Murmeltier
(Arctomys Gmel.),
Gattung aus der
Ordnung der
Nagetiere
[* 2] und der
Familie der
Eichhörnchen
(Sciurina), gedrungen gebaute
Tiere mit plattem, auf kurzen
Beinen ruhendem
Körper, stumpfer, kurzer Schnauze, abgerundeten,
kurzen, im
Pelz versteckten
Ohren, großen, zum
Graben geschickten
Krallen und kurzem, unter ⅓ der Körperlänge betragendem,
von der
Wurzel
[* 3] an buschig behaartem
Schwanz. Das Alpenmurmeltier
(A. Marmota
Schreb., s. Tafel
»Nagetiere
II«) ist 51
cm lang, mit 11
cm langem
Schwanz, und am
Widerrist 15
cm hoch, dicht und ziemlich lang, am
Kopf glatt anliegend, an den
übrigen Körperteilen locker und hinter den
Wangen lang behaart, so daß diese wie angeschwollen erscheinen.
Die ganze Oberseite ist mehr oder weniger braunschwarz, auf dem
Scheitel und Hinterkopf mit einigen hellern
Punkten gezeichnet; der
Nacken, die Schwanzwurzel und die ganze Unterseite sind dunkel rötlichbraun, die Unterteile der
Beine,
ein
Fleck an den beiden Seiten des
Bauches hinter den
Gliedmaßen und die
Hinterbacken noch heller gefärbt, die Schnauze und
die
Füße rostgelblich-weiß. Das Murmeltier
lebt auf den Hochgebirgen der
Alpen,
[* 4]
Pyrenäen und
Karpathen und zwar
auf den
Matten dicht unter der
Grenze des ewigen
Schnees. Es liebt vom
Verkehr der
Menschen entfernt liegende, freie, ringsum
von steilen Felswänden umgebene sonnige
Plätze und enge Gebirgsschluchten, wo es sich
Höhlen gräbt, kleinere
für den
Sommer zum
Schutz vor vorübergehenden
Gefahren und Witterungseinflüssen und umfangreichere, tiefere, oft weit unter
der obern Baumgrenze liegende und für eine ganze
Familie aus 5-15
Köpfen berechnete für den lange dauernden, strengen
Winter,
in denen es zwei Drittel des
Jahrs verschläft. Zu den Sommerwohnungen führen lange
Gänge mit Verzweigungen
und Fluchtlöchern und harten, glatten
Wänden.
In dem wenig geräumigen Kessel findet wahrscheinlich im April die Paarung statt. Das Weibchen wirft nach 6 Wochen 2-4 Junge, welche den Sommerbau der Alten bis zum nächsten Sommer bewohnen. Die Mündung der Winterwohnung wird gut mit Heu, Erde und Steinen von innen verstopft. Innen oft 8-10 m bergwärts ist ein weiter Kessel, meist eine eirunde, backofenähnliche Höhle, die mit kurzem, weichem Heu angefüllt ist und als gemeinsames Lager [* 5] für den Winterschlaf dient.
Das Murmeltier
nährt sich von frischen, saftigen
Alpenpflanzen, Kräutern und
Wurzeln. Es trinkt selten, aber viel auf einmal; beim
Fressen
richtet es sich fortwährend auf und schaut um sich, ob keine
Gefahr droht. Es gibt einen pfeifenden
Ton von sich, welcher Witterungsveränderungen anzeigen soll. Wie die meisten
Winterschläfer, sind auch die Murmeltiere
im
Spätsommer und
Herbst ungemein fett; sobald aber der erste
Frost eintritt, fressen sie nicht mehr, trinken aber
noch, entleeren sich dann fast vollständig und beziehen familienweise die Winterwohnungen, in denen die
Temperatur infolge
der Vermauerung der Eingänge und der aus dem
Körper strahlenden
Wärme
[* 6] +8 bis 9° R. beträgt.
Sie liegen hier dicht bei einander, den
Kopf am
Schwanz, regungslos und kalt, indem die Blutwärme auf die
Wärme der
Luft herabgesunken und alle Lebensthätigkeit aufs äußerste herabgestimmt ist, so daß in der
Stunde nur 15 Atemzüge
erfolgen. Nimmt man ein Murmeltier
im
Winterschlaf aus seiner
Höhle und bringt es in größere
Wärme, so gibt sich erst bei 17°
Wärme
ein deutliches Atmen kund; bei 20° beginnt es zu schnarchen, bei 22° streckt es seine
Glieder,
[* 7] bei 25°
erwacht es, bewegt sich taumelnd, wird nach und nach munterer und fängt an zu fressen. Im Frühjahr erscheinen die Murmeltiere
in sehr abgemagertem Zustand vor den Öffnungen der Winterwohnungen und nähren sich anfangs von dem überwinterten
Gras,
bis die jungen
Alpenpflanzen ihnen besseres
Futter gewähren.
Man fängt die Murmeltiere
in
Fallen
[* 8] oder gräbt sie zu Anfang des
Winters aus. Die Alpenbewohner genießen nicht nur das
Fleisch,
sondern benutzen es auch, wie das
Fett und den
Balg, als
Mittel bei mancherlei
Krankheiten. In der Gefangenschaft werden halbwüchsige
Murmeltiere
bald zahm, lernen auf den Hinterbeinen aufgerichtet umherhüpfen, an einem
Stocke gehen etc.
und ergötzen durch ihr possierliches
Wesen. Ehemals wurden sie von den Savoyardenknaben mit umhergeführt und zu einfachen
Schaustellungen in
Städten und Dörfern benutzt. Im warmen
Zimmer verfallen sie nicht in einen
Winterschlaf; im kalten bauen
sie sich aus verschiedenem
Material ein
Nest und schlafen, aber mit
Unterbrechung.
Selbst bei guter Pflege dauern sie in der Gefangenschaft selten über 5-6 Jahre aus. Das Pelzwerk [* 9] ist von geringem Wert.
Vgl.
Girtanner, Die Murmeltier
kolonie in St.
Gallen etc. (St.
Gallen 1887).
Der Bobak (A. Bobac Schreb.), 37 cm lang, mit 9 cm langem Schwanz, ist fahl rostgelb, auf der Oberseite etwas dunkler, auf dem Kopf bräunlich rostgelb, am Schwanz dunkel rostgelb, an der Schwanzspitze schwarzbraun, bewohnt das südliche Polen und Galizien, Südrußland und das südliche Sibirien bis zum Amur und Kaschmir. [* 10] Er lebt gesellig in der Ebene und in Niederungen und bildet große Siedelungen, in welchen sich Hügel an Hügel reiht, die durch Aufhäufen des ausgewühlten Erdreichs entstanden sind.
Das Lager liegt 5-7, selbst 14 m von der Eingangsöffnung in dem unterirdischen Bau. Der Bobak nährt sich von Gras, Kräutern und Wurzeln und trägt großen Wintervorrat ein. Er zieht sich bald zurück, führt noch eine Weile im Bau ein Halbleben, erstarrt dann und erwacht im Frühjahr sehr zeitig. Im April oder Mai werden die Jungen geboren. Adler [* 11] und Wolf rauben viele Bobaks, aber auch Tungusen und Buräten jagen die feisten Tierchen, deren Fleisch schmackhaft ist. In Sibirien hält man die Bobaks für verzauberte Schützen, welche den bösen Geist durch Übermut erzürnt hatten.