Mozart
,
Johannes Chrysostomus Wolfgang Gottlieb, gewöhnlich Wolfgang Amade genannt, Komponist, geb. zu Salzburg, [* 2] wo sein Vater Leopold (geb. zu Augsburg, [* 3] gest. als Unterdirektor der erzbischöflichen Kapelle angestellt war, zeigte auffallend frühzeitig Spuren eines außerordentlichen musikalischen Talents und erhielt alsbald von seinem Vater die sorgfältigste Ausbildung. Bereits im sechsten Jahr komponierte er kleine Stücke auf dem Klavier und war im Spiel selbst so weit vorgeschritten, daß der Vater sich entschloß, mit dem Wunderknaben und dessen fünf Jahre älterer, gleichfalls Klavier spielender Schwester Maria Anna, 1762 eine Kunstreise zu machen.
München

* 4
München.
Der erste Ausflug ging nach
München,
[* 4] wo der kleine
Virtuose beispiellosen Beifall erntete. Die zweite
Reise unternahm die
Familie
im
Herbst d. J. nach
Wien,
[* 5] wo ihr einflußreiche
Gönner Zutritt bei
Hofe verschafften.
Kaiser Franz I. überschüttete
den
Knaben mit Gunstbezeigungen. Als man ihm in
Wien eine
Geige schenkte, versuchte er sich auch im Violinspiel und machte hierin
ebenfalls ungemeine Fortschritte. Von 1763 bis 1766 unternahm die
Familie die erste größere Kunstreise, durch
Bayern,
[* 6] die
Rheinprovinzen, die
Niederlande
[* 7] und
Frankreich, wo sich der achtjährige Mozart
in der königlichen
Kapelle zu
Versailles
[* 8] vor
dem König und dem ganzen
Hof
[* 9] auf der
Orgel hören ließ und zu
Paris
[* 10] seine ersten
Kompositionen,
Sonaten fürs
Klavier, veröffentlichte.
London

* 12
London.
Von
Frankreich aus begab sich die
Familie 1764 nach
England. Mozarts
Virtuosität
war in dieser Zeit schon
so bedeutend, daß er
Sachen von
Händel und
Bach vom
Blatt
[* 11] spielte; ja, als er zu
London
[* 12] vor dem König spielte, legte man ihm
einen bloßen
Baß vor, und er erfand hierzu augenblicklich eine passende
Melodie. Während seines Aufenthalts in
England komponierte
er sechs Klaviersonaten, welche in
London gestochen und der
Königin gewidmet wurden (vgl. C. F.
Pohl,
Haydn
und Mozart
in
London,
Wien 1867). Den
Sommer des nächsten
Jahrs verlebte die
Familie in
Flandern,
Brabant und
Holland.
Mozart (Leben)

* 15
Seite 11.840.
Hier mit seiner
Schwester durch die
Blattern mehrere
Monate lang an das
Krankenbett gefesselt, schrieb Mozart
wiederum
sechs Klaviersonaten, welche er später dem
Prinzen von
Nassau-Weilburg widmete. 1766 kehrte die
Familie über
Paris und
Lyon
[* 13] durch die
Schweiz
[* 14] und
Schwaben nach
Salzburg zurück, wo Mozart
während der beiden folgenden Jahre seine Kompositionsstudien mit
Eifer fortsetzte und seinen
Geschmack namentlich an den Werken
Emanuel
Bachs,
Hasses und
Händels sowie der
ältern
Italiener bildete. Auf einer dann folgenden abermaligen Kunstreise nach
Wien komponierte er im Auftrag des
Kaisers
Joseph II.
seine erste komische
Oper: »La finte semplice« (1776), die jedoch nicht zur Aufführung
gelangte.
¶
mehr
Bemerkenswert ist noch aus dieser Zeit ein Tedeum, welches der junge Künstler zur Einweihung einer Kirche komponierte und persönlich dirigierte, sowie die zu Wien im Haus des musikliebenden Schuldirektors Mesmer aufgeführte Operette »Bastien und Bastienne«. 1769 ward er zum Konzertmeister am salzburgischen Hof ernannt. Anfang 1770 unternahm er mit seinem Vater eine Reise nach Italien, [* 16] wo er in Bologna, Rom und [* 17] Neapel [* 18] neue Triumphe feierte und in Rom eine glänzende Probe seines musikalischen Gedächtnisses ablegte, indem er das »Miserere« von Allegri nach einmaliger Anhörung am Mittwoch der Karwoche niederschrieb. In Mailand, [* 19] wo er gegen Ende Oktober 1770 anlangte, komponierte er die Oper »Mitridate«, welche schon 26. Dez. unter seiner Leitung über die Bühne ging und 20mal hintereinander aufgeführt wurde.
