Nantes
[* 2] (spr. nāngt), Hauptstadt des franz.
Departements
Niederloire, ehemals Hauptstadt der
Bretagne, 52 km vom
Atlantischen
Ozean entfernt, an der
Loire, in geographisch vorteilhafter
Lage, welche hier die
Entwickelung einer Stadt schon
in vorrömischer Zeit erklärt. Nantes
liegt nämlich an dem
Punkt, bis zu welchem die
Flut reicht und die größten
Schiffe,
[* 3] die
wenigstens bis vor wenigen Jahrzehnten in
Gebrauch waren, stromaufwärts trägt, so daß es als Vermittelungsplatz
zwischen der Seeschiffahrt und dem
Handel des ganzen Stromgebiets dient.
Dazu kommt daß die
Loire sich hier in mehrere
Arme
teilt und derart nahe der Mündung noch einen bequemen Übergangspunkt
bietet, zu welchem überdies die
Straßen durch die
Thäler der beiden hier einander gegenüber mündenden Nebenflüsse,
Erdre
rechts,
Sèvre Nantaise links, hingeleitet werden. So ist Nantes
eine der wichtigsten
Handels- und Industriestädte
Frankreichs
geworden. In neuester Zeit hat Nantes
allerdings von seiner Bedeutung als Seehandelsstadt viel verloren, seitdem die
Schiffahrtsstraße der an mehreren
Stellen versandeten
Loire dem Tiefgang der großen transatlantischen
Dampfer nicht mehr entspricht,
ein Übelstand, welchem durch die Ausführung eines die gefährlichsten
Punkte umgehenden, 14 km langen
Loirekanals begegnet werden soll.
Die Stadt hat einen Umfang von 20 km, schöne Kais mit monumentalen Gebäuden, 20 Brücken [* 4] und mehrere bemerkenswerte Plätze, darunter die Place royale mit schöner Fontäne, die Place Louis XVI mit einer Statue dieses Königs, an welche sich einerseits der Cours St.-Pierre, anderseits der Cours St.-Andre anschließen; ferner die schöne Promenade Cours Cambronne mit dem Denkmal dieses Generals. Von den Kirchen, worunter sich auch eine protestantische befindet, sind besonders zu erwähnen: die Kathedrale St.-Pierre aus dem 15. Jahrh., an deren Vollendung gegenwärtig gearbeitet wird, mit dem schönen Grabmal Franz' II., Herzogs der Bretagne, und der Herzogin Margarete von Foix (1507 von Michel. Colomb ausgeführt);
die neuen, im Stil des 13. Jahrh. erbauten Kirchen St.-Clément und St.-Nicolas, endlich die Kirchen Ste.-Croix und St.-Jacques. Bemerkenswerte Gebäude sind außerdem: das große ehemalige Residenzschloß der Herzöge der Bretagne (von 1466), die Präfektur (1763 erbaut), das Stadthaus mit einem schönen Portikus, der Justizpalast (1853 vollendet) mit monumentaler Stiege und Säulenhalle, die Börse (von 1809) mit Säulenfassade und Statuen, das Theater, [* 5] eins der schönsten Frankreichs (1787 erbaut), mit imposanter Fassade, die Leinwandhalle (jetzt Gemäldegalerie), das neue Post- und Telegraphengebäude, das große Magazin für Kolonialwaren (Salorges).
Nantes
zählt (1886) 110,638 (als
Gemeinde 127,482) Einw. und nimmt damit den 7.
Rang
unter den französischen
Städten ein. Die Hauptbeschäftigung der Bewohner bilden
Industrie,
Handel und
Schiffahrt. Unter den
einzelnen hier vertretenen Industriezweigen stehen obenan der
Schiffbau, die metallurgische und Maschinenindustrie. Die Schiffswerften
liegen auf den
Inseln der
Loire. Den erwähnten beiden Hauptindustriezweigen reihen sich an: die Bereitung
von
Sardinen und andern
Konserven, die
Gerberei und Fabrikation von Lederwaren, die Bürstenbinderei und Seilerei, die Bierbrauerei,
[* 6] Seifensiederei und Ölerzeugung und die Tabaksmanufaktur.
Die früher bedeutende Kolonialzuckerraffinerie ist infolge der
Konkurrenz der französischen Rübenzuckerfabrikation sehr
herabgegangen.
Handel und
Schiffahrt von Nantes
sind, wenn letzteres auch einen großen Teil des
Verkehrs, namentlich
mit dem
Ausland, an den günstiger gelegenen, für die größten
Schiffe zugänglichen Außenhafen von St.-Nazaire (s. d.)
abgeben mußte, noch immer von großer
Ausdehnung.
