Mozart
,
Johannes Chrysostomus Wolfgang Gottlieb, gewöhnlich Wolfgang Amade genannt, Komponist, geb. zu Salzburg, [* 2] wo sein Vater Leopold (geb. zu Augsburg, [* 3] gest. als Unterdirektor der erzbischöflichen Kapelle angestellt war, zeigte auffallend frühzeitig Spuren eines außerordentlichen musikalischen Talents und erhielt alsbald von seinem Vater die sorgfältigste Ausbildung. Bereits im sechsten Jahr komponierte er kleine Stücke auf dem Klavier und war im Spiel selbst so weit vorgeschritten, daß der Vater sich entschloß, mit dem Wunderknaben und dessen fünf Jahre älterer, gleichfalls Klavier spielender Schwester Maria Anna, 1762 eine Kunstreise zu machen.
Der erste Ausflug ging nach
München,
[* 4] wo der kleine
Virtuose beispiellosen Beifall erntete. Die zweite
Reise unternahm die
Familie
im
Herbst d. J. nach
Wien,
[* 5] wo ihr einflußreiche
Gönner Zutritt bei
Hofe verschafften.
Kaiser Franz I. überschüttete
den
Knaben mit Gunstbezeigungen. Als man ihm in
Wien eine
Geige schenkte, versuchte er sich auch im Violinspiel und machte hierin
ebenfalls ungemeine Fortschritte. Von 1763 bis 1766 unternahm die
Familie die erste größere Kunstreise, durch
Bayern,
[* 6] die
Rheinprovinzen, die
Niederlande
[* 7] und
Frankreich, wo sich der achtjährige Mozart
in der königlichen
Kapelle zu
Versailles
[* 8] vor
dem König und dem ganzen
Hof
[* 9] auf der
Orgel hören ließ und zu
Paris
[* 10] seine ersten
Kompositionen,
Sonaten fürs
Klavier, veröffentlichte.
Von
Frankreich aus begab sich die
Familie 1764 nach
England. Mozarts
Virtuosität
war in dieser Zeit schon
so bedeutend, daß er
Sachen von
Händel und
Bach vom
Blatt
[* 11] spielte; ja, als er zu
London
[* 12] vor dem König spielte, legte man ihm
einen bloßen
Baß vor, und er erfand hierzu augenblicklich eine passende
Melodie. Während seines Aufenthalts in
England komponierte
er sechs Klaviersonaten, welche in
London gestochen und der
Königin gewidmet wurden (vgl. C. F.
Pohl,
Haydn
und Mozart
in
London,
Wien 1867). Den
Sommer des nächsten
Jahrs verlebte die
Familie in
Flandern,
Brabant und
Holland.
Hier mit seiner
Schwester durch die
Blattern mehrere
Monate lang an das
Krankenbett gefesselt, schrieb Mozart
wiederum
sechs Klaviersonaten, welche er später dem
Prinzen von
Nassau-Weilburg widmete. 1766 kehrte die
Familie über
Paris und
Lyon
[* 13] durch die
Schweiz
[* 14] und
Schwaben nach
Salzburg zurück, wo Mozart
während der beiden folgenden Jahre seine Kompositionsstudien mit
Eifer fortsetzte und seinen
Geschmack namentlich an den Werken
Emanuel
Bachs,
Hasses und
Händels sowie der
ältern
Italiener bildete. Auf einer dann folgenden abermaligen Kunstreise nach
Wien komponierte er im Auftrag des
Kaisers
Joseph II.
seine erste komische
Oper: »La finte semplice« (1776), die jedoch nicht zur Aufführung
gelangte.
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Bemerkenswert ist noch aus dieser Zeit ein Tedeum, welches der junge Künstler zur Einweihung einer Kirche komponierte und persönlich dirigierte, sowie die zu Wien im Haus des musikliebenden Schuldirektors Mesmer aufgeführte Operette »Bastien und Bastienne«. 1769 ward er zum Konzertmeister am salzburgischen Hof ernannt. Anfang 1770 unternahm er mit seinem Vater eine Reise nach Italien, [* 16] wo er in Bologna, Rom und [* 17] Neapel [* 18] neue Triumphe feierte und in Rom eine glänzende Probe seines musikalischen Gedächtnisses ablegte, indem er das »Miserere« von Allegri nach einmaliger Anhörung am Mittwoch der Karwoche niederschrieb. In Mailand, [* 19] wo er gegen Ende Oktober 1770 anlangte, komponierte er die Oper »Mitridate«, welche schon 26. Dez. unter seiner Leitung über die Bühne ging und 20mal hintereinander aufgeführt wurde.
