eine Art der
Gesichtstäuschungen, die darin besteht, daß Lichteindrücke auf der Netzhaut auch dann noch
fortdauern (nachklingen, abklingen), wenn das den betreffenden Lichteindruck erzeugende Objekt der Außenwelt nicht mehr
auf das
Auge
[* 2] wirkt. Schließt man bei Betrachtung einer Gasflamme rasch die
Augen, so sieht man die Flamme
[* 3] noch einen Augenblick bei geschlossenen
Augen. Durch die Reaktion der von dem
Bilde getroffenen Netzhautteile geht dieses positive
Nachbild in ein negatives Nachbild über (sog. successiver Kontrast, im Gegensatz
zu den simultanen, s. Kontrastfarben), bei dem die hellen
Stellen des Gegenstandes dunkel, die dunkeln hell und
statt der ursprünglichen die Komplementärfarben erscheinen. (S.
Gesichtstäuschungen.)
[* 5] (Angesicht, Antlitz, Facies, Vultus), der vordere Teil des Kopfes (s. d.) bei den Säugetieren. BeimMenschen ist
es von Haupthaar frei und tritt infolge der größern Ausbildung des Gehirns weit mehr hervor, als es bei den übrigen Säugetieren
der Fall ist, deren Nase
[* 6] und Mund meist zu einer Schnauze verlängert sind. Darum bildet auch beim Menschen
die Stirn, obwohl sie anatomisch nicht zum Gesicht, sondern zum Schädelteil des Kopfes gehört, einen Hauptteil des Gesichts. Durch
die Verschiedenheit der Verhältnisse der einzelnen Gesichtspartien zu einander wird die Gesichtsbildung bedingt. Der je
nach der Gemütsstimmung wechselnde Gesichtsausdruck beruht im wesentlichen auf der Thätigkeit der Gesichtsmuskeln
(s. Tafel »Muskeln«,
[* 7] Fig. 1) und wird besonders durch Augen und Mund als die beweglichsten Teile des Gesichts hervorgebracht.
Die Gesichtsfarbe entspricht der übrigen Hautfarbe; bei den Weißen zeichnet sie sich durch ein lebhafteres Kolorit aus und
zwar vornehmlich an den Backen, deren Röte auf dem lebhaftern Blutumlauf beruht. GewisseNüancen der Gesichtsfarbe,
namentlich eine
¶
mehr
ins Gelbliche, Bläuliche, Bleifarbene gehende, sind die Wirkungen besonderer Krankheiten. Oft treten in der Gesichtsbildung
mehrerer Individuen gewisse Ähnlichkeiten hervor, so bei Familiengliedern (Familiengesicht). Außerdem zeigen nicht nur Volksstämme
und ganze Völker, sondern selbst Menschenrassen
[* 9] bei aller individuellen Verschiedenheit der Gesichtszüge eine gewisse Übereinstimmung
in denselben. Vgl. Gesichtslinien. - Bei den Insekten
[* 10] heißt Gesicht der obere oder vordere Teil des Kopfes.
(Gesichtssinn, Visus), das Vermögen, zu sehen, die Gesamtheit der Verrichtungen des Auges, vermöge deren wir
uns in der Außenwelt mittels des Lichts zu orientieren vermögen. Der Gesichtssinn hat eine unendlich viel größere Tragweite
als alle übrigen Sinne; während die Organe des Tast- und Geschmackssinnes (genau genommen auch die des
Geruchssinnes) mit dem Objekt, zu dessen Wahrnehmung sie uns verhelfen sollen, in unmittelbare Berührung gebracht werden müssen,
findet beim Gehör
[* 11] und Gesicht nur eine mittelbare Wahrnehmung statt, indem beim Gehör die von dem tönenden Objekt ausgehenden Schallwellen,
beim Gesicht die von dem leuchtenden Objekt ausgehenden Lichtätherwellen sich zwischen das wahrzunehmende
Objekt und das betreffende Sinnesorgan einschalten.