Orden

* 23
Orden.Weiter schrieb er für Mailand das Festspiel »Ascanio in Alba« [* 20] (1771) und kehrte dann, nachdem er noch Venedig [* 21] und Verona [* 22] besucht und die bedeutendsten Auszeichnungen, wie den päpstlichen Orden [* 23] des goldenen Sporns, denselben, dessen Besitz Gluck veranlaßt, sich »Ritter« zu nennen, und die Diplome der philharmonischen Akademien von Bologna und Verona, erhalten hatte, nach Salzburg zurück. Hier komponierte er zur Einführung des neuen Erzbischofs von Salzburg 1772 Metastasios Azione teatrale »Il sogno di Scipione« und begab sich im folgenden Jahr abermals nach Mailand, wo seine Oper »Lucio Silla« zur Aufführung kam.
Wieder nach Salzburg zurückgekehrt, vollendete er hier 1774 die komische Oper »La finta giardiniera« und die Festoper »Il re pastore«, denen sich im Lauf der folgenden Jahre noch verschiedene Kirchenkompositionen, die Musik zum Drama »Thamos« und die Operette »Zaide« anschlossen. Inzwischen hatte ihm der Mangel an künstlerischer Anregung und die geringschätzige Behandlung des Erzbischofs den Aufenthalt in Salzburg verleidet, und er begab sich 1777 wieder auf Reisen, doch blieben seine Anstrengungen, in München, in Mannheim [* 24] als Musiklehrer der fürstlichen Kinder oder in Paris eine Anstellung zu erhalten, erfolglos, und enttäuscht kehrte er im Januar 1779 nach Salzburg zurück.
Bald darauf zum Hof- und Domorganisten ernannt, wurde ihm auch die Freude zu teil, eine Oper für München schreiben zu dürfen;
es war der 1781 dort aufgeführte »Idomeneo«, mit welcher Oper Mozart
zum erstenmal von den Wegen der italienischen Oper abwich
und, im Anschluß an die französische Glucks, eine neue selbständige Richtung verfolgte. Noch in demselben
Jahr zwang ihn die Rücksichtslosigkeit seines Fürsten, der ihn auf einer Reise nach Wien wie den letzten seiner Domestiken
behandelte, seine Salzburger Stellung aufzugeben, und er siedelte nach Wien über, wo er sich im nächsten Jahr
mit Konstanze Weber, einer Schwester seiner ersten Jugendliebe, der Sängerin Aloysia Weber, später verehelichten Lange, vermählte.
Präeminenz - Prag

* 25
Prag.
Hier entstand, angeregt durch die von Joseph II. begründete nationale Opernbühne Mozarts
erste deutsche Oper: »Belmonte und
Konstanze, oder die Entführung aus dem Serail«, die zwar bei ihrer Aufführung 1783 vielen Beifall fand, vom
Kaiser jedoch nicht mit Unrecht als »zu schön für die Ohren der Zeitgenossen« bezeichnet wurde und dem Künstler keine weitern
Aufträge für die genannte Bühne einbrachte. Nicht viel mehr Glück machten seine 1786 aufgeführten Opern: »Der Schauspieldirektor«
und »Figaros Hochzeit«, und selbst sein Meisterwerk »Don Juan«, obwohl bei seiner ersten Aufführung 1787 in
Prag
[* 25] mit Jubel aufgenommen, hatte in Wien geraume
Zeit gegen die Intrigen der italienischen Sänger und die Gleichgültigkeit
des Publikums zu kämpfen, bis es seinem vollen Wert nach erkannt wurde. Im folgenden Jahr entstanden außer andern Instrumentalsachen
seine drei Meistersymphonien in Es dur, G moll und C dur (mit der Fuge). Im Dezember 1789 folgte das italienische
komische Singspiel »Così fan tutte«, das, zuerst aufgeführt, trotz
des schlechten Textes außerordentlich gefiel. In jene Zeit fällt Mozarts
Reise über Leipzig
[* 26] und Dresden
[* 27] nach Berlin.