Weiter schrieb er für Mailand das Festspiel »Ascanio in Alba« [* 20] (1771) und kehrte dann, nachdem er noch Venedig [* 21] und Verona [* 22] besucht und die bedeutendsten Auszeichnungen, wie den päpstlichen Orden [* 23] des goldenen Sporns, denselben, dessen Besitz Gluck veranlaßt, sich »Ritter« zu nennen, und die Diplome der philharmonischen Akademien von Bologna und Verona, erhalten hatte, nach Salzburg zurück. Hier komponierte er zur Einführung des neuen Erzbischofs von Salzburg 1772 Metastasios Azione teatrale »Il sogno di Scipione« und begab sich im folgenden Jahr abermals nach Mailand, wo seine Oper »Lucio Silla« zur Aufführung kam.
Wieder nach Salzburg zurückgekehrt, vollendete er hier 1774 die komische Oper »La finta giardiniera« und die Festoper »Il re pastore«, denen sich im Lauf der folgenden Jahre noch verschiedene Kirchenkompositionen, die Musik zum Drama »Thamos« und die Operette »Zaide« anschlossen. Inzwischen hatte ihm der Mangel an künstlerischer Anregung und die geringschätzige Behandlung des Erzbischofs den Aufenthalt in Salzburg verleidet, und er begab sich 1777 wieder auf Reisen, doch blieben seine Anstrengungen, in München, in Mannheim [* 24] als Musiklehrer der fürstlichen Kinder oder in Paris eine Anstellung zu erhalten, erfolglos, und enttäuscht kehrte er im Januar 1779 nach Salzburg zurück.
Bald darauf zum Hof- und Domorganisten ernannt, wurde ihm auch die Freude zu teil, eine Oper für München schreiben zu dürfen;
es war der 1781 dort aufgeführte »Idomeneo«, mit welcher Oper Mozart
zum erstenmal von den Wegen der italienischen Oper abwich
und, im Anschluß an die französische Glucks, eine neue selbständige Richtung verfolgte. Noch in demselben
Jahr zwang ihn die Rücksichtslosigkeit seines Fürsten, der ihn auf einer Reise nach Wien wie den letzten seiner Domestiken
behandelte, seine Salzburger Stellung aufzugeben, und er siedelte nach Wien über, wo er sich im nächsten Jahr
mit Konstanze Weber, einer Schwester seiner ersten Jugendliebe, der Sängerin Aloysia Weber, später verehelichten Lange, vermählte.
Hier entstand, angeregt durch die von Joseph II. begründete nationale Opernbühne Mozarts
erste deutsche Oper: »Belmonte und
Konstanze, oder die Entführung aus dem Serail«, die zwar bei ihrer Aufführung 1783 vielen Beifall fand, vom
Kaiser jedoch nicht mit Unrecht als »zu schön für die Ohren der Zeitgenossen« bezeichnet wurde und dem Künstler keine weitern
Aufträge für die genannte Bühne einbrachte. Nicht viel mehr Glück machten seine 1786 aufgeführten Opern: »Der Schauspieldirektor«
und »Figaros Hochzeit«, und selbst sein Meisterwerk »Don Juan«, obwohl bei seiner ersten Aufführung 1787 in
Prag
[* 25] mit Jubel aufgenommen, hatte in Wien geraume
Zeit gegen die Intrigen der italienischen Sänger und die Gleichgültigkeit
des Publikums zu kämpfen, bis es seinem vollen Wert nach erkannt wurde. Im folgenden Jahr entstanden außer andern Instrumentalsachen
seine drei Meistersymphonien in Es dur, G moll und C dur (mit der Fuge). Im Dezember 1789 folgte das italienische
komische Singspiel »Così fan tutte«, das, zuerst aufgeführt, trotz
des schlechten Textes außerordentlich gefiel. In jene Zeit fällt Mozarts
Reise über Leipzig
[* 26] und Dresden
[* 27] nach Berlin.
