(neulat.), eine besonders in
Frankreich vorkommende, zuerst wohl vonProudhon gebrauchte
Bezeichnung für diejenige
Richtung des
Sozialismus, welche durch genossenschaftliche Einrichtungen solche gesellschaftliche
Zustände verwirklichen will, bei welchen jeder Leistung eine billige Gegenleistung zu entsprechen hätte. - Über Mutualismus in der
Zoologie s.
Schmarotzer.
das Princip einer gemäßigt socialistischen Schule, welche eine billige Gegenseitigkeit anstatt des
rücksichtslosen Konkurrenzkampfes und der Ausbeutung des Schwachen durch den Starken einführen will. Es sollen freie Produktions-,
Kredit- und Konsumtionsgenossenschaften geschaffen werden, die sich gegenseitig in die Hände arbeiten. Außerdem verlangt
der eine möglichst ausgedehnte Anwendung der Versicherung auf Gegenseitigkeit für den Fall der Krankheit,
der Invalidität, der Arbeitslosigkeit u. s. w. Der Ausdruck kommt zuerst vor als Name einer gewerkvereinsartigen Verbindung
in Lyon
[* 2] (le Mutuellisme), deren Arbeitseinstellung 1831 blutige Ereignisse veranlaßte. Aber erst Proudhon (s. d.)
hat den Mutualismus zu einem wissenschaftlichen System erhoben (s. Socialismus); die Grundgedanken des Proudhonschen
Mutualismus beruhen darauf, daß die Arbeiter auf den Weg der Selbsthilfe und der Gegenseitigkeit verwiesen werden.
In der Zoologie nennt man Mutualismus die nicht seltene Erscheinung, daß Tiere und Tiere oder Tiere und Pflanzen in gewisse Beziehungen
treten, von denen beide Teile Nutzen haben. Der Mutualismus kann in sehr verschiedenen Graden ausgebildet sein,
indem beide Teile körperlich weiter nicht durch ihn beeinflußt werden, oder die Körpergestalt erleidet, obwohl beide Teile
nicht vollkommen aneinander gebunden sind, entsprechende Umbildungen, oder endlich, und diese Stufe führt zum Schmarotzertum,
beide sind so aufeinander angewiesen, daß der eine der Beteiligten sogar völlig im Körper des andern
haust.
Aber auch abgesehen davon, sind die gegenseitigen Beziehungen sehr verschieden; so sucht ein Schwacher Schutz
in der Nähe
des Starken, dem er seinerseits, durch bessere Sinnesorgane ausgestattet, das Nahen eines Feindes verrät; dies ist der Fall
zwischen Pfau und Tiger in Indien und zwischen Hokko und Puma in Südamerika.
[* 3] Andere Schwache bieten Starken
in Gestalt von besondern Sekreten ihres Körpers Leckerbissen, so die Blattläuse den Ameisen. Wieder andere mit kräftigen
Waffen
[* 4] (Nesselorganen) ausgestattete, aber sehr langsame Geschöpfe siedeln sich auf weniger wehrhafte, aber hurtige an, diese
profitieren von den Waffen jener, jene von der schnellern Ortsveränderung dieser; ein Verhältnis, das
zwischen Seeanemonen (Aktinien) und Krebsen vorkommt.
Häufig vermitteln Tiere die Vermehrung von Pflanzen, die jenen Genußmittel (Honig) oder Nahrung dafür bieten; Blumen und Insekten,
[* 5] auch einige Vögel
[* 6] (Kolibris,
[* 7] kleine Papageien) sind in dieser Hinsicht oft wundervoll einander angepaßt. Gewisse Vögel suchen
andern Tieren lästige Schmarotzer als geschätzte Nahrung ab; so ist unser Star bei den Schafen, ein ägypt.
Kiebitz bei den Krokodilen ein stets willkommener Gast. Am weitesten geht aber das Verhältnis zwischen einzelligen Algen
[* 8] (Zoochlorella,
Zooxanthella) und einigen Wassertieren, gelegentlich z. B. dem Süßwasserschwamm (Spongilla), einigen Würmern, Infusorien
und Wurzelfüßern. Die Algen sind im stande, organische Substanz zu assimilieren und Sauerstoff abzuscheiden,
die betreffenden Tiere leben aber wie alle Tiere von organischer Substanz und atmen Sauerstoff, beide werden ihnen von den in
ihren Körpern hausenden Algen zugeführt. Man hat diese Art des Mutualismus besonders als Symbiose bezeichnet. - ÜberMutualismus schrieben
namentlich F. Müller, Geza Entz,Brandt und O. Hertwig (über das ganze Gebiet).