Mutterrecht
(Matriarchat), das bei gewissen dem Naturzustand näher stehenden Völkern bestehende Rechtsverhältnis, nach welchem die Kinder Namen, Besitz, Vorrechte, Stammeszugehörigkeit u. a. nur von mütterlicher Seite her erben, auch wenn der Vater bekannt ist. Das ist eine notwendige Einrichtung bei allen jenen Völkern, bei denen das Vaterrecht (Patriarchat) und die Ehe als rechtliche Institutionen noch nicht eingeführt und anerkannt sind, und die entweder in sogen. Gemeinschaftsehe (s. d.) oder in Polyandrie leben. Es findet sich daher noch jetzt bei sehr vielen Naturvölkern beider Weltteile und greift daselbst in viele wichtige Lebensverhältnisse ein, sofern die Kinder bei ausbrechendem Zwist zum Stamm der Mutter stehen, dagegen vielfach nicht in den Stamm der Mutter hineinheiraten dürfen (vgl. Exogamie).
Die Schriftsteller der Alten wußten auch noch von vielen europäischen
Stämmen zu erzählen, bei denen das Mutterrecht
noch in Geltung
war. Selbst in
Rom
[* 2] blieb lange Zeit hindurch die
Ehe nur ein Vorrecht der
Patrizier, während die
Plebs im ehelosen Zustand der
Vorzeit weiterlebte. Auch bei Völkern, die in monogamischer
Ehe leben, erhielt sich das Mutterrecht
noch ein Zeitlang
als
Überlebsel, so daß Häuptlinge in vielen
Ländern ihre
Würde nicht auf den eignen Sohn, sondern nur auf den Sohn ihrer
Schwester vererben.
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mehr
können (Neffenrecht), weil man nur in der weiblichen Linie sicher zu sein glaubt, fürstliches Geblüt anzutreffen. Bei dem
Übergang zum Vaterrecht führten sich gewisse Gebräuche ein, welche die Erwerbung der Kinder, die sonst der Mutter gehörten,
durch den Vater symbolisieren mußten (vgl. Couvade). Das Mutterrecht
hat auch sonst, namentlich in der Mythologie
und Geschichte, mannigfache Spuren zurückgelassen, z. B. in den Amazonensagen, ohne daß man daraus schließen dürfte,
wie es irrtümlicherweise vielfach geschehen ist, die Frauen hätten ehemals allgemein eine wirkliche Oberherrschaft ausgeübt.
Vgl. Bachofen, Das Mutterrecht
(Stuttg. 1861);
Derselbe, Antiquarische Briefe (Straßb. 1886);
Giraud-Teulon, Les origines de la famille (2. Aufl., Par. 1885);
Dargun, und Raubehe und ihre Reste im germanischen Recht (Bresl. 1883);
Wilken, Het matriarchat bij de oude Arabiern (Amsterd. 1884).