[* 28]
Der König Friedrich Wilhelm II. von Preußen
[* 29] bot ihm die Stelle eines Kapellmeisters mit einem Jahrgehalt
von 3000 Thlr. an; aber Mozart
, wiewohl er zu Wien mit dem Titel eines kaiserlichen Kammerkomponisten eine Besoldung von nur 800 Gulden
bezog, antwortete ihm: »Kann ich meinen guten Kaiser verlassen?«. Letzterer eröffnete dem Künstler nach seiner Rückkehr zwar
die Aussicht, daß in Zukunft auf ihn Bedacht genommen werden solle; aber das bald darauf erfolgte Ableben
Josephs II. vernichtete jede Hoffnung Mozarts
auf eine Verbesserung seiner Lage. 1791 komponierte er für seinen in Schulden
geratenen Freund Schikaneder die Oper »Die Zauberflöte«, für die Krönungsfeierlichkeiten des Kaisers Leopold II. die Oper »La
clemenza di Tito« und sein »Requiem«, letzteres für die verstorbene Gräfin Walsegg, deren Gemahl es
bei Mozart
bestellt hatte und nach dessen Tod unvollendet abholen ließ (vollendet ward es von Süssmayer, Mozarts
Freund und Schüler).
Es war des Künstlers letzte Arbeit.
Noch in seinen Phantasien mit dieser Komposition beschäftigt, starb Mozart
im 36. Jahr seines Lebens.
Ein halbes Jahrhundert später, ward ihm zu Salzburg eine Erzstatue (von Schwanthaler) errichtet, und seit kurzem
bezeichnet auch ein allegorisches Denkmal seine (mutmaßliche) Grabstätte auf dem Wiener Friedhof St. Marx. Von den vorhandenen
Porträten Mozarts
sind das von Tischbein 1789 in Mainz
[* 30] gemalte und ein aus früherer Zeit stammendes, in
Buchsbaum geschnittenes Medaillon von Posch hervorzuheben. Letzteres befindet sich nebst einem Gesamtbild der Familie Mozart
(1780 von della Croce gemalt) im Mozarteum
zu Salzburg, einer 1842 zur Pflege der Musik gestifteten Anstalt, die zugleich die
Dokumente des Mozart
schen Familienarchivs und interessante Reliquien des Meisters bewahrt. - Der Witwe Mozarts
bewilligte Kaiser Leopold II. eine Pension von 260 Gulden. Sie verheiratete sich 1809 mit dem dänischen Etatsrat v. Nissen (dem
Biographen Mozarts, s. unten), ward 1826 zum zweitenmal Witwe und starb in Salzburg.
Mozarts Charakter als Mensch war von einer fast sprichwörtlich gewordenen Gutherzigkeit und Naivität. Hilfreich gegen alle Welt, neidlos gegenüber seinen vom Glück begünstigten Kunstgenossen, hatte er seinen eignen Vorteil so wenig im Auge, [* 31] daß er Zeit seines Lebens mit Mangel kämpfen mußte. Dabei war er von einer unglaublichen Arbeitskraft, besonders in seinen letzten Lebensjahren. Er hat im ganzen 626 Werke hinterlassen, darunter 20 Messen etc., 8 Litaneien und Vespern, 40 Offertorien, Hymnen und andre geistliche Gesangstücke, 17 Orgelsonaten, 10 Kantaten mit Orgelbegleitung, 23 Opern, über 100 Arien und Lieder mit Orchester- und Klavierbegleitung, 23 Kanons für 2-12 Stimmen, 22 Klaviersonaten, über 50 andre Klavierstücke, 45 Sonaten für Klavier und Violine, 11 Trios, Quartette etc. mit Klavier, 48 Kammermusikstücke für Streichinstrumente, 49 Symphonien, gegen ¶
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100 kleinere Werke für Orchester und 55 Konzerte. Eine solche Fruchtbarkeit in einem so kurzen Leben, von welchem die Reisen zwei Drittel in Anspruch genommen, ist um so bewunderungswürdiger, als auch übrigens durch seine Kapellmeisterpflichten und Lektionen so vielfach vom Komponieren abgezogen wurde, daß er meist nur die frühen Morgenstunden oder die Nacht dazu verwenden konnte.
Mozart hat sich, wie wir sahen, in allen Gattungen der musikalischen Komposition bethätigt und überall Ausgezeichnetes geleistet. Am größten aber und wahrhaft epochemachend ist seine Bedeutung auf dem Gebiet der Oper, die durch ihn vermöge der reichen Innerlichkeit, welche einen Grundzug seines Wesens bildete, eine Stufe der Vollendung erreichte, auf welcher sie sowohl die der Italiener als auch die durch Gluck veredelte große Oper der Franzosen hinter sich zurückließ.
Das erste Werk, in welchem seine kunsthistorische Bedeutung als dramatischer Komponist offenbar wird, ist der »Idomeneo«. Die vor diesem entstandenen, oben genannten Opern und Festspiele, selbst die in Hinsicht auf Instrumentation und dramatischen Ausdruck reifere »Finta giardiniera«, sind durchaus in den herkömmlichen Formen gehalten und haben weder an sich noch für uns eine höhere Bedeutung, wiewohl die in ihnen sich offenbarende musikalische Gestaltungskraft stets zu bewundern bleibt.
