Nancy
[* ] (spr. nāngssi, deutsch Nanzig), Hauptstadt des franz. Departements Meurthe-et-Moselle und ehemals des Herzogtums Lothringen, an der Meurthe, am Marne-Rheinkanal und an der Französischen Ostbahn gelegen, teilt sich in die kleine Altstadt mit unregelmäßig gebauten, finstern Gassen, aber mit einer Reihe interessanter alter Gebäude, die Neustadt mit breiten, geraden Straßen, schönen öffentlichen Plätzen, Fontänen und monumentalen Gebäuden, und in mehrere Vorstädte.
Die Stadt ist von schönen Promenaden umgeben (Cours Leopold, der botanische Garten und die »Pepinières«); unter den öffentlichen Plätzen zeichnet sich besonders der Stanislausplatz mit der 1831 errichteten Statue des Königs Stanislaus (von Jacquot), monumentalen Fontänen und einem 1757 gegen die Place Carrière zu errichteten Triumphbogen aus. Unter den Kirchen sind hervorzuheben: die Kathedrale, die Kirche der Cordeliers (aus dem 15. Jahrh., mit der Herzogskapelle und alten Grabmälern), die Kirche Bon Secours mit den Grabmälern des Königs Stanislaus und seiner Gemahlin, die neue gotische Kirche St.-Epvre (1875 vollendet).
Von den übrigen öffentlichen Gebäuden ist das ehemalige Schloß der Herzöge von Lothringen (aus dem 14. Jahrh.), in welchem sich das lothringische Museum befand, 1871 abgebrannt, seitdem aber im alten Stil wieder aufgebaut worden. Zu erwähnen sind noch: das ehemalige Universitäts-, jetzt Bibliotheksgebäude, das Stadthaus, das Theater, das neue Hochschulgebäude, die Citadelle als Rest der ehemaligen Befestigungswerke. Die Stadt besitzt auch mehrere imposante Thore und die Statuen des Generals Drouot, des Agronomen Mathieu Dombasle, des Kupferstechers Callot und des Präsidenten Thiers.
Die Zahl der Einwohner beträgt (1886) 69,463 (als Gemeinde 79,038). Von hoher Wichtigkeit ist die Stadt in gewerblicher und kommerzieller Beziehung, in welcher Hinsicht wie an Bevölkerung sie seit der Abtretung des Elsaß durch Verlegung vieler Fabriken von dort nach Nancy bedeutend gewonnen hat. Die industrielle Produktion erstreckt sich namentlich auf Baumwollspinnerei und -Weberei, Fabrikation von Tuch, Hüten und künstlichen Blumen, Stickerei auf Leinen- und Baumwollgeweben, welch letztere Industrie Weltruf erlangt hat; ferner Tabaksmanufaktur, Bierbrauerei, Eisenwerke etc. Nancy treibt auch lebhaften Handel, insbesondere mit Stickereien und sonstigen Produkten seiner Industrie, mit Bauholz, Wolle, Hopfen, Wein etc. Für den Lokalverkehr besteht ein Tramway. An Unterrichtsanstalten besitzt die Stadt eine volle, nach dem Verlust von Straßburg außerordentlich gehobene und zum Ersatz für jenes bestimmte Universität mit vier Fakultäten (für Jurisprudenz, Medizin, Wissenschaften und Litteratur), eine Vorbereitungsschule für Medizin und Pharmazie, eine Forstakademie (die einzige in Frankreich), ein großes Seminar, Lyceum, eine Normalschule, Gewerbe-, Zeichen- und Malerschule, ein Taubstummen- und Blindeninstitut.
Auch eine Bibliothek von 40,000 Bänden, ein Kunstmuseum (mit Gemälden italienischer, niederländischer, vor allen aber französischer Schulen, Skulpturen u. a.), ein Münzkabinett, historisches Museum für Lothringen, Naturalienkabinett sowie mehrere gelehrte und gemeinnützige Korporationen, eine Syndikalkammer für die Stickereiindustrie und zahlreiche Wohlthätigkeitsinstitute sind vorhanden. Nancy ist Sitz des Präfekten, eines Bischofs, eines evangelisch-reformierten und eines israelitischen Konsistoriums, eines Appellhofs, Assisenhofs und Handelsgerichts, einer Handelskammer und einer Filiale der Bank von Frankreich. Nancy ist der Geburtsort des Generals Drouot, des Agronomen Dombasle, der Künstler Claude Lorrain, Callot, Isabey, Grandville u. a. -
Im 12. Jahrh. war Nancy nur ein Schloß und seit 1153 die Residenz der Herzöge von Lothringen. 1475 wurde es von Karl dem Kühnen von Burgund erobert; Herzog Rene von Lothringen gewann zwar Nancy 1476 zurück, aber sogleich belagerten es die Burgunder wieder. Die Schweizer und Rene von Lothringen rückten vereint zum Entsatz herbei,
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und kam es hier zu der berühmten Schlacht, in der die Burgunder gänzlich geschlagen wurden und Karl der Kühne selbst blieb. René und seine Nachfolger bauten nun an Nancy eine neue Stadt an, die Herzog Heinrich II. von Lothringen vollendete. 1670 besetzten es die Franzosen unter dem Marschall v. Créqui und erhielten im Nimweger Frieden das Besatzungsrecht. Im Ryswyker Frieden gab zwar Ludwig XIV. Nancy zurück, doch wurde es während des spanischen und polnischen Erbfolgekriegs wiederholt von den Franzosen besetzt. Durch den Wiener Frieden (1735) wurde es Residenz des vertriebenen Königs von Polen, Stanislaus Leszczynski, der bis zu seinem Tod Lothringen erhielt. Ihm verdankt Nancy eine Anzahl schöner Gebäude und Plätze. Nach seinem Tod 1766 fiel Nancy definitiv an Frankreich.
Vgl. Cayon, Histoire physique, civile, etc., de Nancy (Nancy 1846);
Lepage, Les archives de Nancy (das. 1865-66, 4 Bde.);
Courbe, Les rues de Nancy du XVI. siècle à nos jours (das. 1883-86, 2. Bde.).