[* 7] Überwiegende Bedeutung hat Nantes
für den
Verkehr mit den französischen Häfen
behalten; auch ist es für das im Vorhafen von St.-Nazaire sich abwickelnde
Geschäft der eigentliche
Handelsplatz geblieben. Der zweite Vorhafen von Nantes
, zu
Paimboeuf, dessen
Reede sehr verschlammt ist, wird nur wenig besucht.
Die
Handelsmarine von Nantes
belief sich Ende 1885 auf 405
Schiffe mit 73,845
Ton. Im
¶
mehr
Hafen; welcher an einem Arm der Loire gelegen ist und 200 Schiffe von je 300 T. aufnehmen kann, sind 1885: 1352 handelsthätige
Schiffe mit 133,629 T. ein- und 1006 Schiffe mit 102,992 T. ausgelaufen. Auf den internationalen Verkehr kamen 333 ein- und 154 ausgelaufene
Schiffe mit 62,985, resp. 37,399 T. (hauptsächlich im Verkehr mit England), auf die Küstenschiffahrt 1019 ein-
und 852 ausgelaufene Schiffe mit 70,644, resp. 65,593 T. Der Warenverkehr umfaßt insbesondere folgende Artikel: in der Einfuhr
Kolonialzucker, Wein, Früchte, Kakao, Olivenöl, Getreide
[* 9] und Mehl,
[* 10] Branntwein, Bauholz, Steine und Erden, Fische,
[* 11] Hanf, Eisen
[* 12] und Stahl,
Dünger und Kaffee; in der Ausfuhr Getreide und Mehl, Eisen und Stahl, Maschinen und Werkzeuge,
[* 13] Zucker,
[* 14] Holz,
[* 15] Ölkuchen,
Baumaterialien, Dünger, Wein, Fische und Pökelfleisch. Nantes
bildet einen wichtigen Eisenbahnknotenpunkt, von welchem Linien nach
Paris
[* 16] und Orléans,
[* 17] Brest, Rennes, St.-Nazaire, Paimboeuf und Bordeaux
[* 18] auslaufen.
Auch sind Schienenwege längs der Hafenkais angelegt. Hierzu kommt als Kommunikationsmittel der Schiffahrtskanal
von Nantes
nach Brest. Von Unterrichtsanstalten befinden sich hier: ein Lyceum, eine medizinische Fakultät, ein Priesterseminar,
eine hydrographische, eine Gewerbe- und Zeichenschule, ein Konservatorium für Musik, Taubstummeninstitut, mehrere Bibliotheken,
Museen für Malerei und Skulptur (mit mehr als 1000 Gemälden und 300 Statuen), für Archäologie, Naturwissenschaften, Gewerbe,
Handel und Schiffahrt sowie ein botanischer Garten.
[* 19] Die Stadt hat außerdem mehrere wissenschaftliche und
gemeinnützige Gesellschaften und zahlreiche Wohlthätigkeitsanstalten. Nantes
ist Sitz der Präfektur, eines Bistums, eines Gerichts-
und Assisenhofs, eines Handelsgerichts und einer Handelskammer, einer Warenbörse, einer Filiale der Bank von Frankreich, zahlreicher
Konsulate fremder Staaten (darunter auch eines deutschen) sowie des Generalkommandos des 11. Armeekorps.
- In keltischer Zeit hieß Nantes
Condivicnum, bei den Römern Portus Namnetum und war eine bedeutende Stadt; im Mittelalter wurde
es wiederholt von den Normannen verwüstet und war dann die Residenz der Grafen und Herzöge von Bretagne, die auch zum Teil in der
dortigen Kathedrale begraben liegen. Am wurde zu Nantes
das berühmte Edikt von Nantes
von König Heinrich
IV. erlassen, welches den Protestanten in Frankreich Religionsfreiheit gestattete, aber von Ludwig XIV. widerrufen
wurde. In der Zeit der französischen Revolution litt Nantes
sehr teils durch den bis unter seine Thore geführten
Krieg der Vendée, teils durch die grausamen Hinrichtungen (Noyaden und republikanischen Hochzeiten) Carriers, teils durch die
Unterbrechung des Handels.
Vgl. Travers, Histoire de la ville et du comté de Nantes
(Nantes
1844, 3 Bde.);
Mellier, Essai sur l'histoire de la ville et du comté de Nantes
(das. 1872).