Auch »Idomeneo« (»Idomeneo, re di Creta ossia Ilia e Idamante«) steht im ganzen noch auf dem Boden der altitalienischen Opera seria, wie schon die große Zahl der Arien andeutet sowie der Umstand, daß die Rolle des Idamante einem Kastraten bestimmt war. Aber trotz aller der bloßen Gesangsvirtuosität gemachten Zugeständnisse und neben der in der Behandlung der Recitative ersichtlichen Nachahmung der Gluckschen Muster tritt Mozarts Genius in den großartigen Chören und noch mehr in der für jene Zeit unerhört kühnen und durch feinste Charakteristik ausgezeichneten Instrumentierung bereits mächtig hervor.
Erscheint Mozart in dieser wie auch in seinen beiden letzten italienischen Opern, »Così fan tutte« und »Titus«, noch vielfach von italienischen Vorbildern abhängig, so sehen wir ihn in allen seinen übrigen dramatischen Schöpfungen durchaus neue Gebiete erobern und mit jeder folgenden ein Muster der Gattung aufstellen. Die »Entführung aus dem Serail«, welche zunächst folgt, ist größernteils in der Weise und nach dem Maß des damaligen Singspiels angelegt, aber bedeutsam durch vielfach reichere Ausführung, treffende Charakteristik und Innigkeit des Ausdrucks, an welcher vielleicht die gehobene Stimmung des Komponisten, welcher eben damals glücklicher Bräutigam war, einigen Anteil gehabt hat.
Zugleich aber stellte Mozart gerade hier der Schilderung zarter und treuer Liebesgefühle die heiterste Laune und (im Osmin) eine von ihm selbst kaum wieder erreichte Komik entgegen, welche mit der Sentimentalität der Hauptfiguren aufs glücklichste kontrastiert. Noch bewunderungswürdiger erscheint er in seiner nächsten Oper, der nach Beaumarchais' gleichnamigem Lustspiel von Da Ponte bearbeiteten »Hochzeit des Figaro« (»Le [* 33] nozze di Figaro«). Die schwierige Aufgabe, den eleganten Konversationsstil des französischen Lustspiels in die natürliche Sprache [* 34] des Gefühls zu übersetzen, hat Mozart hier wie spielend bewältigt. Er vermochte die kalte Ironie und Satire und selbst die stellenweise nackte Frivolität der Dichtung durch die naive Anmut seiner Musik zu verdecken und die Unsittlichkeit des Stoffes aufzuheben, indem er als Grundmotiv des unaufhörlichen Intrigenspiels die echte Liebe darstellte, die er mit durchdringender Herzenskenntnis in allen denkbaren Beziehungen schildert und wie im Feuer der Leidenschaft erprobt aus allen Verwickelungen siegreich hervorgehen läßt.
Die höchste Stufe aber erreicht Mozart mit seinem »Don Juan« (»Il dissoluto punito, o il Don Giovanni«). Indem er hier die Lieblichkeit und Anmut der italienischen Melodik mit dem großartigen Pathos der Gluckschen französischen Oper, den Fluß und die wirkungsvolle Behandlung des vokalen Teils mit einem bis dahin unbekannten Reichtum und Glanz des Orchesters vereint, indem er ferner die Charaktere, sowohl die tragischen als die komischen, unter steter Mitwirkung der Instrumente mit höchster Schärfe und vollendeter Naturwahrheit zeichnet und diese wichtigste Aufgabe des dramatischen Komponisten selbst dann keinen Augenblick vernachlässigt, wenn er, seinem spezifisch musikalischen Genius folgend, die wunderbarsten kontrapunktischen Gebilde gestaltet, hat er ein musikalisch-dramatisches Meisterwerk geschaffen, welches alles vor seiner Zeit auf diesem Gebiet Entstandene hinter sich zurückließ und der deutschen Tonkunst einen entscheidenden Sieg über die fremdländische errang.
