Titel
Murillo
(spr. -illjo), 1) Bartolomé Estéban, span.
Maler, geboren Ende
Dezember 1617 zu
Sevilla
[* 2] (getauft wurde zuerst von J.
^[Juan] de
Castillo
unterrichtet und begab sich zu seiner weitern
Ausbildung 1643 nach
Madrid,
[* 3] wo ihm sein Landsmann Velasquez Gelegenheit verschaffte,
in der königlichen Sammlung und im
Escorial die besten
Muster zu kopieren. Murillo
studierte zwei Jahre lang namentlich nach
Ribera,
Tizian,
Rubens,
van Dyck und Velasquez und kehrte hierauf nach
Sevilla zurück, wo er durch elf jetzt zerstreute
Gemälde von Wunderthaten berühmter
Franziskaner für das
Kloster
San Francisco schnell seinen
Ruf begründete. In diesen Werken
erinnert noch der derbe, schwerfällige
Realismus an die Vorbilder seiner
Jugend.
Dieselben sind jedoch bereits überwunden, und die koloristische Behandlung ist flüssiger geworden in
den
Heiligen
Leander und Isidor (in der
Sakristei der
Kathedrale), der
Geburt
Marias im
Louvre zu
Paris
[* 4] (1655) und der
Vision des
heil.
Antonius in der
Kathedrale zu
Sevilla (1656), den beiden Hauptwerken des
Meisters aus seiner mittlern Zeit. Seit 1665 war
Murillo
für die
Kirche
Santa Maria la
Blanca thätig, für welche er unter anderm vier halbrunde, jetzt zerstreute
Darstellungen lieferte, welche die triumphierende
Kirche, die
Empfängnis und die
Gründung der
Kirche
Santa Maria
Maggiore in
Rom
[* 5] schildern. Um 1668 malte er die
Empfängnis (la concepcion) im Kapitelsaal der
Kathedrale zu
Sevilla und um 1670 die heil.
Familie
mit
Elisabeth und dem kleinen
Johannes im
Louvre, eins seiner koloristisch reizvollsten Werke.
Seine glänzendste Periode umfaßt die Zeit von 1670 bis 1680. Im J. 1674 vollendete er acht große Gemälde, welche die Werke der Barmherzigkeit darstellen, für die Kirche des Caridadhospitals, ausgezeichnet durch Kolorit, Zeichnung, sprechenden Ausdruck der Gesichter, Komposition und Perspektive; nur drei von diesen Bildern befinden sich noch am Ort (Moses, Wasser aus dem Felsen schlagend; die Vermehrung der Brote; San Juan de Dios als Krankenträger). Ein viertes Bild, die heil. Elisabeth, Kranke waschend, besitzt die Akademie zu Madrid.
In den nächsten
Jahren bis 1676 malte Murillo
über 20
Bilder für das Kapuzinerkloster in
Sevilla, von denen
sich 17 im dortigen
Museum befinden, darunter zwei
Darstellungen der unbefleckten
Empfängnis, des heil.
Antonius mit dem Jesuskind
und die
Vision des heil. Franziskus. Derselben Zeit gehört eine
Empfängnis im
Museum zu
Sevilla und eine für das
Hospital Venerables
Sacerdotes gemalte
Darstellung gleichen
Inhalts, das berühmte
Bild des
Louvre, an.
Mit der Ausführung der
Verlobung der heil.
Katharina für den Hauptaltar der Kapuzinerkirche zu
Cadiz
[* 6] beschäftigt, stürzte er vom
Gerüst und starb
infolge davon in
Sevilla. Dieses Gemälde wurde von seinem
Schüler Osorio vollendet. Bei der
Eröffnung
einer
Malerakademie zu
Sevilla (1660), worin zuerst das
Studium des
Nackten öffentlich gelehrt ward, wurde Murillo
Direktor derselben.
Von seinen
Schülern sind
Meneses Osorio
(ca. 1630-1705), Villavicencio (1635-1700) und sein Sklave
Sebastian Gomez, von seinen
spätern Nachahmern Tobar (1678 bis
ca. 1729) und
Llorente (1685-1757) hervorzuheben. Murillo
hat gegen 400
Bilder
hinterlassen, überwiegend Andachtsbilder, unter denen zahlreiche
Darstellungen der »unbefleckten
Empfängnis«, eines von Murillo
geschaffenen
Bildertypus, eine besondere
Gruppe bilden, in welcher Murillo
uns als »der unerreichte Darsteller
der inbrünstigen
Andacht, der göttlichen Wundererscheinungen und der himmlischen
Herrlichkeit« entgegentritt.
Seine Bedeutung beruht vornehmlich auf der »Kühnheit und Ungezwungenheit, mit
denen er die realistischte, spanisch-volkstümlichste Formenauffassung seiner glühendsten seelischen
Begeisterung dienstbar zu machen« wußte
(Woermann). In seiner mittlern Zeit entfaltete er sein
Kolorit zu üppigem
Reichtum
warmer, lichtumflossener
Lokalfarben, die später zu einem duftigen, leichten Gesamtton gestimmt wurden, welcher der vollkommenste
Ausdruck seiner spiritualistischen und übernatürlichen
Stoffe wurde. Murillo
hat auch kräftig realistische
Sittenbilder aus dem Sevillaner Volksleben gemalt, welche als »Murillosche
Gassenjungen« bekannt sind (Hauptbilder in der
Münchener
Pinakothek, im
Louvre zu
Paris, in der Nationalgalerie zu
London,
[* 7] in der
Eremitage zu St.
Petersburg
[* 8] und im
Museum zu
Madrid).
Buben und Mädchen sind beim
Essen,
[* 9]
Würfeln und Geldzählen dargestellt. Von den übrigen Werken Murillos
sind noch zu nennen: die Madonnen in der
Galerie zu
Dresden,
[* 10] im
Palazzo
Pitti zu
Florenz,
[* 11] im
Palazzo
Corsini zu
Rom und in den
Museen
zu
Sevilla und
Madrid, der kleine
Jesus und der kleine
Johannes im
Museum zu
Madrid, die
Vision des heil.
Antonius im
Berliner
[* 12]
Museum. Murillo
hat auch
Landschaften und Bildnisse gemalt.
Vgl. Tubino, Murillo
, su epoca, su vida, sus cuadros
(Sevilla 1864);
Lücke in Dohmes »Kunst und Künstler«, Bd. 3 (Leipz. 1880);
Curtis, Velasquez and Murillo
(Lond. 1883).
2) Don Juan Bravo-Murillo, span. Staatsmann, s. Bravo-Murillo.