Muskeln
(lat. Musculi, »Mäuschen«; hierzu Tafel »Muskeln des Menschen«), die Bewegungsorgane der mehrzelligen Tiere, bestehen aus einer, mehreren oder vielen Zellen, deren protoplasmatischer Inhalt sich auf einen Reiz hin zusammenziehen u. so die mit ihren Enden in Verbindung stehenden Gegenstände (Knochen etc.) von der Stelle rücken kann. Man unterscheidet glatte und quergestreifte Muskeln; die erstern, einfachern sind nichts als kontraktile, sehr in die Länge gezogene Zellen (Fig. 1), die letztern gehen meist aus der Verschmelzung einer Reihe Zellen zu einer Faser hervor und enthalten immer mehrere Kerne, sind also mehreren Zellen gleich zu setzen. Die Haut einer solchen Faser (Muskelfaser oder Primitivbündel) heißt Sarkolemma (Fig. 2 b); der Inhalt ist in eigentümlicher Weise quer gestreift und zerfällt bei Behandlung mit gewissen Reagenzien leicht in eine Anzahl noch feinerer Fasern (Primitiv- oder Muskelfibrille, Fig. 2 a), was bei der glatten Muskelfaser nicht der Fall ist. Nur selten jedoch besteht der ganze Muskel aus einer einzigen Faser; gewöhnlich vereinigen sich viele nebeneinander gelegene zu einem Bündel und mehrere Bündel erst zu einem Muskel (im engern Sinn). Letztere sind es, die bei den höhern Tieren das sogen. Fleisch ausmachen, aber auch sonst noch in den meisten Organen des Körpers vertreten sind. Im allgemeinen sind die quergestreiften als die kräftigern für alle Bewegungen vorhanden, welche schnell ausgeführt werden müssen, somit fast immer dem Willen unterworfen sind (willkürliche oder animale Muskeln), während die glatten Muskeln meist die unwillkürlichen Zusammenziehungen der vegetativen (Ernährungs-, Fortpflanzungs- etc.) Organe besorgen. Doch ist diese Scheidung nicht streng durchführbar, denn z. B. das Herz der höhern Tiere besteht aus quergestreiften Muskeln. Zu jedem Muskel gehören außer dem wesentlichen Bestandteil, nämlich der kontraktilen Substanz, und außer dem Sarkolemma Bindegewebe zur Trennung der einzelnen Bündel und Fasern, ferner Gefäße und Nerven. Letztere, welche den Anstoß zur Zusammenziehung liefern müssen, verzweigen sich an ihm und endigen unter noch nicht völlig ermittelten Umständen mit einer sogen. Nervenendplatte (Fig. 2 b). Die Anordnung der willkürlichen Muskeln, wie man sie bei den höhern Tieren in so komplizierter Weise antrifft, ist aus der sehr viel einfachern mancher niedern Tiere hervorgegangen. Ursprünglich nämlich haben die Muskeln in der Haut selbst gelegen und dort eine mehr oder minder vollständige Schicht gebildet, die später von der Haut weg unmittelbar unter dieselbe gerückt ist und in dieser Form als Hautmuskelschlauch noch bei Würmern vorkommt. Bei diesen umschließt er die Leibeshöhle und besteht aus Ringmuskeln zur Verengerung und Längsmuskeln zur Verkürzung des Gesamtkörpers. Wo letzterer in Segmente zerfällt, werden diese, indem die Längsmuskulatur gleichfalls in Stücke zerlegt ist, gegeneinander beweglich; treten Gliedmaßen auf, so verlaufen zu ihnen vom Rumpf aus Muskeln, die sich alsdann an die Haut derselben ansetzen (Krebse, Insekten). Erst wo es zur Bildung eines innern Skelettes kommt (Wirbeltiere), tritt der Hautmuskelschlauch mehr gegen die tiefer gelegene Muskulatur der Knochen zurück, hat sich jedoch auch bei den Säugetieren noch vielfach in großer Ausdehnung erhalten (z. B. beim Igel, wo er die Zusammenkugelung besorgt, oder beim Pferde, das sich mit seiner Hilfe der Insekten erwehrt; beim Menschen ist er nur noch am Hals als sogen. Platysma myoides vorhanden). Bei den Muskeln der Wirbeltiere geht nicht nur jede glatte, sondern auch jede quergestreifte Faser aus einer einzigen Zelle hervor, welche bis zu 4 cm Länge erreichen kann und an Stelle des einen ursprünglichen Kerns deren mehrere besitzt. Die Farbe der Muskeln wechselt von Weiß bis zu intensivem Fleischrot; sie wird zum Teil vom Gehalt an Blut bedingt, ist aber sonst den Fasern eigen; der Farbstoff ist dem der roten Blutkörperchen (Hämoglobin) gleich. Die lebhaft roten Muskeln scheinen energischer zu sein als die blassen. Die willkürlichen Muskeln stehen fast alle an ihrem Anfang und Ende mit dichten, fibrösen, seidenglänzenden Strängen (Sehnen, s. d., Flechsen) oder,
^[Abb.: Fig. 1. Glatte Muskelzellen.