»Für alle Situationen und Erscheinungen«, sagt v. Dommer (»Geschichte der Musik«, S. 552),
»von den Schrecken der Geisterwelt und den drohenden Verkündigungen des Gerichts bis zu den wonnevollen Schauern der Sommernacht, weiß er seine Farbentöne auf das wunderbar treffendste zu stimmen. Und in welchen Regionen des Tragischen und Leidenschaftlichen oder des Komischen und Anmutigen, des grauenvoll Dämonischen oder der lichten Seelenheiterkeit er sich auch bewegen möge: die Grenzlinie des Schönen und Naturgemäßen hat er niemals überschritten; sein feines und unfehlbares Kunstgefühl ließ sich gar nicht nahekommen, was die Wahrheit und Reinheit seiner Gestaltungen irgendwie hätte trüben können. Solchen eminenten Gaben gegenüber kann man aber schließlich um so weniger den Wunsch unterdrücken, ihr glücklicher Besitzer möge häufiger dem Edlen und Erhabenen sich zugewendet haben. In dieser Beziehung stand er nicht über seiner Zeit; ein Zuchtmeister und Sittenlehrer, wie es Händel und Gluck gewesen, konnte er ihr nicht werden. Er starb zu jung, um erkannt zu haben, daß die Kunst nicht bloß durch ihre Vollkommenheit in sich auf Zeitgenossen und Nachkommen wirken soll, sondern auch durch die Größe und Hoheit ihrer Ideale und der darin verkörperten Lebensanschauungen. Die Texte der bedeutendsten Opern Mozarts sind zum großen Teil trivial und frivol; selbst der 'Don Juan', rein kunstmäßig eins der größten Meisterwerke, welche jemals geschrieben sind, hat den ausschweifenden Wüstling zum Helden, der, wenn wir ihn als Personifikation der den sinnlichen Lüsten anheimgefallenen und durch sie vernichteten sittlichen Schwäche fassen, zwar eine furchtbare Wahrheit und Bedeutung gewinnt, als Objekt der Kunstdarstellung aber wenigstens des Genius eines Mozart bedarf, um nicht widerwärtig zu werden.« Dieselbe Leichtlebigkeit, um nicht zu sagen derselbe Leichtsinn der ethischen Seite seiner Kunst gegenüber erklärt es, daß Mozart nach Vollendung des »Don Juan« seine schöpferische Kraft [* 35] auf Stoffe verwenden konnte wie die geistlose Opera buffa des Da Ponte: »Così fan tutte, ossia la scuola degli amanti«, wie Metastasios frostige Galaoper »La clemenza di Tito«, an denen die Hand [* 36] selbst des größten Meisters erlahmen mußte, oder wie die dem Geschmack eines vorstädtischen Theaterpublikums huldigende Zauberposse Schikaneders: »Die Zauberflöte«. Aber gerade im ¶
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Mozart,
Joh. Chrysostomus Wolfgang Theophilus, genannt Wolfgang Amadeus, Komponist, geb. zu Salzburg, wo sein Vater, Leopold Mozart (geb. zu Augsburg, gest. in Salzburg), ein bedeutender, besonders durch seine «Violinschule» (Augsb. 1756 u.ö.) allgemein bekannter Künstler, Vicekapellmeister war. Schon im vierten Jahre offenbarten sich M.s außerordentliche Anlagen für Musik. Als er 6 J. alt war, führte ihn der Vater mit seiner Schwester Maria Anna (genannt Nannerl, geb. seit 1784 verheiratet mit dem Hofrat Baron von Berchthold zu Sonnenberg, gest. in Salzburg), welche ebenfalls ein hervorragendes Talent besaß, nach München und Wien, wo bei Hofe und in der vornehmen Welt die pianistische Virtuosität des Knaben Bewunderung fand.
Nach seiner Heimkehr lernte er sehr rasch auch Violine und Orgel spielen und verstand auch eigene Gesangskompositionen angemessen vorzutragen. Im J. 1763 trat der Vater mit beiden Kindern eine Kunstreise an, welche sie durch die Hauptorte Süddeutschlands nach Paris, 1764 nach London, im folgenden Jahre nach Holland führte, von wo sie über Paris und durch die Schweiz gegen Ende 1766 nach Salzburg zurückkehrten. Schon während dieser ersten Reise hatte Mozart drei Hefte Klaviersonaten drucken lassen und führte in seinen Konzerten, abgesehen von den Improvisationen, welche die größte Bewunderung hervorriefen, nur eigene Kompositionen für Orchester und Gesang auf. In Salzburg nahm der Vater den Sohn in eine strenge Schule, von deren Erfolgen zwei größere geistliche Kantaten und eine lateinische, für eine akademische Feierlichkeit bestimmte Oper, «Apollo et Hyacinthus», Zeugnis ablegten. Gegen Ende 1767 ging Leopold Mozart mit den Kindern wieder nach Wien, wo eine deutsche Operette «Bastien und Bastienne», eine Messe und anderes von Mozart aufgeführt wurden. ¶
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Nachdem das J. 1769 in Salzburg, wo Wolfgang Mozart zum Konzertmeister ernannt wurde, in ernsthaften Studien hingebracht war, trat der Vater mit seinem Sohn eine Reise nach Italien an. Sie führte mit einem längern Aufenthalt in allen Hauptorten bis nach Neapel und war eine ununterbrochene Kette von Triumphen für den jugendlichen Virtuosen auf dem Klavier, auf der Orgel und Violine und im Gesang, wie für den Komponisten, der sich für die verschiedensten Aufgaben allezeit gerüstet erwies.
