Muster,
soviel wie Probe, kleiner Teil einer Warenpartie, nach welchem eine größere Menge rücksichtlich ihrer Güte und Äußerlichkeit beurteilt werden soll (s. Kauf nach Probe); ferner bedeutet es das in gewissen Abständen wiederkehrende Flächenornament (Dessin) auf Geweben, Teppichen, Fliesen und ähnlichen gewerblichen Erzeugnissen. (S. Musterschutz.) Muster heißen endlich alle Vorlagen, welche zur Kopie dienen, wie z. B. die Stickmuster zur Nachbildung mittels der Stickerei.
Das als Flächenornament hat seine eigene, von der hohen Kunst unabhängige Geschichte. Das Mustern der Gewebe, der Wandbekleidungen ist fast bei allen Völkern eine der ersten künstlerischen Leistungen. Zunächst erscheinen die durch das einfache Flechten sich ergebenden, gewissermaßen aus kleinen Quadraten gebildeten Muster, die sich in Linienornamenten, Abtreppungen u. dgl. fortbilden. Ein Schritt weiter wird mit dem Nachbilden von Blättern, Blumen und Tieren gethan, das zunächst ohne realistische Absicht, mehr symbolisch in einfachen, nur annähernd der Wahrheit entsprechenden Formen geschieht.
Höhere Kunstformen erhält das in den Wandverkleidungen der Babylonier und Ägypter, von welch letztern es auf Griechenland überging. Doch wissen wir von der Gestaltung der Gewebe der antiken Welt verhältnismäßig wenig. Erhalten haben sich solche aus der frühchristl. Zeit und namentlich Brokat (s. d.) aus Syrien und Byzanz. Diesen namentlich kirchlichen Zwecken dienenden Muster entsprechen die neuerdings entdeckten kopt. Stoffe (s. Kopten) und die aus ihnen sich entwickelnden sarazenischen an Farbenreichtum und edler Durchbildung des Muster. Während des Mittelalters waren die Niederlande, Venedig, Genua und Florenz die Heimstätten einer hoch entwickelten Kunst des Muster, das, nun immer reicher sich gestaltend, im 15. Jahrh. seinen Höhepunkt erreichte.
Das Granatapfelmuster (s. d.) war besonders beliebt. In der Renaissancezeit klang diese Blüte nach. Genua erhält nun den Vorrang in der Musterzeichnerkunst, den es mit dem 17. Jahrh. dauernd an Frankreich (Lyon, Paris) abgab. Einen besondern Weg gingen die Muster der Teppiche, in welchen der Orient, namentlich Persien, stets als Vorbild auch für den Occident diente. Im 17. und 18. Jahrh. erlangte das Muster seine zweite Blüteperiode. Während des 18. Jahrh. fügen sich naturalistische Blumen in die bisher rein stilistisch behandelte Zeichnung und sind seitdem nicht wieder aus dem Flächenornament verdrängt worden.
Gegen Ende des 18. Jahrh. erscheinen sie, nachdem sie vorher in Sträußen oder in Geäst (romage) oder wie mit leichter Hand auf die Fläche verstreut (Streumuster) angewendet worden waren, als leichtes Gerank zwischen lotrecht in Strichen abgeteiltem Grund. Die Zeit des Klassicismus brachte die größte Beschränkung im M. und begnügte sich mit dem Mäander, Palmetten und dergleichen schlichten Ornamentformen. In Paris begann man früh die Muster der Renaissance und Gotik nachzubilden, während das Blumenmuster bis etwa 1860 ausschließlich das Kunstgewerbe beherrschte.
Seit die Tapete mit in Frage kam, war dies bei der billigen Herstellung in noch tiefern Verfall geraten. Man ahmte niedere Naturgebilde (Mose, Eisblumen, vertrocknete Blätter, Marmoraderungen) oder ganze Landschaften nach. Die Rückkehr zum stilistischen Muster leitete, unterstützt durch die gleichzeitige romantische Bewegung, Kanonikus Bock in Aachen und Friedr. Fischbach durch archäol. Studien, letzterer auch durch eigene Entwürfe ein. Einen höher stehenden Musterzeichnerstand erhielt Deutschland aber erst, seit 1870 die zahlreichen deutschen in Paris thätigen Musterzeichner ausgewiesen wurden, welche die deutsche Musterzeichnerei zu einer der französischen gleichwertigen erhoben.
Die Bestrebungen, die Renaissancemotive zur Herrschaft zu bringen, brachten es dahin, daß Deutschland in den achtziger Jahren sich thatsächlich vom franz. Geschmack befreite. Inzwischen ist freilich der Naturalismus wieder mehr hervorgetreten, und Paris hat wieder größern Einfluß auf die Gestaltung des deutschen Muster gewonnen. Dagegen hat England, gestützt auf seine nationale Gotik und angeregt durch die eigenartigen japanischen Muster, sich einen selbständigen Stil geschaffen. –
Vgl. Bötticher, Dessinateurschule (Berl. 1839);
Bock, Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters (Bonn 1859–71);
Hoffmann und Kellerhoven, Recueil de dessins relatifs à l’art de la décoration (2 Bde., Par. 1859);
Dupont-Auberville, L’ornament des tissues (ebd. 1875–77);
Lessing, Altorient. Teppichmuster (Berl. 1877);
E. Kumsch, Stoffmuster des 16. bis 18. Jahrh. (Dresd. 1889 fg.);
ders., Muster orient.
Gewebe und Druckstoffe (ebd. 1893); Gurlitt, Die deutsche Musterzeichnerkunst (Darmst. 1890); die Werke von Friedr. Fischbach (s. d.) und die Litteratur bei Ornament.