Fig. 2. a Primitiv-Fibrille. b Quergestreifte Muskelfaser der Eidechse (Lacerta).]
Fig. 1. Vorderansicht.
Auf der linken Körperhälfte sind am Halse, der Schulter, dem Unterarm und Oberschenkel die oberflächlichen Muskeln abgetragen worden.
Schließmuskel der Augenlider
Kleiner Jochbeinmuskel
Großer Jochbeinmuskel
Schläfenmuskel
Backenmuskel
Schläfenarterie u. Vene
Kopfnicker
Breiter Halsmuskel
Brust-Zungenbeinmuskel
Luftröhre
Kappenmuskel
Kleiner Bauchmuskel
Zwischenrippenmuskel
Deltamuskel
Großer Brustmuskel
Großer vorderer Sägemuskel
Zweiköpfiger Armmuskel
Schiefer äußerer Bauchmuskel
Dreiköpfiger Armmuskel
Sehnenscheide des geraden Bauchmuskels
Gerader Bauchmuskel
Runder Vorwärtsdreher des Vorderarms
Innerer Speichenmuskel
Oberflächl. Fingerbeuger
Innerer Ellbogenmuskel
Gemeinsam. vord. Handwurzelband
Kurzer Abzieher des Daumens
Kurzer Daumenbeuger
Art. des Hohlhandbogens
Kleiner Hohlhandmuskel
Sehnen des Fingerbeugers
Nabel
Hüftbeinkamm
Hüftbeinlendenmuskel
Kammmuskel
Langer Anzieher des Schenkels
Musc. vastus externus
Gerader Schenkelmuskel
Schneidermuskel
Gemeinschaftl. Unterschenkelstrecker
Musc. vastus internus
Strecksehne
Wadenbeinmuskel
Vord. Schienenbeinmuskel
Rosenvene
Schienbein
Langer Streckmuskel der Zehen
Streckmuskel der 1. Zehe
Fußwurzelband
Kurzer Streckmuskel der Zehen
Stirnmuskel
Hebemuskel der Oberlippe
Aufheber der Oberlippe und des Nasenflügels
Zusammenpresser der Nase
Schließmuskel des Mundes
Niederzieher der Unterlippe
Kopfnicker (abgeschnitten)
Arteria Carotis
Mm. scaleni (Rippenhalter)
Drosselvene
Schlüsselbeinmuskel
Hakenarmmuskel
Oberarmkopf
Lange Sehen des zweiköpfigen Armmuskels
Deltamuskel
Sehne des großen Brustmuskels
Kurzer Kopf des zweiköpfigen Armmuskels
Langer Kopf des zweiköpfigen Armmuskels
Arm-Arterie
Dreiköpfiger Armmuskel
Zweiköpfiger Armmuskel
Vena basilica
Vena cephalica
Langer äußerer Speichenmuskel
Schiefer innerer Bauchmuskel
Poupartsches Band
Musc. Glutaeus medius
Leistenkanal
Langer Abzieher des Daumens
Äuß. Hüftlochmuskel
Schenkelarterie und Vene
Strecksehne des Zeigefingers
Kamm-Muskel
Langer Anzieher des Schenkels
Schlanker Schenkelmuskel
Äußerer Kopf des gemeinschaftlichen Unterschenkelstreckers
Innerer Kopf des gemeinschaftlichen Unterschenkelstreckers
Strecksehne des geraden Unterschenkelstreckers
Kniescheibe
Zweiköpfiger Wadenmuskel
Vordere Schienbeinarterie
Lange Beugemuskeln der Zehen
Achillessehne
Strecksehne der Zehen
Fig. 2. Rückenansicht.
Auf der rechten Körperhälfte sind die oberflächlichen Muskeln teilweise abgetragen worden, dadurch tritt die Schenkelarterie in ihrem ganzen Verlauf zum Vorschein.
Stirnmuskel
Schließmuskel der Augenlider
Kaumuskel (M masseter)
Kopfnicker
Kappenmuskel
Untergrätenmuskel
Deltamuskel
Dreiköpfiger Armmuskel
Breiter Rückenmuskel
Großer Gesäßmuskel
Schlanker Schenkelmuskel
Zweiköpfiger Schenkelmuskel
Halbsehniger Muskel
Zweiköpfiger Wadenmuskel
Kleinere Rosenvene (Saphena)
Schollenmuskel
Achillessehne
Hinterhauptmuskel
Hinterhauptsvenen
Bauschmuskel des Kopfes (Splenius capitis)
Bauschmuskel des Halses (Splenius colli)
Hebemuskel des Schulterblattwinkels
Obergrätenmuskel
Rautenmuskel
Kleiner runder Armmuskel
Untergrätenmuskel
Großer runder Armmuskel
Dreiköpfiger Armmuskel
Vena basilica
Unterer hinterer Sägemuskel
Hüftbeinkamm
Mittlerer Gesäßmuskel
Kleine Gesäßmuskel-Arterie und Vene
Birnförm. Musk.