Das Auge verdankt die Fähigkeit der Lichtempfindung dem Sehnerv. Die Endapparate der Sehnervenfasern, nämlich die Stäbchen
und Zapfen
[* 12] der Netzhaut des Auges (s. Auge), haben die spezifische Eigenschaft, die Schwingungen des Lichtäthers in
einen Nervenreiz umzusetzen. ObjektivesLicht,
[* 13] welches auf die Stäbchen und Zapfen der Netzhaut auffällt, versetzt die mit
jenen zusammenhängenden Nervenfasern in einen Erregungszustand, welcher dem Zentralorgan der Empfindung zugeleitet wird und
hier den subjektiven Eindruck einer Lichtempfindung veranlaßt.
Zwar ruft ein jeder Erregungszustand der Sehnervenfasern subjektive Lichtempfindungen hervor, aber nur
von den Endapparaten der Netzhaut aus können die Sehnervenfasern durch objektives Licht in den Erregungszustand versetzt werden.
Für die Auffassung des Lichtreizes und für die Unterscheidung seiner Intensität (hell und dunkel) bedürfte das Auge (abgesehen
von dem zentralen Sinnesapparat im Gehirn,
[* 14] dessen Erregungszustand für uns ebensoviel wie Lichtempfindung bedeutet) nur
einer einzigen Nervenfaser, die mit einem die Lichtreizung vermittelnden Endorgan (mit einem Stäbchen) verbunden sein müßte.
Bei absolutem Lichtmangel würde diese eine Sehnervenfaser gar nicht erregt werden, mit der Steigerung der Intensität des
Lichts würden der Reizzustand und die Lichtempfindung an Stärke
[* 15] zunehmen. Auf dieser Entwickelungsstufe befindet sich das
Gesicht zahlreicher niederer Tiere, Würmer
[* 16] etc., deren sogen. Augenpunkte Pigmentablagerungen darstellen, welche
einen lichtempfindenden Nerv umgeben. Da wir aber auch die Fähigkeit besitzen, die Farben, d. h. die verschiedenen Qualitäten
des Lichts, als verschiedene Reize wahrzunehmen, so müssen spezifische Farbenempfindungsorgane vorhanden sein, welche nur
durch Licht von
bestimmter Wellenlänge erregbar sind.
Als solche spezifische, der Wahrnehmung des farbigen Lichts dienende Endorgane des Sehnervs sind nach neuern
Untersuchungen die Zapfen der Netzhaut anzusehen. Ihre gleichzeitige Erregung bringt den Eindruck des weißen Lichts, die Erregung
jedes einzelnen den Eindruck farbigen Lichts hervor. Die in das Auge eintretenden Lichtstrahlen werden durch ein System verschieden
brechender Medien (Hornhaut, wässerige Flüssigkeit, Linse,
[* 17] Glaskörper) so auf die Netzhaut projiziert, daß
auf dieser ein verkleinertes, umgekehrtes, reelles Bild der gesehenen Gegenstände entsteht, und zwar ganz ähnlich wie in der
Camera obscura.
[* 18]
Da man nun den Gang
[* 19] der Lichtstrahlen in einem optischen System, dessen brechende Oberflächen und Brechungskoeffizienten bekannt
sind, durch Berechnung der sogen. Kardinalpunkte genau bestimmen kann, so müßte man, um das Auge als
optischen Apparat beurteilen zu können, den Gang der Strahlen durch diese vier Medien, welche durch vier sphärische Flächen,
nämlich durch die beiden Seiten der Hornhaut und die beiden Grenzflächen der Linse, geschieden sind, berechnen. Da aber
sowohl die Hauptpunkte als die Knotenpunkte im Auge sehr nahe bei einander liegen, kann man ohne nennenswerten Fehler die erstern
wie die letztern in je einen Punkt zusammenziehen und die Wirkung des ganzen Systems durch ein brechendes Medium mit einer einzigen
an Stelle der Hornhaut befindlichen brechenden Fläche darstellen. So läßt sich das komplizierte natürliche
Auge in ein schematisches (Listings reduziertes Auge) umwandeln.
In
[* 5]
Fig. 1 ist die brechende Kugelfläche des reduzierten Auges durch den punktierten Bogen
[* 20] ll zwischen den beiden Hauptpunkten
h, h,, angedeutet; der Knotenpunkt x liegt zwischen den beiden wirklichen Knotenpunkten k, k,,; die Lage der
Brennpunkte F, F,, hat keine Verschiebung erfahren. Soll nun der Ort des Bildes auf der Netzhaut für einen bestimmten Punkt des
Objekts bestimmt werden, so genügt hierzu die Kenntnis der Lage des Knotenpunktes x vollständig. Man findet nämlich den Ort
des Bildes, indem man von dem leuchtenden Punkt eine gerade Linie durch x bis zur Netzhaut zieht. Da, wo
diese gerade Linie (z. B. G, G,,), welche man als Richtungslinie oder Sehstrahl bezeichnet, die Netzhaut trifft, liegt der
Ort des Bildes.
