Mozart
,
Joh.
Chrysostomus
Wolfgang
Theophilus, genannt
Wolfgang
Amadeus,
Komponist, geb. zu
Salzburg,
[* 2] wo sein
Vater,
Leopold Mozart
(geb. zu
Augsburg,
[* 3] gest. in
Salzburg), ein bedeutender, besonders durch
seine «Violinschule» (Augsb. 1756 u.ö.) allgemein
bekannter Künstler, Vicekapellmeister war.
Schon im vierten Jahre offenbarten sich
M.s außerordentliche
Anlagen für
Musik.
Als er 6 J. alt war, führte ihn der
Vater mit seiner Schwester Maria
Anna (genannt Nannerl, geb.
seit 1784 verheiratet mit dem
Hofrat
Baron von Berchthold zu Sonnenberg, gest. in
Salzburg), welche ebenfalls ein
hervorragendes
Talent besaß, nach
München
[* 4] und
Wien,
[* 5] wo bei
Hofe und in der vornehmen Welt die pianistische
Virtuosität des
Knaben Bewunderung fand.
Nach seiner Heimkehr lernte er sehr rasch auch
Violine und Orgel spielen und verstand auch eigene Gesangskompositionen angemessen
vorzutragen. Im J. 1763 trat der
Vater mit beiden
Kindern eine Kunstreise an, welche sie durch die Hauptorte Süddeutschlands
nach
Paris,
[* 6] 1764 nach
London,
[* 7] im folgenden Jahre nach
Holland führte, von wo sie über
Paris und durch die
Schweiz
[* 8] gegen Ende 1766 nach
Salzburg zurückkehrten.
Schon während dieser ersten
Reise hatte Mozart
drei Hefte Klaviersonaten drucken
lassen und führte in seinen
Konzerten, abgesehen von den
Improvisationen, welche die größte Bewunderung hervorriefen,
nur eigene
Kompositionen für Orchester und
Gesang auf. In
Salzburg nahm der
Vater den Sohn in eine strenge Schule, von deren
Erfolgen zwei größere geistliche Kantaten und eine lateinische, für eine akademische Feierlichkeit bestimmte
Oper,
«Apollo
et Hyacinthus», Zeugnis ablegten. Gegen Ende 1767 ging
Leopold Mozart
mit den
Kindern wieder nach
Wien, wo eine
deutsche Operette «Bastien und Bastienne», eine
Messe und anderes von Mozart
aufgeführt wurden.
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Nachdem das J. 1769 in Salzburg, wo Wolfgang Mozart
zum Konzertmeister ernannt wurde, in ernsthaften Studien hingebracht war, trat
der Vater mit seinem Sohn eine Reise nach Italien
[* 10] an. Sie führte mit einem längern Aufenthalt in allen Hauptorten bis nach
Neapel
[* 11] und war eine ununterbrochene Kette von Triumphen für den jugendlichen Virtuosen auf dem Klavier,
auf der Orgel und Violine und im Gesang, wie für den Komponisten, der sich für die verschiedensten Aufgaben allezeit gerüstet
erwies.
Äußere Ehren blieben nicht aus. Wichtiger war der Auftrag, die Oper «Mitridate» zu schreiben, die im Dez. 1770 in Mailand [* 12] mit Beifall aufgeführt wurde. Hierauf folgte das Festspiel «Ascanio in Alba» [* 13] im Auftrag der Kaiserin Maria Theresia zur Vermählung des Erzherzogs Ferdinand in Mailand 1771, die Serenade «Il sogno di Scipione» zur Einführung des Erzbischofs Hieronymus 1772 in Salzburg, die Oper «Lucio Silla», im Winter 1773 in Mailand mit Beifall aufgeführt. Daran schlossen sich die komische Oper «La finta giardiniera», 1775 in München, und die Serenade «Il re pastore», 1775 in Salzburg aufgeführt.