Äußere Ehren blieben nicht aus. Wichtiger war der Auftrag, die Oper «Mitridate» zu schreiben, die im Dez. 1770 in Mailand mit Beifall aufgeführt wurde. Hierauf folgte das Festspiel «Ascanio in Alba» im Auftrag der Kaiserin Maria Theresia zur Vermählung des Erzherzogs Ferdinand in Mailand 1771, die Serenade «Il sogno di Scipione» zur Einführung des Erzbischofs Hieronymus 1772 in Salzburg, die Oper «Lucio Silla», im Winter 1773 in Mailand mit Beifall aufgeführt. Daran schlossen sich die komische Oper «La finta giardiniera», 1775 in München, und die Serenade «Il re pastore», 1775 in Salzburg aufgeführt.
Während sich Mozart so auf dem Gebiete der ital. Oper, welcher im wesentlichen auch das Oratorium «La Betulia liberata» angehört, vollkommen heimisch machte, bot ihm seine Stellung in Salzburg zugleich Veranlassung, sich auch nach andern Seiten hin als Komponist zu entwickeln. Sechzehn Messen, vier große Litaneien, eine ausgeführte Vesper und eine große Zahl von Offertorien u. dgl. bezeugen, in welchem Grade sich Mozart der Kirchenmusik sowohl in ihren strengern als den damals vorherrschend freiern Formen bemächtigt hatte. Auch in den verschiedensten Gattungen der Instrumentalmusik bewährte er eine staunenswerte Fruchtbarkeit. Gegen 40 Sinfonien, zahlreiche Serenaden, Divertimenti, Kassationen und andere Formen der Orchestermusik stehen an der Spitze einer Reihe von Werken der Kammermusik.
Die unwürdige Behandlung, welche Mozart von seiten des Erzbischofs Hieronymus erfuhr, bestimmte ihn im Sept. 1777 seinen Abschied zu nehmen und auswärts sein Glück zu suchen. Der Aufenthalt in München, Mannheim (wo Karl Theodor mit vortrefflichen Kräften eine deutsche Oper zu begründen suchte) und in Paris erweiterte zwar seinen künstlerischen Blick, brachte ihn aber nicht dauernd in einen anderweitigen Wirkungskreis, so daß er nach dem in Paris erfolgten Tode der ihn begleitenden Mutter wieder, wenn auch ungern, in die frühere Stellung als Konzertmeister nach Salzburg zurückkehrte.
Seine größere Reife offenbart sich in den mannigfaltigen Kompositionen für Kirche und Orchester, die während der Reise und nach seiner Rückkehr in Salzburg entstanden, sowie in den Chören und Zwischenakten zu «König Thamos» und der nicht vollendeten deutschen Oper «Zaïde», vor allem aber in der Oper «Idomeneo», die im Jan. 1781 in München aufgeführt wurde. Elemente der ital. Opera seria sind hier unter dem belebenden Einfluß der durch Gluck angebahnten dramat. Reformation ihrer Vollendung entgegengeführt. Der Ernst der Auffassung, die Kraft der Erfindung, die Sorgfalt der Durchführung macht diese Oper zu einem Meisterwerk, obgleich es noch unter dem Gesetze einer fremden Form steht.
Im J. 1781 gab Mozart seine Salzburger Stellung auf und ließ sich in Wien nieder, wo er sich 1782 mit Konstanze Weber verheiratete. Der Kaiser Joseph ernannte ihn 1787 zum Kammermusikus mit 800 Fl. Gehalt. Da auch M.s Kompositionen trotz alles Beifalls und ihrer großen Verbreitung nur geringen Ertrag brachten, so war er auf die Einnahmen von Konzerten und Unterrichtsstunden angewiesen, so daß sein Hausstand ihn, den zur Sparsamkeit wenig Geeigneten, fast immer in Sorgen hielt.