Es ist viel darüber gestritten worden, wie es kommt, daß wir die Objekte aufrecht sehen, obschon ihre Netzhautbilder umgekehrt
sind. Im Grunde genommen ist der Streit überflüssig, weil es sich dabei um eine falsche Fragestellung
handelt. Wir müssen nämlich daran festhalten, daß nicht das Auge selbst das Bild sieht, welches in demselben entworfen wird,
sondern daß sich der von dem leuchtenden Punkt hervorgebrachte Gesichtseindruck durch die Sehnervenfasern in das Gehirn
fortpflanzt und hier erst auf eine uns freilich nicht erklärliche Weise zum Bewußtsein kommt. Das Gehirn aber versetzt stets
die empfangenen Gesichtseindrücke nach den Gesetzen der Projektion,
[* 21] d. h. in
der Richtung der Sehlinien, nach außen. Der Lichteindruck, welcher oben in der Netzhaut stattgefunden, wird dahin projiziert,
wo, wenn wir von ihm aus durch den Kreuzungspunkt der Richtungsstrahlen eine gerade Linie nach außen ziehen, diese Linie endet,
also nach unten und umgekehrt; das gleiche Verhältnis findet statt zwischen rechts und links: die Gesichtseindrücke
der linken Seite der Retina werden nach rechts, die der rechten Seite nach links projiziert.
Aber nur Objekte aus sehr bedeutender Entfernung würden sich für gewöhnlich auf der Netzhaut deutlich abbilden, besäße
das Auge nicht einen Muskelmechanismus, durch dessen Thätigkeit die Krümmung der beiden Linsenflächen derartig verstärkt
werden kann, daß nunmehr auch nähere Objekte deutliche Bilder auf die Netzhaut werfen. Neben dieser Akkommodation für Nähe
und Ferne besitzt das Auge noch die Fähigkeit, sich wechselnden Lichtintensitäten anzupassen, indem es durch Veränderung
der Pupillenweite die Größe des in sein Inneres dringenden Strahlenkegels reguliert. Man bezeichnet diese Fähigkeit als
Adaptation für Lichtstärke.
Das Auge kann niemals gleichzeitig Gegenstände deutlich sehen, die in erheblich verschiedener Entfernung gelegen sind. Strahlen,
die von einem Punkt kommen, auf welchen das Auge nicht eingestellt ist, erzeugen kein scharfes Bild, sondern ein Zerstreuungsbild.
Hält man in mäßiger Entfernung vom Auge einen durchsichtigen Schleier und hinter denselben in einer Entfernung
von 50 cm eine Schrift, so kann man nacheinander bald die Fäden des Schleiers, bald die Buchstaben der Schrift, niemals aber beide
zusammen deutlich sehen.
Die Akkommodationsbreite, d. h. der Inbegriff aller Entfernungen, aus denen das Auge scharfe Bilder aufzunehmen vermag, liegt
beim Menschen zwischen 10-12 cm (Nahpunkt) und unendlicher Entfernung (Fernpunkt). Von dieser Norm kommen häufig
Abweichungen vor. Es kann nämlich der Fernpunkt in weit größerer Nähe und dann gewöhnlich auch der Nahpunkt näher rücken
(kurzsichtige oder myopische Augen), oder es rückt der Nahpunkt in größere Entfernung, während der Fernpunkt unverändert
bleibt (weitsichtige oder presbyopische Augen), oder endlich das Auge vereinigt erst konvergente, d. h.
also aus weiter als unendlicher Entfernung kommende, Strahlen (übersichtige, hyperopische oder hypermetropische Augen).
