Musikalien
handel,
selbständiger Zweig des Buchhandels, gleich diesem in Verlag, Kommission, Sortiment und Antiquariat gegliedert, allenthalben aber besonders entwickelt. Der Handel mit musikalischen Notenwerken ist aus dem mittelalterlichen Buchwesen entstanden, und es haben sich aus dem Wandel der Herstellungsweise seiner Ware mancherlei Vetriebsformen bis zur Gegenwart nebeneinander erhalten. Die Handschriftenzeit des alten Buchwesens ist hierbei im Vertrieb noch vielfach lebendig, da in neuerer Zeit die Notenschrift gelegentlich durch Abklatsch vervielfältigt wird; die Veranstaltung fester Auflagen in Letterndruck hat sich aus der Zeit der Missaldrucke der neu erfundenen Buchdruckerkunst für liturgische Bücher erhalten und am erfolgreichsten auf Liedersammelwerke erstreckt; die der Kupferstichzeit des Kunsthandels entstammende schmiegsame Gelegenheitsauflage des Zinnplattendruckes dient noch dem Bedarfe gewählter künstlerischer Kreise, [* 2] während die Massenherstellung unbeschränkter Auflagen durch Umdruck auf Stein den Weltvertrieb billiger Volksausgaben ermöglicht hat.
Der deutsche Musikalien
handel hat seinen Hauptsitz in
Leipzig,
[* 3] wo J. G. J.
Breitkopf (s. d.) den Musikverlag auf ein von ihm erfundenes Notensatzverfahren
und große Lager
[* 4] zumeist geschriebener Musikalien
begründete, für die er eine eigene musikalische
Bibliographie
schuf. Der in
Leipzig vertretene Musikalien
verlag beschäftigt (1895) 301 Firmen ausschließlich, in
Leipzig selbst betreiben
insbesondere Originalverlag
Breitkopf & Härtel,
Max
Brockhaus, Ernst Eulenburg, Rob. Forberg,
Fr. Hofmeister, Fr. Kistner, C. A. Klemm, F. E. C.
Leuckart, J. Rieter-Biedermann, Jul. Heinr. Zimmermann u.a.;
verbunden mit Zeitschriftverlag E. W. Fritzsch, C. F. Kahnt Nachf., B. Senff und C. F. W. Siegel;
den Verlag billiger Klassikerausgaben C. F. Peters, Breitkopf & Härtel, J.Schuberth & Co. und Th. Steingräber;
in Braunschweig [* 5] Henry Litolff.
Größere Originalverlage finden sich in Berlin: [* 6] Bote & Bock, [* 7] C.F. Meser (Adolf Fürstner), Ries und Erler, Schlesingersche Buchhandlung, N.Simrock;
in Mainz: [* 8] B.Schotts Söhne;
in Zürich: [* 11] Gebr. Hug & Co.
Die Zahl der Neuigkeiten auf dem deutschen Musikalien
markte betrug (1895) 10936 Werke: 6867 für
Instrumente, 3756 für
Gesang, 313
Schriften u. a. Das über
Leipzig verkehrende Musikalien
sortiment wird (1896) von 2653 Firmen
zum
Teil als Nebengeschäft des
Buchhandels betrieben. Barsortimente, d. h. Lager gebundener Musikalien
, führen
Breitkopf &
Härtel, Gebr. Hug &
Co., K. F. Koehler, L. Staackmann, F.
Volckmar in
Leipzig. Der Musikalien
kommissionshandel ist nur
auf
Leipzig beschränkt; ihn betreiben hauptsächlich:
Breitkopf & Härtel, Rob. Forberg,
Fr. Hofmeister, Fr. Kistner, C. F. Leede. Musikantiquariat wird von den größern Antiquariatsbuchhandlungen
wissenschaftlicher
Richtung gelegentlich vertrieben. Der Musikaliendruck hat seine großartigste
Stätte in der Notendruckerei
von
C. G. Röder in
Leipzig. Die Musikinstrumentenfabrikation, ursprünglich mit dem Musikverlag eng verbunden, hat sich selbständig
entwickelt; der Instrumentenhandel ist noch vielfach Nebengeschäft des Musikaliensortiments.