Innerer Hüftbeinlochmuskel
Viereckiger Schenkelmuskel
Kreuzbein-Sitzbeinhöckerband
Musc. vastus externus
Großer Anzieher des Schenkels
Schenkelarterie
Halbhäutiger Muskel
Kniekehlenarterie
Hinterer Schienbeinmuskel
Wadenbeinmuskeln
Langer Zehenstreckmuskel
Langer Streckmuskel der großen Zehe
Wadenbeinarterie
Hintere Schienbeinarterie
Die roten Linien bezeichnen die Arterien, die blauen die Venen (vgl. Tafel 'Blutgefäße').
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wenn sie eine glatte Gestalt haben, mit solchen Häuten (Sehnenhäuten) in Verbindung. Diese stellen gleichsam die Zugseile vor, durch welche die lebendige Kraft des Muskels auf den beweglichen Knochen übertragen wird. Bei der Kontraktion wird der Muskel kürzer und dem entsprechend dicker, indes die Sehne unverändert bleibt. Man unterscheidet an jedem Muskel eine Ursprungs- und Endsehne, während das eigentliche Fleisch des Muskels Muskelbauch heißt. Zerfällt letzterer durch eine eingeschobene Sehne in zwei Teile, so ist er ein zweibäuchiger Muskel. Verläuft die Sehne eines Muskels in seinem Fleisch eine Strecke weit aufwärts, und befestigen sich die Muskelbündel von zwei Seiten her unter spitzem Winkel an sie, so hat man einen gefiederten Muskel. Liegt die Sehne an einem Rande des Fleisches, und ist die Richtung zu ihr dieselbe schiefe wie beim gefiederten Muskel, so wird er halbgefiederter Muskel genannt. Hat ein Muskel mehrere Ursprungssehnen, welche fleischig werden und dann in einen gemeinschaftlichen Muskelbauch übergehen, so ist er ein zwei-, drei- oder vierköpfiger Muskel. In der beschreibenden Anatomie geschieht die Benennung der einzelnen Muskeln teils nach ihrer Form, teils nach ihrem Ursprung und Ende, teils nach ihrer Wirkung etc. Über die chemische Beschaffenheit der s. Fleisch, S. 359 f.
Physiologie der Muskeln.
Die Physiologie unterscheidet am Muskel drei verschiedene Zustände, nämlich 1) den der Ruhe, 2) den der Starre und 3) denjenigen der Thätigkeit.
Der ruhende Muskel besitzt eine geringe, indessen höchst vollkommene Elastizität. Über den Stoffwechsel im ruhenden Muskel weiß man kaum mehr, als daß er durchgeleitetes arterielles Blut schnell in venöses verwandelt. Absolute Ruhe der Muskeln kommt in Wirklichkeit nur selten vor, der scheinbar ruhende Muskel des lebenden Körpers befindet sich vielmehr meistens in einem Zustand tonischer Kontraktion. Dieser Zustand wird regelmäßig beobachtet, sobald die Muskeln mäßig gespannt sind. Die Bedeutung dieser an sich nur sehr geringen Kontraktion für die Mechanik der Bewegung ist eine außerordentlich hohe, denn durch sie wird es ermöglicht, daß beim Übergang aus dem Zustand der Ruhe in den der Thätigkeit sofort eine Annäherung der Befestigungspunkte erfolgen kann, ohne daß erst Zeit und Kraft zur Anspannung des schlaffen Muskels verloren ginge. Es wird also auf diese Weise der sogen. tote Gang der Maschine vermieden.
Unter Muskelstarre versteht man einen eigentümlichen Zustand, in welchem die Muskeln ihre Erregbarkeit vollständig eingebüßt und sich in ihrer Längsrichtung wesentlich verkürzt haben. Dabei hat sich ihre Elastizität bedeutend verringert, und ihre Reaktion ist sauer geworden. Die Starre wird durch die Gerinnung des Myosins hervorgerufen, und alle die zahlreichen Einflüsse, welche die Gerinnung dieses Körpers beschleunigen oder verzögern, fördern oder hindern auch den Eintritt der Starre. Dem entsprechend wird sie beispielsweise gefördert durch Wärme. Beim Erwärmen des Muskels auf 48-50° erfolgt sie fast augenblicklich (Wärmestarre), während sie sich durch Abkühlung des Muskels auf 0° um mehrere Tage hinausschieben läßt. Die Muskeln verfallen kurze Zeit nach dem Absterben stets in den Zustand der Starre. Hierdurch wird die eigentümliche steife Beschaffenheit der Leichen bedingt, die unter dem Namen der Totenstarre (rigor mortis) bekannt ist. Die Starre stellt keinen bleibenden Zustand dar; beim Eintritt der Fäulnis verschwindet sie, weil die saure Reaktion des starren Muskels durch Ammoniakbildung in eine alkalische verwandelt wird.