M.s Ansehen in Wien gründete sich zunächst auf seine Meisterschaft im Klavierspiel, die er auf zwei Kunstreisen nach Berlin (1789) und Frankfurt [* 38] (1790) auch über Wien hinaus zu glänzender Anerkennung brachte. Er galt unbestritten als der erste Komponist und auch als einer der ersten Virtuosen für dieses Instrument. In 27 Konzerten für Klavier und Orchester sowie in einer langen Reihe Kompositionen mit und ohne Begleitung für Klavier ist hauptsächlich der Grund für die Entwicklung des modernen Klavierspiels in Gestalt, Form und Technik gelegt worden.
Namentlich die Konzerte sind nicht allein durch die Behandlung des Orchesters, sondern durch den Reichtum und die Originalität der Erfindung ein unversiegbarer Schatz musikalischer Schönheit. Seine Konzerte boten ihm zunächst auch die Veranlassung, die Orchestermusik in seinen Sinfonien weniger nach der Seite der Form als des Inhalts auf eine neue Stufe zu erheben. Auch in den verschiedenen Arten der Kammermusik, namentlich in den Quartetten und Quintetten, ist Mozart auf der von Haydn eingeschlagenen Bahn in eigentümlicher Weise fortgeschritten.
Die höchste Bedeutung aber gewann er in Wien als dramat. Komponist. Kaiser Joseph, der den Versuch machte, neben dem deutschen Schauspiel auch eine deutsche Oper zu begründen, gab ihm den Auftrag, «Die Entführung aus dem Serail» zu komponieren, welche, Juli 1782 mit großem Beifall aufgenommen, M.s Namen rasch über ganz Deutschland [* 39] trug. Es war die erste und blieb damals auch die einzige deutsche Oper, welche über die engen Grenzen [* 40] des bisherigen Singspiels hinaus alle Mittel der ausgebildeten Kunst des Gesangs und Orchesters für die dramat.-musikalische Darstellung verwendete.
Der eigentliche Liebling des Kaisers war die ital. Opera buffa. In dieser gelang es Mozart 1786 mit «Le nozze di Figaro» («Die Hochzeit des Figaro») festen Fuß zu fassen, welche Oper in einer trefflichen Aufführung glänzenden Erfolg hatte. Mozart verstand es, dem geistreichen Intriguenspiel der franz. Komödie von Beaumarchais Seele und Gemüt einzuhauchen und das Ganze in eine höhere, wahrhaft poet. Atmosphäre zu heben, welche die Bedingung wurde für eine musikalische Darstellung, in welcher heitere Beweglichkeit, leichte Grazie und tiefe Empfindung aufs wunderbarste verschmolzen sind.
Der Enthusiasmus, mit welchem diese Oper in Prag aufgenommen wurde, veranlaßte den Direktor Bondini, bei Mozart den «Don Giovanni» («Don Juan») zu bestellen, der im Okt. 1787 in Prag aufgeführt wurde und von vielen für M.s Meisterwerk gehalten wird. Das alte span. Fastnachtsspiel bot nicht allein für die Darstellung mannigfacher Leidenschaften, sondern der Kontraste des ausgelassenen Humors und der Schauer des Geisterreichs ein weites Gebiet. Die nächste Oper «Così fan tutte», 1790 in Wien aufgeführt, war der ganzen Anlage des Librettos nach in Handlung und Charakteristik der herkömmlichen Opera buffa um vieles näher gerückt; sie ragt hervor durch Schönheit der Musik, Vollendung ¶
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der Form und Wohllaut der Klangwirkungen. Zur Krönung des Kaisers Leopold in Prag 1791 schrieb Mozart im Auftrag der Stände die Festoper «La clemenza di Tito», Text von Metastasio, aus welchem eine glänzende Gelegenheitskomposition machte. Schon vorher hatte Mozart für den Theaterdirektor Schikaneder eine von diesem verfaßte Zauberoper, der ein bekanntes Märchen zu Grunde lag, «Die Zauberflöte», begonnen, welcher durch einen Zusatz freimaurerischer Tendenzen ein tieferer Gehalt gegeben war.
Mozart, ein eifriger Freimaurer, faßte diese Seite mit großem Ernst auf und wußte dem Ganzen einen feierlich ernsten Hintergrund zu geben, auf dem die Züge lustiger Heiterkeit wirksam hervortreten. Die «Zauberflöte» ist eine wesentlich deutsche Oper und fand als solche einen bis dahin unerhörten Beifall. M.s letztes Werk war das «Requiem» (vgl. J. E. Engl, Festschrift zur Mozartcentenarfeier, Salzb. 1891); ehe er es ganz vollendet hatte, warf ihn eine heftige Krankheit aufs Lager, [* 42] der er erlag.