Während sich Mozart
so auf dem Gebiete der ital. Oper, welcher im wesentlichen auch das Oratorium «La Betulia liberata»
angehört, vollkommen heimisch machte, bot ihm seine Stellung in Salzburg zugleich Veranlassung, sich auch
nach andern Seiten hin als Komponist zu entwickeln. Sechzehn Messen, vier große Litaneien, eine ausgeführte Vesper und eine
große Zahl von Offertorien u. dgl. bezeugen, in welchem Grade sich Mozart
der Kirchenmusik sowohl in ihren strengern als den damals
vorherrschend freiern Formen bemächtigt hatte. Auch in den verschiedensten Gattungen der Instrumentalmusik
bewährte er eine staunenswerte Fruchtbarkeit. Gegen 40 Sinfonien, zahlreiche Serenaden, Divertimenti, Kassationen und andere
Formen der Orchestermusik stehen an der Spitze einer Reihe von Werken der Kammermusik.
Die unwürdige Behandlung, welche Mozart
von seiten des Erzbischofs Hieronymus erfuhr, bestimmte ihn im Sept. 1777 seinen
Abschied zu nehmen und auswärts sein Glück zu suchen. Der Aufenthalt in München, Mannheim
[* 14] (wo Karl Theodor
mit vortrefflichen Kräften eine deutsche Oper zu begründen suchte) und in Paris erweiterte zwar seinen künstlerischen Blick,
brachte ihn aber nicht dauernd in einen anderweitigen Wirkungskreis, so daß er nach dem in Paris erfolgten Tode
der ihn begleitenden Mutter wieder, wenn auch ungern, in die frühere Stellung als Konzertmeister nach Salzburg zurückkehrte.
Seine größere Reife offenbart sich in den mannigfaltigen Kompositionen für Kirche und Orchester, die während der Reise und nach seiner Rückkehr in Salzburg entstanden, sowie in den Chören und Zwischenakten zu «König Thamos» und der nicht vollendeten deutschen Oper «Zaïde», vor allem aber in der Oper «Idomeneo», die im Jan. 1781 in München aufgeführt wurde. Elemente der ital. Opera seria sind hier unter dem belebenden Einfluß der durch Gluck angebahnten dramat. Reformation ihrer Vollendung entgegengeführt. Der Ernst der Auffassung, die Kraft [* 15] der Erfindung, die Sorgfalt der Durchführung macht diese Oper zu einem Meisterwerk, obgleich es noch unter dem Gesetze einer fremden Form steht.
Im J. 1781 gab Mozart
seine Salzburger Stellung auf und ließ sich in Wien nieder, wo er sich 1782 mit Konstanze Weber verheiratete.
Der
Kaiser Joseph ernannte ihn 1787 zum Kammermusikus mit 800 Fl. Gehalt. Da auch M.s Kompositionen trotz
alles Beifalls und ihrer großen Verbreitung nur geringen Ertrag brachten, so war er auf die Einnahmen von Konzerten und Unterrichtsstunden
angewiesen, so daß sein Hausstand ihn, den zur Sparsamkeit wenig Geeigneten, fast immer in Sorgen hielt.
M.s Ansehen in Wien gründete sich zunächst auf seine Meisterschaft im Klavierspiel, die er auf zwei Kunstreisen nach Berlin [* 16] (1789) und Frankfurt [* 17] (1790) auch über Wien hinaus zu glänzender Anerkennung brachte. Er galt unbestritten als der erste Komponist und auch als einer der ersten Virtuosen für dieses Instrument. In 27 Konzerten für Klavier und Orchester sowie in einer langen Reihe Kompositionen mit und ohne Begleitung für Klavier ist hauptsächlich der Grund für die Entwicklung des modernen Klavierspiels in Gestalt, Form und Technik gelegt worden.
Namentlich die Konzerte sind nicht allein durch die Behandlung des Orchesters, sondern durch den Reichtum und die Originalität
der Erfindung ein unversiegbarer Schatz musikalischer Schönheit. Seine Konzerte boten ihm zunächst auch die Veranlassung,
die Orchestermusik in seinen Sinfonien weniger nach der Seite der Form als des Inhalts auf eine neue Stufe zu erheben. Auch
in den verschiedenen Arten der Kammermusik, namentlich in den Quartetten und Quintetten, ist Mozart
auf der
von Haydn eingeschlagenen Bahn in eigentümlicher Weise fortgeschritten.
