Mōtor
im Maschinenwesen im
Gegensatz zu
Arbeitsmaschine eine Vorrichtung, mittels welcher eine bewegende
Kraft
[* 3] veranlaßt werden kann, sich in mechanischer
Arbeit zu äußern
(Kraftmaschine,
Rezeptor), daneben
aber auch diese bewegende oder motor
ische
Kraft selbst. Man nennt also z. B. sowohl die
Dampfmaschine
[* 4] als den
Dampf
[* 5] einen Motor.
Im
folgenden soll unter Motor
immer eine mechanische Vorrichtung verstanden werden. Man kann unter den
Motoren solche, welche direkt
von einer Naturkraft betrieben werden
(Motoren im engern
Sinn,
Motoren erster
Ordnung, primäre
Motoren), von andern unterscheiden,
deren Triebkraft erst mit
Hilfe eines andern Motors
rege gemacht werden muß
(Motoren im weitern
Sinn,
Motoren zweiter
Ordnung,
sekundäre
Motoren).
Motoren im engern Sinn sind die Maschinen zur Aufnahme der Muskelkräfte der Menschen und Tiere (Hebel, [* 6] Kurbel, [* 7] Haspel, Göpel, [* 8] Tretscheibe, Tretmühle etc.);
die durch die Kraft des strömenden oder langsam niedersinkenden Wassers getriebenen Wasser- oder hydraulischen Motoren: Wasserräder, [* 9] Turbinen und Wassersäulenmaschinen; [* 10]
die den Druck der bewegten Luft ausnutzenden Windräder;
ferner die
Dampfmaschinen,
[* 11] welche den
Druck von gespanntem Wasserdampf nutzbar machen, sowie die
andern kalorischen
Maschinen: die
Heißluftmaschinen,
[* 12] welche die
Spannkraft erhitzter
Luft, die
Feuerluftmaschinen, welche diejenige
von Verbrennungsgasen motorisch
verwerten, die
Gaskraftmaschinen
[* 13] (durch den
Druck sich entzündender
Gase
[* 14] betrieben),
die
Petroleumkraftmaschinen
(durch die Verbrennungsgase von fein zerstäubtem
Petroleum in
Gang
[* 15] erhalten).
Als Motoren zweiter Ordnung sind anzusehen die Elektromotoren oder dynamoelektrischen Kraftmaschinen, insofern die zu ihrem Betrieb erforderliche elektromagnetische Kraft erst durch Vermittelung von Wasser-, Dampf- oder Gasmotoren erregt wird;
die durch flüssige
Kohlensäure getriebenen Kohlensäuremotoren
,
da die gewöhnlich luftförmige
Kohlensäure vorher erst durch
Verdichtung flüssig gemacht werden muß;
die Maschinen, welche die Spannkraft komprimierter Luft oder den Druck künstlicher hoher Wassersäulen in mechanische Arbeit umsetzen, da die Luft vorher komprimiert, der Wasserdruck erst vorher erzeugt werden muß;
ferner die Uhren [* 16] und Federmotoren, welche ja erst dadurch Betriebskraft erhalten, daß sie aufgezogen werden.
Motoren im weitern
Sinne nennt man auch wohl die Teile von
Arbeitsmaschinen, welche die Betriebskraft von irgend einem Motor
empfangen, z. B.
die
Riemenscheiben der
Drehbänke,
Hobelmaschinen,
[* 17]
Webstühle
[* 18] etc. In demselben
Sinn bezeichnet man auch die Schaufelräder oder
Schrauben
[* 19] der
Dampfschiffe als
Motoren. Zuweilen ist ein Motor
mit einer
Arbeitsmaschine so eng verwachsen, daß sich gar nicht
bestimmen läßt, was davon Motor
, was
Arbeitsmaschine ist. Das ist z. B. der
Fall bei den
Pulsometern, deren
Kammern zugleich als Dampfcylinder und als
Pumpen
[* 20] fungieren; ähnlich bei den
Strahlapparaten und dem hydraulischen
Widder.
Die motorischen Kräfte teilt man ein in animalische (Muskelkräfte der Menschen und Tiere) und in Elementarkräfte (Wasser-, Wind-, Dampfkraft etc.). Bei genauer Betrachtung zeigt sich, daß sie sich fast alle auf die Wärme [* 21] oder in letzter Linie auf die Massenanziehung zurückführen lassen, aber nicht alle direkten oder indirekten, durch die Wärme oder die Massenanziehung begründeten Kräfte werden motorisch benutzt; so wird die Sonnenwärme, der Druck von sich entwickelnden Gasen, die Wellenbewegung [* 22] des Meers, die Erscheinung von Ebbe u. Flut etc. gar nicht oder nur ausnahmsweise zur Arbeitsleistung gezwungen und zwar teils aus ökonomischen Gründen, teils darum, weil dazu geeignete Maschinen (»Motoren«) noch nicht erfunden worden sind (vgl. Sonnenmaschine).