Auf allen Gebieten der Musik hat Mozart Meisterwerke hinterlassen, die durch die vollendete Harmonie zwischen Form und Inhalt zu den schönsten Denkmälern aller Kunst gehören. Ihm war Musik der natürliche Ausdruck des Fühlens und Denkens und die Anmut und Liebenswürdigkeit seiner Seele vermochten auch die trübsten Stunden nicht zu verdunkeln. Nach Seite der Fachbildung wesentlich auf ital. Grundlagen gestützt, faßte er doch alle bedeutenden Züge der damaligen Schulen zusammen und erscheint als letzter glänzender Vertreter des 18. Jahrh., namentlich in der Oper. In der geistigen Richtung seiner unverwüstlich reichen Individualität kündet sich aber bereits eine neue Zeit an; diese Seite spricht am stärksten aus M.s Instrumentalmusik, besonders aus den Sinfonien.
Nissens Biographie M.s (Lpz. 1828) bot zuerst ein reichhaltiges authentisches Material, welches Holmes «Life of Mozart» (Lond. 1845) zweckmäßig verarbeitete. Eine begeisterte Charakteristik gab Ulibischeff in «Nouvelle biographie de Mozart» (3 Bde., Mosk. 1843; deutsch Stuttg. 1847; 2. Aufl., von Gantter, 4 Bde., 1858-59). Auf umfassendes Quellenstudium begründet ist Otto Jahns «Wolfgang Amadeus Mozart» (4 Bde., Lpz. 1856-59; 3. Aufl., bearbeitet von H. Deiters, 2 Tle., 1889-91). -
Vgl. auch Reißmann, Wolfgang Amadeus Mozart (im «Neuen Plutarch», Bd. 8, Lpz. 1880);
Nohl, Mozart nach den Schilderungen seiner Zeitgenossen (ebd. 1880);
Rudolf Freiherr von Procházka, in Prag (Prag 1892).
M.s Briefe sind gesammelt von Nohl (Salzb. 1865; 2. Aufl., Lpz. 1877),
der auch M.s Leben (2. Aufl., Lpz. 1877) beschrieb. Weitere Briefe sowie Mitteilungen der Witwe und Schwester M.s veröffentlichte Nottebohm in «Mozartiana» (Lpz. 1880). Einen ausführlichen Katalog seiner Werke bietet Köchels «Chronologisch-thematisches Verzeichnis sämtlicher Tonwerke M.s» (Lpz. 1862; Nachtrag 1889). Auch das Zustandekommen der im Dez. 1876 begonnenen ersten vollständigen Ausgabe von M.s Werken, die Breitkopf & Härtel in Leipzig veranstalten, ist zum Teil Köchels Verdienst. (Vgl. auch S. Bagge, Die Sinfonien M.s, Lpz. 1886; Karl Reinecke, Zur Wiederbelebung der Mozartschen Klavierkonzerte, ebd. 1891.) - Zu Ehren M.s wurden eine Anzahl Mozart-Stiftungen (zu Salzburg, Frankfurt a. M. u. s. w.) ins Leben gerufen.
Ein 1892 in Düsseldorf [* 43] gegründeter Mozart-Verein unterstützt das Mozarteum in Salzburg, das die Aufgabe hat, die öffentliche Schule Mozarteum zu erhalten, periodische Musikfeste zu veranstalten und die Herstellung eines Mozarthauses und Mozartarchivs anzustreben. Von den vielen Bildnissen M.s ist das vom Maler Tischbein aus Mainz 1778 gefertigte dem Original am ähnlichsten. Denkmäler wurden Mozart gesetzt in Weimar [* 44] (1799) und Salzburg (von Schwanthaler, 1842); in Wien wurde sein Marmorstandbild (von Tilgner) enthüllt.
M.s Gattin Konstanze, geborene Weber, vermählte sich 1809 mit dem dän. Etatsrat Georg Nikolaus von Nissen, dem Verfasser der ersten Biographie M.s, wurde abermals Witwe und starb - Karl Mozart, der älteste Sohn Wolfgang M.s, geb. 1784, starb als Steuerbeamter in Mailand. - Wolfgang Amadeus Mozart, dessen Bruder, geb. wurde von Neukomm und Albrechtsberger unterrichtet, war 1813-38 Musiklehrer in Lemberg, [* 45] dann in Wien und starb in Karlsbad. Er veröffentlichte mehrere gediegene Kompositionen.