[* 28]
Der König Friedrich Wilhelm II. von Preußen
[* 29] bot ihm die Stelle eines Kapellmeisters mit einem Jahrgehalt
von 3000 Thlr. an; aber Mozart
, wiewohl er zu Wien mit dem Titel eines kaiserlichen Kammerkomponisten eine Besoldung von nur 800 Gulden
bezog, antwortete ihm: »Kann ich meinen guten Kaiser verlassen?«. Letzterer eröffnete dem Künstler nach seiner Rückkehr zwar
die Aussicht, daß in Zukunft auf ihn Bedacht genommen werden solle; aber das bald darauf erfolgte Ableben
Josephs II. vernichtete jede Hoffnung Mozarts
auf eine Verbesserung seiner Lage. 1791 komponierte er für seinen in Schulden
geratenen Freund Schikaneder die Oper »Die Zauberflöte«, für die Krönungsfeierlichkeiten des Kaisers Leopold II. die Oper »La
clemenza di Tito« und sein »Requiem«, letzteres für die verstorbene Gräfin Walsegg, deren Gemahl es
bei Mozart
bestellt hatte und nach dessen Tod unvollendet abholen ließ (vollendet ward es von Süssmayer, Mozarts
Freund und Schüler).
Es war des Künstlers letzte Arbeit.
Mainz (Stadt: hervorra

* 30
Mainz.
Noch in seinen Phantasien mit dieser Komposition beschäftigt, starb Mozart
im 36. Jahr seines Lebens.
Ein halbes Jahrhundert später, ward ihm zu Salzburg eine Erzstatue (von Schwanthaler) errichtet, und seit kurzem
bezeichnet auch ein allegorisches Denkmal seine (mutmaßliche) Grabstätte auf dem Wiener Friedhof St. Marx. Von den vorhandenen
Porträten Mozarts
sind das von Tischbein 1789 in Mainz
[* 30] gemalte und ein aus früherer Zeit stammendes, in
Buchsbaum geschnittenes Medaillon von Posch hervorzuheben. Letzteres befindet sich nebst einem Gesamtbild der Familie Mozart
(1780 von della Croce gemalt) im Mozarteum
zu Salzburg, einer 1842 zur Pflege der Musik gestifteten Anstalt, die zugleich die
Dokumente des Mozart
schen Familienarchivs und interessante Reliquien des Meisters bewahrt. - Der Witwe Mozarts
bewilligte Kaiser Leopold II. eine Pension von 260 Gulden. Sie verheiratete sich 1809 mit dem dänischen Etatsrat v. Nissen (dem
Biographen Mozarts, s. unten), ward 1826 zum zweitenmal Witwe und starb in Salzburg.
Mozart (Werke)

* 32
Seite 11.841.Mozarts Charakter als Mensch war von einer fast sprichwörtlich gewordenen Gutherzigkeit und Naivität. Hilfreich gegen alle Welt, neidlos gegenüber seinen vom Glück begünstigten Kunstgenossen, hatte er seinen eignen Vorteil so wenig im Auge, [* 31] daß er Zeit seines Lebens mit Mangel kämpfen mußte. Dabei war er von einer unglaublichen Arbeitskraft, besonders in seinen letzten Lebensjahren. Er hat im ganzen 626 Werke hinterlassen, darunter 20 Messen etc., 8 Litaneien und Vespern, 40 Offertorien, Hymnen und andre geistliche Gesangstücke, 17 Orgelsonaten, 10 Kantaten mit Orgelbegleitung, 23 Opern, über 100 Arien und Lieder mit Orchester- und Klavierbegleitung, 23 Kanons für 2-12 Stimmen, 22 Klaviersonaten, über 50 andre Klavierstücke, 45 Sonaten für Klavier und Violine, 11 Trios, Quartette etc. mit Klavier, 48 Kammermusikstücke für Streichinstrumente, 49 Symphonien, gegen ¶
mehr
100 kleinere Werke für Orchester und 55 Konzerte. Eine solche Fruchtbarkeit in einem so kurzen Leben, von welchem die Reisen zwei Drittel in Anspruch genommen, ist um so bewunderungswürdiger, als auch übrigens durch seine Kapellmeisterpflichten und Lektionen so vielfach vom Komponieren abgezogen wurde, daß er meist nur die frühen Morgenstunden oder die Nacht dazu verwenden konnte.
