Näherrecht
(Retrakt,
Einstand, Geltung,
Losung, Nähergeltung, Zugrecht), das einer
Person (dem Retrahenten oder Nähergelter)
zustehende
Recht, in den
Vertrag, welchen ein
Grundeigentümer mit einem Dritten über den Verkauf eines
Grundstücks an den
letztern abgeschlossen, dergestalt einzutreten, daß der
Käufer dieses
Grundstück an jene
Person gegen
Erstattung des Kaufpreises abzutreten verbunden ist. Der älteste
Fall, in welchem das heutzutage fast gänzlich unpraktische
Näherrecht
zur Anwendung kam, ist die sogen.
Erblosung (Retractus gentilitius), nämlich dasjenige Näherrecht
, welches den gesetzlichen
Erben
des Verkäufers in Ansehung eines sogen. Erbguts zustand, d. h.
eines von den beiderseitigen Vorfahren ererbten
Gutes.
Diesem sind dann verschiedene
Arten des Näherrechts
nachgebildet worden, so die
Mark- oder
Landlosung
(Territorialretrakt, Bürgerretrakt,
Retractus
ex jure incolatus), das Näherrecht
der Gemeindeangehörigen für den
Fall, daß ein in der Gemeindeflur gelegenes
Grundstück
an ein Nichtgemeindemitglied verkauft worden;
ferner das dem Anlieger eines Grundstücks bei dessen Verkauf an einen andern gegebene Nachbarnrecht (Nachbarlosung, Retractus ex jure vicinitatis);
das
Gespilderecht (Teillosung,
Jus congrui),
d. h. das Näherrecht
des Besitzers einer
Liegenschaft in Ansehung von
Grundstücken, welche früher mit der erstern zu einem Ganzen
vereinigt waren;
das Ganerbenrecht (Kondominalretrakt, Retractus ex jure condominii), welches den Miteigentümern eines Grundstücks in Ansehung ihrer Anteile daran wechselseitig zustand;
endlich der dem Lehnsherrn und dessen Agnaten bei Veräußerungen des Lehnsguts durch den Vasallen eingeräumte Lehnsretrakt (Retractus feudalis).
In allen diesen
Fällen konnte aber das Näherrecht
nur
vermöge eignen
Rechts geltend gemacht werden, eine
Zession desselben war nicht zulässig; auch konnte das
Näherrecht
nur gegen Erstattung des Kaufpreises, der Kaufkosten und des etwanigen Aufwandes, welchen der
Käufer bereits auf das
Grundstück
gemacht, ausgeübt werden. Die Verzichtleistung des Nähergelters auf das Retraktsrecht, als welche auch das
Ausschlagen des
zum Verkauf angebotenen
Gutes oder die Einwilligung in dessen
Veräußerung
anzusehen war, hob dasselbe auf,
und ebenso erlosch es nach gemeinem
Recht, wenn der Retraktberechtigte, nachdem er die geschehene
Veräußerung des
Grundstücks
erfahren, binnen Jahr und
Tag, d. h. binnen einer
Frist von 1 Jahr, 6
Wochen und 3
Tagen, sein Näherrecht
nicht geltend machte. Die moderne
Gesetzgebung hat das Näherrecht
, welches nur zu oft zu prozessualischen Verwickelungen Veranlassung
gab, bis auf wenige Überreste beseitigt.
Vgl. außer den Lehrbüchern des deutschen
Privatrechts
Walch, Das Näherrecht
(3. Aufl.,
Jena
[* 2] 1795).