Die Thätigkeit des Muskels offenbart sich nach außen als eine Formveränderung, bei der seine Länge ab-, seine Dicke zunimmt. Da man bei dem mechanischen Effekt dieser Formveränderung, also bei der Leistung des Muskels, fast ausschließlich die Verringerung des Längsdurchmessers berücksichtigt, so bezeichnet man die Thätigkeit des Muskels auch einfach als Zusammenziehung oder Kontraktion des Muskels, und weil diese Kontraktion außerordentlich schnell verläuft und einen zuckenden Charakter hat, so spricht man auch von einer Muskelzuckung. Die Fähigkeit des Muskels, sich zu verkürzen, nennt man seine Erregbarkeit oder Irritabilität. Sie wohnt der Muskelsubstanz als solcher inne und ist völlig unabhängig von der Nervenirritabilität. Denn auch nervenlose Muskelfasern sind erregbar, und es gibt eine ganze Anzahl von Muskelreizen, welche keine Nervenreize sind. Eine Kontraktion findet nur infolge gewisser Einwirkungen, die man als Reize bezeichnet, statt. Als solche kennen wir: 1) Die von dem Zentralnervensystem ausgehenden und durch die Nerven vermittelten Reize. Durch sie kommen sowohl willkürliche als reflektorische Kontraktionen zu stande. 2) Mechanische Reize: Quetschen, Stechen und andre mechanische Einwirkungen auf die Muskeln veranlassen deren Kontraktion. 3) Chemische Reize: verdünnte Säuren und Alkalien, Ammoniak, Glycerin, Galle, destilliertes Wasser und andre Substanzen. 4) Thermische Reize. Berührt man einen ausgeschnittenen Muskel eines frisch getöteten Tiers mit Körpern, die wärmer oder kälter als der Muskel sind, so gerät dieser in Thätigkeit. 5) Elektrische Reize. Sie haben für die Experimentalphysiologie eine außerordentliche Bedeutung erlangt, weil man sie so genau beherrschen und abstufen kann, daß sie weniger als die übrigen Reize die Muskeln erschöpfen und für fernere Reizungen untauglich machen. Da Stromesschwankungen weit wirksamer sind als der konstante Strom, so bedient man sich allgemein des Induktionsstroms. Jeder einzelne Induktionsstrom bedingt eine Zuckung, deren Umfang von der Dichtigkeit des Stroms und der Erregbarkeit des Muskels abhängig ist. Die Experimentalphysiologie bedient sich bei ihren Untersuchungen der Muskelpräparate von frisch getöteten Kaltblütern (besonders Fröschen), weil diese weit länger ihre Erregbarkeit bewahren als diejenigen der Warmblüter.
Zum Ablauf jeder einzelnen Muskelkontraktion ist ein nicht unbedeutender Zeitabschnitt erforderlich. Wird ein Muskel von so schnell aufeinander folgenden Reizen betroffen, daß er während der nur kurzen Pausen keine Zeit findet, wieder in den Zustand der Ruhe zu gelangen, so gerät er in einen eigentümlichen Zustand, den man als Starrkrampf oder Tetanus bezeichnet. Nimmt auch unser Auge an dem tetanischen Muskel keine Bewegung wahr, so verweilt dieser doch keineswegs im Zustand der Ruhe, sondern es folgt hier Kontraktion auf Kontraktion. Dieses wird besonders durch die Erscheinung des Muskelgeräusches oder Muskeltons bewiesen. Man versteht darunter einen schwachen Ton, den das Ohr beim Auflegen auf einen in Tetanus versetzten Muskel empfindet. Er wird nur dann vernommen, wenn der tetanische Muskel mindestens 19 Kontraktionen in der Sekunde ausführt, und wird um so höher, je größer die Zahl der Kontraktionen sich gestaltet.
Bei der Thätigkeit des Muskels nimmt, wie schon
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gesagt, die Längsachse ab, der Querschnitt zu, und zwar gilt dies nicht nur für den ganzen Muskel, sondern auch für jede einzelne Muskelfaser. Diese Formveränderung geht Hand in Hand mit einer geringen Verdichtung (ca. 1/1000 des Volumens) des Muskels, und sie erfolgt mit solcher Energie, daß der Muskel befähigt wird, bedeutende Widerstände, die sich ihm bei der Kontraktion entgegenstellen, zu überwinden. So vermag der Muskel bei seiner Thätigkeit ein ihn belastendes Gewicht auf eine gewisse Höhe zu heben, er leistet also Arbeit im Sinn der Mechanik. Der Muskel erreicht nun nicht bei jeder Kontraktion eine bestimmte Verkürzung, er kann vielmehr in jedem möglichen Grade der Verkürzung verharren, und nur bei den intensivsten Reizungen wird ein Maximum von Verkürzung von etwa drei Vierteln der ganzen