Die Akkommodation erfolgt ausschließlich durch Formveränderungen der Linse und zwar derartig, daß beim Übergang vom Fernsehen
zum Nahesehen die Linse dicker wird und ihre vordere Fläche sich stärker wölbt
[* 22]
(Fig. 2). Damit, daß
die Akkommodation durch diese Formveränderung der Linse hervorgerufen wird, hängt es auch zusammen, daß die Akkommodationsfähigkeit
mit dem zunehmenden Alter mehr und mehr verloren geht. Die jugendliche Linse ist nachgiebig und verändert ihre Form sehr leicht,
die alte Linse hingegen ist widerstandsfähig und weniger elastisch.
Die Veränderung der Linsenform wird nun bewirkt durch die Wirkung eines im Innern des Auges gelegenen
Muskels (musculus ciliaris s. m. tensor chorioideae). Die Linse des ruhenden Auges besitzt nicht diejenige Gestalt,
welche dem
Gleichgewicht
[* 23] ihrer elastischen Kräfte entspricht. Befreit man sie von ihrer Umgebung, so wird sie dicker und nimmt
einen geringern Randumfang ein. Sie wird nun im lebenden Auge durch ein Band,
[* 24] das Strahlenband (zonula Zinnii), welches strahlenförmig
vom Rande der Linse in der Richtung auf den parallel dem Äquator des Auges gelegenen gezahnten Rand (ora serrata) nach außen
geht, befestigt, und dieses Band, welches sich am ruhenden Auge fortwährend in einem Zustand radialer
Spannung befindet, verhindert die Linse, ihre Gleichgewichtslage anzunehmen. An dieses Band treten nun in der Nähe der Ora serrata
die Fasern des Ciliarmuskels, welche ihren festen Punkt am Rande der durchsichtigen Hornhaut haben. Ziehen sich also die freien
Enden dieses Muskels zusammen, so wird sich die Ora serrata mit der Ursprungsstelle des Strahlenbandes
dem Hornhautrand nähern, damit wird die radiale Spannung dieses Bandes nachlassen, und die Linse wird die Möglichkeit erlangen,
sich ihrer natürlichen Gleichgewichtsfigur zu nähern, d. h. ihre Dicke wird zunehmen.
Die Adaptation des Auges für Lichtstärken kommt durch Verengerung oder Erweiterung der Pupille zu stande.
Die Regenbogenhaut besitzt zwei Muskeln: den Erweiterer und Verengerer der Pupille (musculus dilatator und sphincter pupillae).
Der erstere besitzt radiale, der zweite zirkuläre Faserung. Die Iris stellt eine für Lichtreize äußerst empfindliche muskulöse
Blendung dar, die sich verengert bei wachsender, erweitert bei abnehmender Lichtstärke. Diese Bewegungen haben den
Sinn einer Adaptation, indem sie entweder die Menge des auf die Netzhaut fallenden Lichts durch Abblenden der Randstrahlen mäßigen,
oder bei sinkender Lichtstärke einer bedeutenden Lichtmenge den Zutritt zur Netzhaut gestatten.
Der optische Apparat des Auges hat zahlreiche Unvollkommenheiten mit den künstlichen Systemen gemein, Mängel, die teils von der
Unvollständigkeit der Zentrierung und von kleinen Unregelmäßigkeiten in der Gestalt der brechenden
Flächen, teils aber davon herrühren, daß das Gesetz der Vereinigung aller homozentrischen Strahlen in einem Punktnur für
die zentral auffallenden Strahlen gilt, während sich die Randstrahlen nicht mehr vollkommen vereinigen.
Letzterer Mangel bewirkt die sogen. sphärische oder monochromatische
Abweichung, und er ist z. B. daran schuld, daß uns die Sterne strahlenförmig erscheinen. Hiervon leitet sich auch die sogen.
Irradiation
[* 25] ab. Sie besteht darin, daß stark beleuchtete helle Flächen auf dunklem Grund größer erscheinen als dunkle Flächen
auf hellem Grund. HelleHandschuhe und Schuhe lassen Hände wie Füße größer erscheinen als dunkle. Wohlbeleibtheit
der Damen tritt in heller Kleidung besonders auffallend hervor. Die Irradiation erklärt sich daraus, daß die Zerstreuungskreise
des beleuchteten hellen Gegenstandes über den benachbarten dunkeln hinausgreifen, und daß sich daher der erstere auf Kosten
des letztern vergrößert. Trübungen der brechenden Medien oder beschattende Objekte unmittelbar vor derNetzhaut
rufen die sogen.