Die höchste Bedeutung aber gewann er in Wien als dramat. Komponist. Kaiser Joseph, der den Versuch machte, neben dem deutschen Schauspiel auch eine deutsche Oper zu begründen, gab ihm den Auftrag, «Die Entführung aus dem Serail» zu komponieren, welche, Juli 1782 mit großem Beifall aufgenommen, M.s Namen rasch über ganz Deutschland [* 18] trug. Es war die erste und blieb damals auch die einzige deutsche Oper, welche über die engen Grenzen [* 19] des bisherigen Singspiels hinaus alle Mittel der ausgebildeten Kunst des Gesangs und Orchesters für die dramat.-musikalische Darstellung verwendete.
Der eigentliche Liebling des Kaisers war die ital. Opera buffa. In dieser gelang es Mozart
1786 mit «Le
[* 20] nozze
di Figaro» («Die Hochzeit des Figaro») festen Fuß zu fassen, welche Oper in einer trefflichen Aufführung glänzenden Erfolg
hatte. Mozart
verstand es, dem geistreichen Intriguenspiel der franz. Komödie von
Beaumarchais Seele und Gemüt einzuhauchen und das Ganze in eine höhere, wahrhaft poet. Atmosphäre zu
heben, welche die Bedingung wurde für eine musikalische Darstellung, in welcher heitere Beweglichkeit, leichte Grazie und
tiefe Empfindung aufs wunderbarste verschmolzen sind.
Der Enthusiasmus, mit welchem diese Oper in Prag
[* 21] aufgenommen wurde, veranlaßte den Direktor Bondini, bei Mozart
den «Don
Giovanni» («Don Juan») zu bestellen, der im Okt. 1787 in Prag aufgeführt wurde und von vielen für M.s Meisterwerk gehalten
wird. Das alte span. Fastnachtsspiel bot nicht allein für die Darstellung mannigfacher Leidenschaften, sondern der Kontraste
des ausgelassenen Humors und der Schauer des Geisterreichs ein weites Gebiet. Die nächste Oper «Così fan tutte», 1790 in
Wien aufgeführt, war der ganzen Anlage des Librettos nach in Handlung und Charakteristik der herkömmlichen Opera buffa um vieles
näher gerückt; sie ragt hervor durch Schönheit der Musik, Vollendung
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der Form und Wohllaut der Klangwirkungen. Zur Krönung des Kaisers Leopold in Prag 1791 schrieb Mozart
im Auftrag der Stände die
Festoper «La clemenza di Tito», Text von Metastasio, aus welchem eine glänzende Gelegenheitskomposition machte. Schon vorher
hatte Mozart
für den Theaterdirektor Schikaneder eine von diesem verfaßte Zauberoper, der ein
bekanntes Märchen zu Grunde lag, «Die Zauberflöte», begonnen, welcher durch einen Zusatz
freimaurerischer Tendenzen ein tieferer Gehalt gegeben war.
Mozart
, ein eifriger Freimaurer, faßte diese Seite mit großem Ernst auf und wußte dem Ganzen einen feierlich ernsten Hintergrund
zu geben, auf dem die Züge lustiger Heiterkeit wirksam hervortreten. Die «Zauberflöte»
ist eine wesentlich deutsche Oper und fand als solche einen bis dahin unerhörten Beifall. M.s letztes Werk war das «Requiem»
(vgl. J. E. Engl, Festschrift zur Mozart
centenarfeier, Salzb. 1891);
ehe er es ganz vollendet hatte, warf ihn eine heftige Krankheit aufs Lager,
[* 23] der er erlag.
Auf allen Gebieten der Musik hat Mozart
Meisterwerke hinterlassen, die durch die vollendete Harmonie zwischen
Form und Inhalt zu den schönsten Denkmälern aller Kunst gehören. Ihm war Musik der natürliche Ausdruck des Fühlens und
Denkens und die Anmut und Liebenswürdigkeit seiner Seele vermochten auch die trübsten Stunden nicht zu verdunkeln. Nach
Seite der Fachbildung wesentlich auf ital. Grundlagen gestützt, faßte er doch alle bedeutenden
Züge der damaligen Schulen zusammen und erscheint als letzter glänzender Vertreter des 18. Jahrh., namentlich in der Oper.