Mozart hat sich, wie wir sahen, in allen Gattungen der musikalischen Komposition bethätigt und überall Ausgezeichnetes geleistet. Am größten aber und wahrhaft epochemachend ist seine Bedeutung auf dem Gebiet der Oper, die durch ihn vermöge der reichen Innerlichkeit, welche einen Grundzug seines Wesens bildete, eine Stufe der Vollendung erreichte, auf welcher sie sowohl die der Italiener als auch die durch Gluck veredelte große Oper der Franzosen hinter sich zurückließ.
Das erste Werk, in welchem seine kunsthistorische Bedeutung als dramatischer Komponist offenbar wird, ist der »Idomeneo«. Die vor diesem entstandenen, oben genannten Opern und Festspiele, selbst die in Hinsicht auf Instrumentation und dramatischen Ausdruck reifere »Finta giardiniera«, sind durchaus in den herkömmlichen Formen gehalten und haben weder an sich noch für uns eine höhere Bedeutung, wiewohl die in ihnen sich offenbarende musikalische Gestaltungskraft stets zu bewundern bleibt.
Auch »Idomeneo« (»Idomeneo, re di Creta ossia Ilia e Idamante«) steht im ganzen noch auf dem Boden der altitalienischen Opera seria, wie schon die große Zahl der Arien andeutet sowie der Umstand, daß die Rolle des Idamante einem Kastraten bestimmt war. Aber trotz aller der bloßen Gesangsvirtuosität gemachten Zugeständnisse und neben der in der Behandlung der Recitative ersichtlichen Nachahmung der Gluckschen Muster tritt Mozarts Genius in den großartigen Chören und noch mehr in der für jene Zeit unerhört kühnen und durch feinste Charakteristik ausgezeichneten Instrumentierung bereits mächtig hervor.
Erscheint Mozart in dieser wie auch in seinen beiden letzten italienischen Opern, »Così fan tutte« und »Titus«, noch vielfach von italienischen Vorbildern abhängig, so sehen wir ihn in allen seinen übrigen dramatischen Schöpfungen durchaus neue Gebiete erobern und mit jeder folgenden ein Muster der Gattung aufstellen. Die »Entführung aus dem Serail«, welche zunächst folgt, ist größernteils in der Weise und nach dem Maß des damaligen Singspiels angelegt, aber bedeutsam durch vielfach reichere Ausführung, treffende Charakteristik und Innigkeit des Ausdrucks, an welcher vielleicht die gehobene Stimmung des Komponisten, welcher eben damals glücklicher Bräutigam war, einigen Anteil gehabt hat.
Leland Stanford Junior
![Bild 61.77: Leland Stanford Junior University - Le Mans [unkorrigiert] Bild 61.77: Leland Stanford Junior University - Le Mans [unkorrigiert]](/meyers/thumb/61/61_0077.jpeg)
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Leland Stanford Junior University.Zugleich aber stellte Mozart gerade hier der Schilderung zarter und treuer Liebesgefühle die heiterste Laune und (im Osmin) eine von ihm selbst kaum wieder erreichte Komik entgegen, welche mit der Sentimentalität der Hauptfiguren aufs glücklichste kontrastiert. Noch bewunderungswürdiger erscheint er in seiner nächsten Oper, der nach Beaumarchais' gleichnamigem Lustspiel von Da Ponte bearbeiteten »Hochzeit des Figaro« (»Le [* 33] nozze di Figaro«). Die schwierige Aufgabe, den eleganten Konversationsstil des französischen Lustspiels in die natürliche Sprache [* 34] des Gefühls zu übersetzen, hat Mozart hier wie spielend bewältigt. Er vermochte die kalte Ironie und Satire und selbst die stellenweise nackte Frivolität der Dichtung durch die naive Anmut seiner Musik zu verdecken und die Unsittlichkeit des Stoffes aufzuheben, indem er als Grundmotiv des unaufhörlichen Intrigenspiels die echte Liebe darstellte, die er mit durchdringender Herzenskenntnis in allen denkbaren Beziehungen schildert und wie im Feuer der Leidenschaft erprobt aus allen Verwickelungen siegreich hervorgehen läßt.