Muskellänge beobachtet. Bei der natürlichen Beseitigung der Muskeln erreicht keiner dieses Maximum der Verkürzung, denn die Enden der Muskeln befinden sich so nahe am Stützpunkt der durch sie zu bewegenden Hebel, daß bereits eine höchst unbedeutende Muskelverkürzung genügt, das Maximum der Drehung, deren die Gelenke überhaupt fähig sind, zu bewirken. Bei demselben Muskel hängen die Verkürzungsgrade ab von der Stärke des Reizes und vom Ermüdungszustand; je ermatteter der Muskel, desto geringer sind seine Verkürzungen. Die Kraft, welche der Muskel, während er sich verkürzt, ausübt, ist am größten im Beginn der Verkürzung, nimmt mit der Zunahme der Verkürzung ab und wird im höchsten Grade derselben Null. Die Größe der Kraft, welche ein Muskel auszuüben im stande ist, hängt ausschließlich von der Größe seines Querschnitts, also von der Zahl der nebeneinander vereinigten Fasern, nicht von der Länge der Fasern ab. Das gleiche Gewicht aber wird der zehnmal längere Muskel auf die zehnfache Höhe heben als der kürzere von gleichem Querschnitt. Für die Mechanik der Leistungen unsrer Muskeln am Körper ist es von größter Wichtigkeit, nicht allein die Kraft derselben kennen zu lernen, sondern auch die Nutzwirkung der sich verkürzenden Muskeln zu bestimmen. Das vom Muskel erhobene Gewicht erlangt einen mit der Erhebungshöhe zunehmenden Nutzeffekt, insofern dasselbe, von dieser Höhe herabfallend, eine zu beliebigen Zwecken verwendbare lebendige Kraft gewinnt; die Größe dieser Kraft hängt von der Schwere des Gewichts und von der Höhe ab, bis zu welcher es gehoben war. Der Nutzeffekt ist daher gleich dem Produkt des Gewichts und der Erhebungshöhe. Man hat nun gefunden, daß der größte Nutzeffekt nicht mit dem größten Grade der Verkürzung zusammenfällt; es tritt derselbe aber auch dann nicht ein, wenn der Muskel seine größte Kraft entwickelt, sondern bei mittlern Graden der Verkürzung und Belastung. Mit der Ermüdung vermindert sich natürlich der Nutzeffekt, die Kraft nimmt dabei weit schneller ab als die Verkürzungsgröße. Da die Leistung eines Bewegungsmechanismus nicht vollständig bestimmt ist durch die Angabe des Nutzeffekts einer einmaligen Bewegung, so muß noch beigefügt werden, innerhalb welcher Zeit die Bewegung ausgeführt wird, und wie oft sie wiederholt werden kann. Man reduziert daher die Nutzeffekte, um sie untereinander vergleichbar zu machen, auf eine Sekunde als Zeiteinheit. Nach zahlreichen praktischen Erfahrungen nimmt man für die Sekundenleistung eines mittlern Arbeiters während seiner Arbeitszeit 7 Kilogrammometer an. Die Muskeln können aber nicht beständig arbeiten, daher muß auch die Ruhezeit eingerechnet werden. Wird die Arbeitsdauer zu 8 Stunden angenommen, so beträgt der tägliche Nutzeffekt des mittlern Arbeiters 201,600 Kilogrammometer, die durchschnittliche Sekundenleistung (die Ruhezeit eingerechnet) also 2,3 Kilogrammometer. Jeder Motor, der leblose wie der lebende, ist nur zu einem bestimmten durchschnittlichen Nutzeffekt befähigt, die Beschäftigung selbst mag sein, welche sie wolle. Bei lebenden Motoren kann dieselbe zwar vorübergehend nicht unbedeutend gesteigert werden, aber stets nur auf Kosten späterer Arbeitsfähigkeit, ja selbst der Gesundheit. Der Arbeiter gehorcht der angegebenen Norm instinktmäßig. Soll er Tag für Tag den möglichsten Nutzeffekt erreichen, so beschwert er sich bei jeder Einzelbewegung nur mit einer bestimmten Last, läßt die Bewegungen in bestimmten Zwischenräumen aufeinander folgen und sorgt für eine gehörige Verteilung der Ruhezeiten.
Sowohl am lebenden Organismus als am ausgeschnittenen Muskelpräparat kann man nachweisen, daß die Muskelthätigkeit mit einer nicht unerheblichen Wärmebildung verknüpft ist. Durch anhaltende Muskelthätigkeit wird die Temperatur des ganzen Organismus nicht selten um ca. 1° erhöht. Am ausgeschnittenen Muskel beträgt die Temperatursteigerung für jede einzelne Kontraktion 0,001-0,005° C. Die gleichzeitig mit einer Arbeitsleistung entwickelte Wärme nimmt relativ ab, wenn die Arbeit zunimmt. Im Tetanus leistet der Muskel nach außen hin keine mechanische Arbeit; es wird nur innere Arbeit geleistet, die sich durch lebhafte Wärmeproduktion geltend macht.