In der geistigen Richtung seiner unverwüstlich reichen Individualität kündet sich aber bereits eine neue Zeit an; diese
Seite spricht am stärksten aus M.s Instrumentalmusik, besonders aus den Sinfonien.
Nissens Biographie M.s (Lpz. 1828) bot zuerst ein reichhaltiges authentisches Material, welches Holmes «Life of Mozart» (Lond. 1845) zweckmäßig verarbeitete. Eine begeisterte Charakteristik gab Ulibischeff in «Nouvelle biographie de Mozart» (3 Bde., Mosk. 1843; deutsch Stuttg. 1847; 2. Aufl., von Gantter, 4 Bde., 1858-59). Auf umfassendes Quellenstudium begründet ist Otto Jahns «Wolfgang Amadeus Mozart» (4 Bde., Lpz. 1856-59; 3. Aufl., bearbeitet von H. Deiters, 2 Tle., 1889-91). -
Vgl. auch Reißmann, Wolfgang Amadeus Mozart (im «Neuen Plutarch», Bd. 8, Lpz. 1880);
Nohl, Mozart nach den Schilderungen seiner Zeitgenossen (ebd. 1880);
Rudolf Freiherr von Procházka, in Prag (Prag 1892).
M.s Briefe sind gesammelt von Nohl (Salzb. 1865; 2. Aufl., Lpz. 1877),
der auch M.s Leben (2. Aufl., Lpz. 1877) beschrieb. Weitere Briefe sowie Mitteilungen der Witwe und Schwester M.s veröffentlichte Nottebohm in «Mozartiana» (Lpz. 1880). Einen ausführlichen Katalog seiner Werke bietet Köchels «Chronologisch-thematisches Verzeichnis sämtlicher Tonwerke M.s» (Lpz. 1862; Nachtrag 1889). Auch das Zustandekommen der im Dez. 1876 begonnenen ersten vollständigen Ausgabe von M.s Werken, die Breitkopf & Härtel in Leipzig [* 24] veranstalten, ist zum Teil Köchels Verdienst. (Vgl. auch S. Bagge, Die Sinfonien M.s, Lpz. 1886; Karl Reinecke, Zur Wiederbelebung der Mozartschen Klavierkonzerte, ebd. 1891.) - Zu Ehren M.s wurden eine Anzahl Mozart-Stiftungen (zu Salzburg, Frankfurt a. M. u. s. w.) ins Leben gerufen.
Ein 1892 in Düsseldorf [* 25] gegründeter Mozart-Verein unterstützt das Mozarteum in Salzburg, das die Aufgabe hat, die öffentliche Schule Mozarteum zu erhalten, periodische Musikfeste zu veranstalten und die Herstellung eines Mozarthauses und Mozartarchivs anzustreben. Von den vielen Bildnissen M.s ist das vom Maler Tischbein aus Mainz [* 26] 1778 gefertigte dem Original am ähnlichsten. Denkmäler wurden Mozart gesetzt in Weimar [* 27] (1799) und Salzburg (von Schwanthaler, 1842); in Wien wurde sein Marmorstandbild (von Tilgner) enthüllt.
M.s Gattin Konstanze, geborene Weber, vermählte sich 1809 mit dem dän. Etatsrat Georg Nikolaus von Nissen, dem Verfasser der ersten Biographie M.s, wurde abermals Witwe und starb - Karl Mozart, der älteste Sohn Wolfgang M.s, geb. 1784, starb als Steuerbeamter in Mailand. - Wolfgang Amadeus Mozart, dessen Bruder, geb. wurde von Neukomm und Albrechtsberger unterrichtet, war 1813-38 Musiklehrer in Lemberg, [* 28] dann in Wien und starb in Karlsbad. Er veröffentlichte mehrere gediegene Kompositionen.