Nur der deutsche Musikalienhandel
ist in Anlehnung an den
Buchhandel organisiert; mit
Österreich
[* 12] und der
Schweiz
[* 13] ein
einheitliches Gebiet bildend, nimmt er durch Verlag, Kommissionsvertretung und
Notendruck eine Weltstellung ein. Der deutsche
Original- und Klassikermusikverlag tritt in allen
Ländern überlegen auf, auch wo der
Nachdruck freigegeben ist. Der französische
Musikalienhandel
, auf das
Pariser Platzgeschäft begründet, beschränkt sich hauptsächlich auf Ausbeutung seiner ausgedehnten
Verlagsmonopole, zumal an
Opern, im In- und
Auslande.
Der belgische Musikalienhandel
, bisher als
Teil des französischen Musikalienhandel
behandelt, hat sich neuerdings unabhängiger gestellt und sich gleich
dem niederländischen und dem aufstrebenden skandinavischen enger mit dem deutschen Musikalienhandel
befreundet, wenn
schon in den
Niederlanden und in
Dänemark
[* 14] und
Schweden
[* 15] auch noch der
Nachdruck ermöglicht ist. Der englische Musikalienhandel
, von
London
[* 16] aus durch das Reisegeschäft die
Provinz, durch die
Beziehungen des brit.
Weltreichs die
Kolonien beherrschend, entwickelt, durch
deutsche Musik befruchtet, nächst
¶
mehr
Deutsch-land die größte planmäßige Verlagsthätigkeit, wofür sich England trotz seines Beitritts zur Berner Konvention
von 1886 die Weiterführung seines Nachdrucks gesichert hat. Der italienische Musikalienhandel
stand fast ganz unter der Herrschaft des
Hauses Ricordi in Mailand;
[* 18] neben diesem war Lucca
[* 19] und ist E. Sonzogno hervorzuheben. Der italienische Musikalienhandel
bat sich
infolge der eigenen Gestaltung des dortigen Musikwesens in diesem Jahrhundert lange gegen Deutschland
[* 20] abgeschlossen, bis die
Gegenwart einen lebendigern Austausch zu Wege brachte. Der spanische und portugiesische Musikalienhandel
und der der
Balkaninsel sind noch unentwickelt. Der russische Musikalienhandel
hat durch einen hohen Schutzzoll den eigenen Nachdruck deutscher Musik
großgezogen. Der nordamerikanische Musikalienhandel
fördert gleichfalls den Nachdruck durch hohe Eingangszölle, doch
können neue deutsche, französische u. a. Werke durch Eintragen in Washington
[* 21] geschützt werden.
Der Verein der deutschen Musikalienhändler in Leipzig (gegründet Vorsteher: Fr. Hofmeister 1829-52, Dr. H. Härtel 1852 - 75, Dr. O. von Hase [* 22] seit 1875) giebt «Mitteilungen» heraus (seit 1888), die die durch die deutsche Musikpflege bedingten besondern Bestrebungen des Musikalienhandel auf dem Gebiete des Urheber- und Verlagsrechts, der Verkehrsordnung und Kreditsicherung verfolgen sowie statist. Jahresübersichten der musikalischen Erscheinungen bieten. Musikbibliographien: Immanuel Breitkopfs Kataloge von Musikalien (3 Sammlungen, 1700 - 87);
J. N. Forkel, Allgemeine Litteratur der Musik (Lpz. 1792);
C. F. Becker, Systematisch-chronol.
Darstellung der musikalischen Litteratur (1836 - 39);
C. F. Whistlings Handbuch der musikalischen Litteratur (Lpz. 1816; 3. Aufl., 3 Bde., von Adolf Hofmeister, 1844; fortgesetzt von Fr. Hofmeister, Bd. 4-10, ebd. 1852-91);
Verzeichnis der seit 1852 erschienenen Musikalien, hg. von Fr. Hofmeister (1. bis 44. Jahrg., ebd. 1853-96);
Musik-Katalog. Gesammelte Verlagskataloge des deutschen Musikhandels (6 Bde., ebd. 1895).