Jeder Muskel und jedes beliebige Stück desselben zeigt, solange er sich im leistungsfähigen Zustand befindet, elektromotorische Wirksamkeit; er ist aus einer Anzahl mit elektrischen Ungleichheiten behafteter kleinster Teilchen zusammengesetzt, welche, in eine unwirksame leitende Flüssigkeit eingebettet, konstante Einzelströmchen erzeugen. Für alle diese Einzelströmchen bildet die ganze Muskelmasse und jede mit dem Muskel in Berührung gebrachte leitende Masse Schließung. Der abgeleitete Stromarm, welcher einen an den Muskel angelegten Drahtbogen durchkreuzt, gibt uns durch seine Wirkungen auf die Magnetnadel eines Multiplikators Aufschluß über die Muskeln, d. h. über die Strömungsvorgänge im Innern der Muskelmasse. Je nach dem Ort, wo die Enden des Multiplikatordrahts den Muskel berühren, ist die Abweichung der Magnetnadel stärker oder schwächer. Starke Ablenkungen treten ein, wenn man das eine Drahtende mit einem Punkte der äußern Oberfläche des Muskels, das andre Ende mit einem Punkte des Muskelquerschnitts verbindet: es findet dann ein starker Strom vom Querschnitt zur äußern Oberfläche des Muskels statt. Jede Stelle der Oberfläche ist positiv, jede Stelle des Querschnitts negativ elektrisch. Schwächere Ablenkungen treten ein: 1) wenn die Enden des Multiplikatordrahts an zwei Stellen der Muskeloberfläche gelegt werden, welche vom Mittelpunkt des Muskels ungleich weit entfernt sind, wobei die dem Mittelpunkt nähere Stelle positiv, die entferntere Stelle negativ elektrisch ist; 2) wenn die Schließung des Drahts zwischen zwei Punkten des Querschnitts stattfindet, wobei die mehr peripherische Stelle positiv elektrisch gegen die mehr zentrale Stelle ist. Gar keine Ablenkung der Nadel tritt ein, wenn zwei Stellen der Oberfläche des Muskels, welche gleich weit vom Mittelpunkt, oder zwei Stellen des Querschnitts, welche gleich weit vom Zentrum des letztern entfernt liegen, durch den Draht verbunden werden. Zwar schicken auch in diesem Fall die beiden Muskelstellen Ströme durch das Galvanometer; dieselben
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Muskeln
(lat. musculi, «Mäuschen»), die Organe der aktiven Bewegung des tierischen Körpers. Die ausgebildetsten Muskeln finden sich bei den Säugetieren, Vögeln, Amphibien und Fischen, und den ausgedehntesten Gebrauch von diesen Organen macht der Mensch. (S. Tafel: Die Muskeln des Menschen.) Die Lehre von den Muskeln heißt Muskellehre oder Myologie. Man unterscheidet nach Form und Thätigkeit willkürliche (quergestreifte, animale) und unwillkürliche (glatte, organische) Muskeln Bei den höhern Tieren bestehen die der willkürlichen Bewegung dienenden Muskeln aus einer weichen, feuchten, roten Substanz, welche gewöhnlich Fleisch genannt und von einer sehr großen Menge rundlicher, sehr langer, zwischen 0,01 und 0,05 mm dicker, kontraktiler Fäserchen, der Muskelfasern oder Muskelfibrillen (Primitivfasern, fibrillae musculares), gebildet wird. Auf jeden Quadratcentimeter eines menschlichen Muskels kommen nach Valentin durchschnittlich 28000 solcher Muskelfibrillen. Diese Muskelfasern vereinigen sich zu kleinen, 0,5 bis 1 mm dicken Muskelbündeln, welche in dünnen Scheiden von Zellhaut (sarcolemma) eingeschlossen sind. Diese treten wieder zu größern, ebenso eingeschlossenen Muskelbündeln zusammen und so entsteht durch immer wiederholte Vereinigung der ganze Muskel, welcher wieder seine Zellhautscheide besitzt. Die rote Farbe rührt von dem Blutfarbstoff (s. d.) her.
Die willkürlichen Muskeln, deren man beim Menschen über 500 zählt, gehören dem animalen Leben an und bilden den größten Teil der gesamten Körpermuskulatur (ungefähr ein Drittel der gesamten Körpermasse); die unwillkürlichen Muskeln dagegen, welche den Zwecken des vegetativen Lebens dienen, kommen nur in der Brust- und Unterleibshöhle vor, vermitteln die Bewegungen des Herzens, des Magens, des Darms, der großen Blutgefäße u. s. w., stehen unter dem Einflüsse des Gangliensystems und sind somit dem Einflüsse des Willens entzogen. Die unwillkürlichen Muskeln besitzen nicht so viel roten Farbstoff und bestehen aus kurzen, an beiden Seiten zugespitzten, glatten Fäserchen, während die Fasern der willkürlichen eine schöne Querstreifung zeigen. Die willkürlichen Muskeln haben meist eine bedeutendere Länge als Breite und gehen an ihren Enden in breite oder runde, mehr oder weniger lange und starke Bänder, die Sehnen oder Flechsen (tendines), über, mit denen sie sich an den Knochen so anheften, daß sie ein Gelenk überspringen und so dasselbe bei ihrer Verkürzung beugen. Diese festen, sehnigen Gebilde dienen gewissermaßen als Zugseile, vermittelst deren die lebendige Kraft des Muskels auf den beweglichen Knochen übertragen wird. Eingeleitet wird die Bewegung durch den Einfluß der Nerven, von welchen je einer zu jedem einzelnen (willkürlichen) Muskelbündel tritt, so daß die Muskelfasern gewissermaßen die Endorgane der motorischen Nerven darstellen.
