Muralto
(Kt. Tessin,
Bez. Locarno).
200-260 m. Gem. und Dorf, Aussenquartier von
Locarno, in prachtvoller Lage. Die Grenze zwischen beiden
Gemeinden bildet die von vier steinernen oder eisernen Brücken überschrittene
Ramogna. Während die Dampfschiffstation zu
Locarno gehört, steht der Bahnhof
Locarno auf Boden von Muralto.
Gemeinsame Gas-, Glühlicht- und Wasserversorgung
(aus der grossen Quelle von Remo, die 13 km w.
Locarno am Eingang ins
Centovalli gefasst ist).
Das alte Dorfviertel liegt am Ufer des Langensees und hat hier einen schönen Quai mit an exotischen Gewächsen reichen öffentlichen Gartenanlagen; die Mehrzahl der Häuser mit vielen Gasthöfen, Pensionen, Villen mit immergrünen Gärten und Parks steht aber am sanft-geneigten Fuss des Monte San Bernardo. Postbureau, Telephon. Sehr mildes und gesundes Klima; vor den N.-Winden gänzlich geschützt und voll nach S. exponiert. Gleichmässigste Temperatur der Schweiz. Nebel treten beinahe nie auf. Der Winter bringt manchmal gar keinen Schnee, und nicht selten zählt man im Januar bis auf ¶
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25 Tage mit Sonnenschein. Dementsprechend weist auch die Pflanzenwelt einen durchaus südlichen Charakter auf. Der Lorbeer wächst wild, Orangen- und mächtige Kampherbäume dauern im Freien aus, und bis zu 5 m hohe Kamelien öffnen ihre prachtvollen Blüten schon im Februar. Die weisslichen Blumen der Olea fragrans und der japanischen Mispel (Mespilus japonica) erfüllen die Luft während des ganzen Winters mit ihrem Wohlgeruch, und Veilchen und Schlüsselblumen blühen auch in den kühlsten Monaten auf den umliegenden Höhen am Fuss von.
Mauern und mitten in Weinpflanzungen. Muralto
ist wegen seines milden Klimas, seiner malerischen Umgebung und der grossen
Anzahl von abwechslungsreichen Spaziergängen ein sehr beliebter Aufenthaltsort von Fremden; Deutsche,
Engländer und Holländer, sowie besonders auch Schweizer aus allen Kantonen schlagen hier mit Vorliebe ihren Ruhesitz auf.
Bis 1817 bestand Muralto
blos aus einigen Fischerhütten, dem alten Schloss Muralto
und der Kirche zu San Vittore. Es gehörte
zur Gemeinde Orselina, war aber nach Locarno eingepfarrt und wurde erst 1881 zur selbständigen Gemeinde
erhoben. 1502 Ew. (wovon 138 meist aus den übrigen Kantonen stammende Reformierte). Kirchgemeinde Locarno. Die Reformierten
haben sich 1900 mitten im Dorf eine schöne kleine Kirche erbaut. 178 Ew. sprechen deutsch. 219 Häuser und 353 Haushaltungen.
Im Herbst, Winter und besonders im Frühling wimmelt es hier von Fremden, die sich inmitten einer schönen
Natur und fern vom Lärm und dem aufreibenden Leben der grossen Städte von Arbeit oder Krankheit erholen wollen. Die Industrie
ist in Muralto
(mit Ausnahme natürlich der Fremdenindustrie) nur wenig entwickelt. Immerhin bestehen eine grosse Bierbrauerei
(eine der ältesten im Kanton), eine Selters- und Eiswasserfabrik, eine Gerberei und eine Wagen- und Karrenfabrik.
Neben den Gemeindeschulen hat der Ort ein privates Erziehungsinstitut für Mädchen italienischer Sprache und ein Institut für junge Leute beider Geschlechter, die italienisch lernen wollen. Die Kirche zu San Vittore ist an der Stelle eines einstigen Bacchustempels im 4. Jahrhundert gestiftet und im 12. Jahrhundert zur Basilika umgebaut worden; ihre Gruft reicht bis zur Römerzeit zurück, und die Freskomalereien im Chor stammen aus 1583. Der 1524 im Bau begonnene grosse Turm aus Bruchsteinen ist wegen der im 16. Jahrhundert hausenden Pestepidemien und Hungersnöte nur bis zu zwei Dritteilen der vorgesehenen Höhe vollendet worden und nur provisorisch eingedeckt.
Bemerkenswert ist besonders ein an der S.-Seite des Turmes befindliches Basrelief aus Marmor, das den h. Viktor zu Pferd darstellt
und folgende Inschrift trägt: Victor ego his armis tueor dextraque Locarnum. Atque Deo trino supplico voce pia
Justitia darum comitem dominumque potentem Franchinum Ruscham progeniemque tegat. ^[Latein:] Diese aus dem Beginn der Renaissancezeit
stammende kostbare Arbeit schmückte zuerst den Haupteingang zum Kastell von Locarno und soll nach Oldelli im 15. Jahrhundert
von den Eidgenossen zum grössten Teil zerschlagen worden sein. Vom alten Schloss Muralto
, das nach Ballerini
von den Longobarden erbaut und dann vom Bischof von Como der Familie Muralto
verliehen worden ist, stehen heute nur noch einige
Mauern und ein Portal mit dem Wappenschild, das die Gemeinde 1881 zu ihrem eigenen Wappen erklärt hat. Römische Inschrift
und Römersiedelung. Muralto
wird zum erstenmal 906 genannt.