stehenden
Ohren und durch
tiefe Falten in
Schilder geteiltem, dunkel graubraunem, nacktem Hautpanzer, der mit hornartigen Warzenschildern bedeckt ist,
bewohnt
Vorderindien. Auf
Java lebt ein kleineres, einhörniges, auf
Sumatra ein großes, zweihörniges Nashorn
mit minder stark
entwickelten Hautfalten.
Auch
Hinterindien
[* 6] und
Malakka besitzen eine eigentümliche zweihörnige Art. Das afrikanische Nashorn
(R. africanus
Camp.) ist 3,4 m lang, mit 60
cm langem
Schwanz, 1,6 m hoch, hat eine glatte, dunkelbraune
Haut und zwei
Hörner, von denen das
größere vordere 60-80
cm lang, nach rückwärts gebogen und zugespitzt ist. Es bewohnt Mittelafrika vom 18.° nördl.
Br. bis 24.° südl.
Br., und außer ihm kommen noch zwei
Arten in
Afrika
[* 7] vor.
Alle Nashörner sind mehr oder
weniger an das
Wasser gebunden und leben am häufigsten in Wäldern in der
Nähe von
Sümpfen und
Flüssen, an deren
Ufern sie
sich täglich im Schlamm wälzen.
Sie schlafen am
Tage, gehen nachts weit in die
Steppen und
Wälder hinein und brechen, gleich den
Elefanten,
durch die verschlungensten Dickichte schnurgerade Wege. Sie schweifen nicht wie die
Elefanten umher, sondern verändern nur
notgezwungen ihren Standort. Das Nashorn
frißt sehr große
Mengen
Kraut,
Gras,
Blätter,
Zweige und
Wurzeln. Es lebt meist einzeln
oder in kleinen Trupps, bewegt sich zwar plump, aber ziemlich schnell und ausdauernd und schwimmt vortrefflich.
Von
Natur harmlos, zeigt es sich, wo es häufig verfolgt wurde, ungemein bösartig. Es flieht vor
Hunden, aber gereizt, stürzt
es in blinder Wut auf jeden Feind und wird dann durch seine furchtbare Körperkraft höchst gefährlich. Bei seiner
großen
Reizbarkeit fürchtet
man es im allgemeinen mehr als den
Elefanten, obwohl durchaus nicht alle
Arten gleich bösartig
sind. Das Nashorn
wirft nur ein
Junges, welches eine rötliche, faltenlose
Haut besitzt und erst nach acht
Jahren Mittelgröße erreicht.
Die
Mutter säugt das
Junge zwei Jahre und verteidigt es mit beispiellosem
Grimm. Ein
Vogel, der
Madenhacker,
ist der
¶
mehr
fortwährende Begleiter des Nashorns;
er sitzt beständig auf dessen Rücken und befreit es von dem Ungeziefer, von welchem
das Tier arg geplagt wird. Gefangene Nashörner werden verhältnismäßig zahm, zeigen sich sehr gutmütig und gewinnen entschiedene
Zuneigung zu dem Wärter, haben sich aber bisher nicht fortgepflanzt. In kultivierten Ländern ist das
Nashorn
durchaus schädlich. Das Horn liefert sehr schöne Säbelgriffe, namentlich aber fertigt man im Morgenland Becher
[* 9] und Tassen
daraus, welche die Eigenschaft besitzen sollen, aufzubrausen, sobald eine vergiftete Flüssigkeit hineingegossen wird.
Aus der Haut verfertigen die Eingebornen Schilde, Panzer, Schüsseln etc. Das Fleisch wird gegessen, das Fett sehr geschätzt.
Den Alten war das Nashorn
sehr wohl bekannt. Pompejus brachte das erste einhörnige Nashorn
zu den Spielen nach Rom.
[* 10] Strabon sah ein Nashorn
in Alexandria. In den arabischen Märchen kommen beide Nashörner, das indische wie das afrikanische, nicht
selten als zauberhafte Wesen vor. Marco Polo sah im 13. Jahrh. das sumatranische Nashorn
, und 1513 erhielt
Emanuel von Portugal
[* 11] ein lebendes Nashorn
aus Ostindien,
[* 12] dessen Abbildung Dürer in Holz schnitt.
[* 13] Bessere Nachrichten gab dann erst
Bontius.
Vgl. Brandt, Monographie der tichorhinen Nashörner (Petersb. 1877).