Ihrer Form nach pflegt man folgende Gruppen von Muskeln zu unterscheiden: 1) länglichrunde, welche vorzugsweise an den Gliedmaßen, weniger am Rumpfe vorkommen und meist rundliche, längere oder kürzere Flechsen besitzen; ihr mittleres dickeres Stück wird als Muskelbauch, ihre an den festen Punkt angeheftete Ursprungsstelle als Kopf, ihre mit dem beweglichen Teil verbundene Ansatzstelle als Schwanz bezeichnet; 2) breite oder Flächenmuskeln, welche sich nur am Rumpf finden und vorzüglich der Begrenzung der großen Leibeshöhlen dienen; sie sind flach und dünn und endigen nicht in rundliche strangförmige Sehnen, sondern in breite Sehnenhäute; 3) ringförmige oder Schließmuskeln, welche in Gestalt eines Ringes die verschiedenen Leibesöffnungen umgeben und diese schließen können; 4) Hohlmuskeln, welche entweder für sich hohle Organe bilden (wie das Herz, die Gebärmutter) oder sich als sog. Muskelhäute in der Wand von Kohlen und Organen (Magen, Darm, Blase) befinden.
Nach der Art der Bewegungen, welche die willkürlichen Muskeln veranlassen können, giebt man den letztern folgende Namen: Beugemuskeln oder Flexoren (s. d.); Streckmuskeln oder Extensoren (s. d.). Die Anziehmuskeln oder Adduktoren ziehen irgend ein Glied des Körpers gegen die Mittellinie desselben hin (z. B. den Arm an den Rumpf, die Schenkel gegeneinander), wogegen die Abziehmuskeln oder Abduktoren das Glied von der Mittellinie des Körpers abziehen (z. B. den Arm vom Rumpfe ab, die Schenkel auseinander). Die Rollmuskeln oder Rotatoren endlich drehen einen Körperteil um seine eigene Achse oder um einen andern Körperteil in einem Halbkreise herum (z. B. den Kopf nach der Seite, die Hand nach ein- oder auswärts). Außerdem besitzt jeder willkürliche Muskel noch einen besondern Namen, den er entweder seiner Lage oder seiner Form und Struktur oder seiner Wirkungsweise verdankt.
Von den Krankheiten der Muskeln sind zu nennen Krampf (s. d.) und Lähmung (s. d.), der Muskelrheumatismus (s. Rheumatismus) und die Atrophie (s. d.) der Muskeln, deren wichtigste Form die fortschreitende (progressive) Muskelatrophie (s. d.) ist. Die Trichinen (s. d.) verursachen durch ihre Einwanderung in die willkürlichen in diesen heftige Entzündung; auch nehmen bei manchen Konstitutionskrankheiten (z. B. Typhus) die Muskeln durch kolloide Entartung an der Erkrankung teil.
Hinsichtlich der physiologischen Vorgänge muß man am Muskel drei Zustände, Ruhestand, thätigen Zustand und die Starre unterscheiden. Der ruhende Muskel besitzt wie ein Kautschukfaden eine geringe, aber sehr vollkommene Elasticität; durch geringe Belastungen schon wird er bedeutend verlängert, kehrt aber nach dem Aufhören der dehnenden Kraft sofort wieder zu seiner ursprünglichen Länge zurück. Über den Stoffwechsel des ruhenden Muskels ist nur soviel bekannt, daß er dem durchströmenden Blute der Kapillargefäße fortwährend Sauerstoff entnimmt und an dasselbe Kohlensäure wieder zurückgiebt. Wird einem Muskel die Blutzufuhr abgeschnitten oder wird er ganz aus dem Körper entfernt, so geht er bei Warmblütern sehr bald, bei Kaltblütern viel später in den Zustand der Muskelstarre über, in welchem er seine Erregbarkeit völlig eingebüßt hat, verkürzt, steif und derb ist und eine saure Reaktion zeigt. Werden die Muskeln der Leiche von der Starre ergriffen, so nimmt der ganze Leichnam völlige Steifheit an (Leichen- oder Totenstarre, rigor mortis). Die Ursache der Muskelstarre liegt in einer spontanen Gerinnung des Myosins (s. d.); beschleunigt wird das Eintreten
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der spontanen Starre durch vorausgegangene anhaltende Thätigkeit des Muskels, durch Wärme, welche beim Kaltblüter bei 40°, beim Warmblüter bei 48-50° C. sofort das Myosin gerinnen macht, durch destilliertes Wasser, durch Säuren und viele chemisch verschiedene Substanzen. Mit dem Eintritt der Fäulnis löst sich die Totenstarre wieder, indem die Glieder wieder beweglich werden und die saure Reaktion des starren Muskels durch Ammoniakbildung in die alkalische übergeht.