Bei der Wahl der motorischen Kräfte ist nämlich sowohl die ökonomische Frage als der Standpunkt der heutigen Vollendung der Konstruktion des Motors maßgebend. Wenn auch die motorische Kraft des Menschen im allgemeinen die teuerste von allen ist, besonders wo es sich um größere Kraftleistungen handelt, so wird sie doch nie entbehrlich sein, besonders weil zu vielen Arbeiten außer der motorischen Kraft auch menschliche Überlegung gehört. Die Tierkraft ist gleichfalls teuer, jedoch als Zugkraft für Fuhrwerke auf ungeschienten Straßen sowie als bewegende Kraft landwirtschaftlicher Maschinen für kleinen und mittlern Betrieb unersetzlich. Am billigsten bieten uns die hydraulischen Motoren ihren Dienst, denn die Kraft des fallenden Wassers ist ein Naturgeschenk, welches sich ohne unser Zuthun erneut, freilich in der trocknen Jahreszeit auch oft ausbleibt. Deshalb findet man neben Wassermotoren noch Dampfmaschinen zur Reserve aufgestellt. Windräder sind noch mehr von den Launen des Klimas abhängig und können auch nicht leicht sehr beträchtliche Effekte erzeugen. Gänzlich unabhängig aber von den Änderungen der Witterung ist die Dampfmaschine, welche noch dazu ¶
mehr
infolge der angewandten hohen Spannungen bei verhältnismäßig kleinen Dimensionen zur Hervorbringung der größten notwendig werdenden Wirkungen fähig ist, ja um so billiger im Betrieb wird, auf je größere Leistungen sie bemessen ist. Dieser letztere Umstand gerade hat der Großindustrie ihr Übergewicht über das Handwerk und die Kleinindustrie gegeben, welche sich mit ökonomisch ungünstiger arbeitenden kleinern Dampfmaschinen oder Heißluft-, Feuerluft-, Gaskraft oder Petroleumkraftmaschinen behelfen muß.
Wenn nun auch diese Kleinkraftmaschinen oder Kleinmotoren sehr weitgehende Verbesserungen erfahren haben, so sind sie doch noch lange nicht konkurrenzfähig mit der Dampfmaschine der Großbetriebe. Indessen verspricht man sich von der Einführung eines billigen Heizgases (Wassergas), [* 24] welches nach Art des Leuchtgases von Zentralerzeugungsquellen aus durch Rohrnetze verteilt wird, eine ganz bedeutende Herabsetzung der Betriebskosten der Gasmotoren. Eine Verbilligung der Triebkraft für das Kleingewerbe hat man aber auch durch Kraftteilung oder Kraftvermietung zu erreichen gesucht, indem man von einer großen Kraftquelle aus durch Röhren, [* 25] Seiltriebe, Wellen- oder elektrische Leitungen nach mehreren Orten hin Arbeit abgab. Hierbei werden jedenfalls in Zukunft die elektrischen Motoren eine große Rolle zu spielen berufen sein. Die durch komprimierte Luft betriebenen Motoren gelangen hauptsächlich an Orten zur Anwendung, welche nur unvorteilhaft mit einer Dampfzuleitung versehen werden können und welche durch die verbrauchte Luft zugleich etwas ventiliert werden, also vor allem bei Bergwerken und Tunnelbauten. - Die ersten Versuche, Tierkräfte motorisch nutzbar zu machen, und die ersten Anfänge der Heranziehung der Wasserkraft zu mechanischer Arbeit (chinesische Schöpfräder) fallen in die vorgeschichtliche Zeit.
Über die Motoren für Menschen-, Tier- und Wasserkraft kam der Erfindungsgeist lange nicht hinaus. Nur von diesen wird uns aus dem ganzen geschichtlichen Altertum und dem Mittelalter Kunde, und wenn auch die alten Griechen und Römer [* 26] den Dampf zu mechanischen Spielereien (Heronsball, [* 27] Äolipile [* 28] etc.) zu benutzen wußten, so hatten sie doch nicht im entferntesten eine Vorstellung von der großartigen Steigerung, deren die motorische Wirkung des Dampfes fähig ist.
Erst die Erweiterung der physikalischen Kenntnisse im 16. und 17. Jahrh. ermöglichte die Erfindung der Dampfmaschine, daneben auch eine bedeutende Verbesserung der Wassermotoren. In unserm Jahrhundert folgte die Erfindung der Heißluft-, Feuerluft- u. Gaskraftmaschinen. Die Verwendung elektrodynamischer Kraftmaschinen datiert erst von der Entdeckung des dynamoelektrischen Prinzips und ist noch wenig verbreitet.
Vgl. Grashof, Theorie der Kraftmaschinen (Hamb. 1886), und die Litteratur bei den einzelnen Artikeln (Dampfmaschine etc.), über die Kraftmaschinen des Kleingewerbes die Werke von Musil (2. Aufl., Braunschw. 1883), Bork (Berl. 1880), Knoke (das. 1887).