Die höchste Stufe aber erreicht Mozart mit seinem »Don Juan« (»Il dissoluto punito, o il Don Giovanni«). Indem er hier die Lieblichkeit und Anmut der italienischen Melodik mit dem großartigen Pathos der Gluckschen französischen Oper, den Fluß und die wirkungsvolle Behandlung des vokalen Teils mit einem bis dahin unbekannten Reichtum und Glanz des Orchesters vereint, indem er ferner die Charaktere, sowohl die tragischen als die komischen, unter steter Mitwirkung der Instrumente mit höchster Schärfe und vollendeter Naturwahrheit zeichnet und diese wichtigste Aufgabe des dramatischen Komponisten selbst dann keinen Augenblick vernachlässigt, wenn er, seinem spezifisch musikalischen Genius folgend, die wunderbarsten kontrapunktischen Gebilde gestaltet, hat er ein musikalisch-dramatisches Meisterwerk geschaffen, welches alles vor seiner Zeit auf diesem Gebiet Entstandene hinter sich zurückließ und der deutschen Tonkunst einen entscheidenden Sieg über die fremdländische errang.
»Für alle Situationen und Erscheinungen«, sagt v. Dommer (»Geschichte der Musik«, S. 552),
»von den Schrecken der Geisterwelt und den drohenden Verkündigungen des Gerichts bis zu den wonnevollen Schauern der Sommernacht, weiß er seine Farbentöne auf das wunderbar treffendste zu stimmen. Und in welchen Regionen des Tragischen und Leidenschaftlichen oder des Komischen und Anmutigen, des grauenvoll Dämonischen oder der lichten Seelenheiterkeit er sich auch bewegen möge: die Grenzlinie des Schönen und Naturgemäßen hat er niemals überschritten; sein feines und unfehlbares Kunstgefühl ließ sich gar nicht nahekommen, was die Wahrheit und Reinheit seiner Gestaltungen irgendwie hätte trüben können. Solchen eminenten Gaben gegenüber kann man aber schließlich um so weniger den Wunsch unterdrücken, ihr glücklicher Besitzer möge häufiger dem Edlen und Erhabenen sich zugewendet haben. In dieser Beziehung stand er nicht über seiner Zeit; ein Zuchtmeister und Sittenlehrer, wie es Händel und Gluck gewesen, konnte er ihr nicht werden. Er starb zu jung, um erkannt zu haben, daß die Kunst nicht bloß durch ihre Vollkommenheit in sich auf Zeitgenossen und Nachkommen wirken soll, sondern auch durch die Größe und Hoheit ihrer Ideale und der darin verkörperten Lebensanschauungen. Die Texte der bedeutendsten Opern Mozarts sind zum großen Teil trivial und frivol; selbst der 'Don Juan', rein kunstmäßig eins der größten Meisterwerke, welche jemals geschrieben sind, hat den ausschweifenden Wüstling zum Helden, der, wenn wir ihn als Personifikation der den sinnlichen Lüsten anheimgefallenen und durch sie vernichteten sittlichen Schwäche fassen, zwar eine furchtbare Wahrheit und Bedeutung gewinnt, als Objekt der Kunstdarstellung aber wenigstens des Genius eines Mozart bedarf, um nicht widerwärtig zu werden.« Dieselbe Leichtlebigkeit, um nicht zu sagen derselbe Leichtsinn der ethischen Seite seiner Kunst gegenüber erklärt es, daß Mozart nach Vollendung des »Don Juan« seine schöpferische Kraft [* 35] auf Stoffe verwenden konnte wie die geistlose Opera buffa des Da Ponte: »Così fan tutte, ossia la scuola degli amanti«, wie Metastasios frostige Galaoper »La clemenza di Tito«, an denen die Hand [* 36] selbst des größten Meisters erlahmen mußte, oder wie die dem Geschmack eines vorstädtischen Theaterpublikums huldigende Zauberposse Schikaneders: »Die Zauberflöte«. Aber gerade im ¶