Der physiologisch wichtigste Zustand des Muskels ist sein Übergang in den thätigen Zustand, in welchem er unter Erhöhung des Stoffwechsels eine neue Gestalt annimmt (kürzer und dicker wird). Die Einflüsse, welche diesen Übergang hervorrufen, nennt man Reize, die Überführung selbst Erregung und die Fähigkeit des Muskels, durch Reize erregt werden zu können, seine Erregbarkeit oder Irritabilität. Das Thätigsein des Muskels, bei welchem die eintretende Verkürzung am meisten in die Augen fällt, pflegt man einfach als Zusammenziehung oder Kontraktion des Muskels oder, da die Verkürzung sehr rasch erfolgt und einen zuckenden Charakter besitzt, als Muskelzuckung zu bezeichnen. Die wichtigsten Reize für den Muskel sind: 1) der normale, vom Nerven ausgehende Reiz, der entweder vom nervösen Centralorgan (Willen, Reflex, automatischer Bewegungsimpuls) oder von einem gereizten Punkte der Nervenbahn aus zum Muskel geleitet ist; 2) chemische Reize: verdünnte Säuren und Alkalien, Lösungen von Metallsalzen, Glycerin, Ammoniak, destilliertes Wasser, scharfe Gase und Dämpfe; 3) mechanische Reize: Druck, Zerrung, Quetschung und Dehnung des Muskels; sie rufen Muskelzuckungen hervor; 4) thermische Reize, d. h. Temperaturen über 40° C., besonders weiche, stark erhitzte Körper; 5) elektrische Reize; besonders der Induktionsstrom bedingt eine Muskelzuckung, deren Intensität von der Dichtigkeit des Stroms sowie von der Erregbarkeit des Muskels abhängt. (S. Nervenelektricität.) Eine jede Muskelzuckung bedarf zu ihrem Ablauf eines gewissen Zeitabschnittes; trifft eine Reihe von Reizen den Muskel in sehr kurzen Intervallen, so daß derselbe während der nur kurzen Pausen nicht Zeit findet, sich wieder auszudehnen, so verharrt er in einer stoßweise erzitternden Verkürzung, welche man als Starrkrampf oder Tetanus bezeichnet. Legt man das Ohr oder ein Stethoskop auf einen in Tetanus versetzten Muskel auf, so hört man ein schwaches Geräusch, in welchem ein deutlicher Ton vorherrscht, das Muskelgeräusch oder den Muskelton.
Der Stoffwechsel im thätigen Muskel besteht hauptsächlich darin, daß der Muskel während seines Thätigseins bedeutend mehr Kohlensäure ausscheidet und mehr Sauerstoff verbraucht als während der Ruhe und daß die neutrale oder schwach alkalische Reaktion des ruhenden Muskels mit dessen Thätigkeit in eine saure übergeht, und zwar nimmt der Säuregrad des Muskels mit der von ihm geleisteten Arbeit bis zu einer gewissen Grenze zu. Weiterhin enthält der arbeitende Muskel weniger Glykogen und Traubenzucker, dagegen mehr in Alkohol lösliche Extraktivstoffe. Wenn der Muskel in anhaltende Thätigkeit versetzt wird, so gelangt er in einen Zustand geringerer Leistungsfähigkeit, die man als Ermüdung bezeichnet und der dem Lebenden durch eine eigentümliche, in den Muskeln lokalisierte Gefühlswahrnehmung (Ermüdungsgefühl) sich kundgiebt. Die Ursache der Ermüdung ist die Ansammlung von Umsetzungsprodukten (Ermüdungsprodukten), die sich im thätigen Muskel bildeten, innerhalb des Muskelgewebes; als solche Ermüdungsstoffe hat man besonders die Phosphorsäure, die Milchsäure, Kohlensäure und Kalisalze kennen gelernt. Der ermüdete Muskel erholt sich wieder, sowie frisches arterielles Blut wieder durch seine Gefäße strömt und die Ermüdungsstoffe wegschafft; ebenso nach dem Durchleiten eines konstanten elektrischen Stroms. Die Muskelthätigkeit ist mit einer nicht unbeträchtlichen Wärmebildung verknüpft; im ausgeschnittenen Froschmuskel beträgt die Temperatursteigerung für jede einzelne Kontraktion 0,001 bis 0,005° C. Daher kommt es, daß bei Schnellläufern die Temperatur über 40° C. steigen kann; die gesteigerte Temperatur nach energischer Muskelthätigkeit gleicht sich erst 1-1½ Stunden nach eingetretener Ruhe wieder aus.
Die tägliche Muskelarbeit eines kräftigen Mannes läßt sich bei 8 Stunden Thätigkeit auf rund 300000 Kilogrammmeter veranschlagen. Die Kraft mancher Muskeln und die Schnelligkeit ihrer Bewegungen ist bewundernswert, wenn man bedenkt, welche Gewichte durch die Muskelkraft ersetzt werden und welche Menge von Zusammenziehungen manche Verrichtungen nötig machen. So ist zum Zerdrücken eines Pfirsichkerns, den manche Menschen zerbeißen können, die Kraftwirkung von 150 kg erforderlich, und wenn nach Hallers Berechnung in einer Minute 1500 Buchstaben in Worten ausgesprochen werden können, so folgt daraus, daß in derselben Zeit ebenso viele Muskelzusammenziehungen stattfinden müssen.
Über die den Muskeln innewohnende Elektricität s. Muskelelektricität.
Vgl. Du Bois-Reymond, Gesammelte Abhandlungen zur allgemeinen Muskel- und Nervenphysik (2 Bde., Lpz. 1875-77); Rosenthal, Allgemeine Physiologie der Muskeln und Nerven (ebd. 1877); Otto Fischer, Die Arbeit der Muskeln und die lebendige Kraft des menschlichen Körpers (ebd. 1893).