Die
Pferdezucht
[* 9] (berühmt sind die
Stutereien von Wojeikow, Tscherkassow, Golochwastow,
Scheremetjew etc.) ist etwas zurückgegangen.
In industrieller Hinsicht nimmt Moskau
[* 10] den ersten Platz unter allen
Gouvernements der
Monarchie ein. Der Produktionswert
sämtlicher 653 Etablissements beträgt annähernd 196 Mill.
Rubel. In erster
Linie steht die Fabrikation in
Baumwolle
[* 11] (1884
gab es 25 Spinnereien und 342
Webereien mit einer
Produktion für 52 Mill.
Rub.) und
Wolle (32 Spinnereien, 48 Tuchfabriken und 169
Fabriken
für
Wollen- und gemischte
Gewebe,
[* 12] mit einer Jahresproduktion von 43 Mill.
Rub.). In beiden
Branchen werden
vorherrschend billige
Stoffe verfertigt.
(russ.
Moßkwa, franz. Moscou, engl. Moscow), die alte und erste
Hauptstadt des russischen
Reichs und zweite kaiserliche
Residenz, liegt im gleichnamigen
Gouvernement, an der
Moßkwa, in welche
hier die Jăūsa mündet, 142 m ü. M., unter 55° 45' nördl.
Br. und 37° 37' östl. L. v. Gr., bedeckt ein
Areal von 71,42 qkm und besteht aus vier Hauptteilen: dem
Kreml und dem ehemals sogenannten Kitai
Gorod (»Chinesenstadt«),
Bjelgorod (»weiße Stadt«) und Semljänoi
Gorod (»Erdstadt«),
welchen sich nach allen
Richtungen hin weit ausgedehnte, ehemalige Vorstädte anschließen. Der
Kreml war und
ist auch jetzt
noch für Moskau, was das
Kapitol für
Rom
[* 16] war; in ihm gipfeln alle
Reminiszenzen der Vergangenheit. Für den
rechtgläubigen
Russenist er, wie
Kiew,
[* 17] ein heiliger Wallfahrtsort, zu dessen
Reliquien jährlich
Tausende von
Frommen aus dem
weiten
Reich pilgern. Durch seine hohen, zinnengekrönten und turmgeschmückten
Mauern führen fünf
Thore (darunter das Erlöserthor,
»Spaskija Warota«, mit einem wunderthätigen Heiligenbild, vor dem auch
jeder
Fremde das
Haupt entblößen muß) ins
Innere, welches von kirchlichen Bauten,
Palästen, Staatsgebäuden
und großen
Plätzen bedeckt ist.
Die bemerkenswertesten Gebäude sind: Der Usspenski Sabor (die Mariä-Himmelfahrtskathedrale), 1326 unter
Johann Kalita aus
Holz
[* 18] erbaut, 1475-79 vom
Baumeister Fioravante aus
Bologna von neuem in
Stein aufgeführt, halb in byzantinischem, halb in
tatarischem
Stil. Sie birgt ebenso wie die folgenden
Kirchen eine
MengeReliquien, ist mit alten Fresken, mit von
Edelsteinen
bedeckten
Heiligenbildern,
Mosaiken und verschiedenen Kostbarkeiten überfüllt und dient seit ihrem Bestehen als Krönungskirche
der russischen
Zaren sowie als Grabstätte der
Metropoliten von Moskau. Ihr gegenüber steht der Archangelski Sabor
(Kathedrale
des
ErzengelsMichael), 1333 errichtet, 1505 von dem
Mailänder A.
Novi umgebaut, mit den
Gräbern der russischen
Zaren von
Johann
Kalita bis
Johann Alexejewitsch (gest. 1696), dem
BruderPeters d. Gr. Den höchsten
Punkt des
Kremls krönt der Blagowjeschtschenski
Sabor
(Kathedrale der
VerkündigungMaria), 1489 erbaut, nach einem
Brand 1554 neugebaut, mit neun
Kuppeln.
von dessen
Spitze man eine prachtvolle
Aussicht über die Stadt genießt. Am
Fuß des
IwanWeliki steht die berühmte, 1731 gegossene,
ca. 1960 metr.
Ztr. schwere Riesenglocke »Zar-Kolokol«. Insgesamt
gibt es in Moskau (die Klosterkirchen mit eingerechnet) 355 griechisch-katholische, 2 lutherische, 2 reformierte, 2 römisch-kath.
Kirchen, 3 armeno-gregorian.
Kirchen und 3 der Altgläubigen, dazu eine
Synagoge und eine
Moschee. Unter ihnen nennen
wir nur die auf dem
Roten Platz im Kitai
Gorod stehende, durch ihre phantastisch-bizarre Bauart bekannte
Kathedrale des heil.
Basilius (Wassili Blashenni), 1554 unter
Iwan dem Schrecklichen erbaut.
Andre interessante Gebäude im
Kreml sind: der 1487 erbaute alte Zarenpalast (Tremni Dworéz);
der Facettenpalast (Granowitaja
Palata), unter
Johann III. erbaut, mit einem kolossalen
Saal, dessen Gewölbebogen von einer in der Mitte
stehenden
Säule ausgehen;
der durch architektonische
Schönheit ausgezeichnete große kaiserliche
Palast;
die 1851 vollendete
Orusheinaja
Palata, welche unschätzbare Sammlungen von Kostbarkeiten
(Kronen,
[* 19] Goldsachen,
Waffen,
[* 20] Kunstwerke des
Altertums,
Prunkwagen etc.) enthält (neben derselben steht die unter
Feodor Iwanowitsch gegossene, 393 metr. Ztr.
schwere Riesenkanone
»Zar Puschka«),
und das 1701-36 erbaute
Arsenal, vor dessen
Fronte die 1812 erbeuteten Geschützrohre (über
800) liegen;
ferner das Synodalgebäude, vom
PatriarchenNikon gegründet, mit einer kostbaren
Bibliothek und einer Sammlung
von Kirchengewändern und Silbergeräten. Im Kitai
Gorod, an dem mit dem Denkmal von Minin und Posharski
(von
Martos) geschmückten
Roten Platz, befindet sich das Kaufhaus (Gostinnoi Dwor) mit über 1200 Verkaufsläden, wohl
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die größte beständige Warenniederlage Europas; im Bjelgorod das Exerzierhaus (151 m lang, 47 m breit). Erwähnenswert ist
auch der im gotischen Stil 1692-1695 erbaute Sucharewsche Turm
[* 22] mit dem Reservoir der über 15 km langen, aus den wasserreichen
Quellen beim Dorf Mytischtschi hergeleiteten städtischen Wasserleitung.
[* 23]
Moskau hat (1882) 753,469 Einw. (davon
94,5 Proz. Russen, 2,2 Deutsche;
[* 24] nach der Konfession 92 Proz. Griechisch-Orthodoxe, 2,5 Protestanten) und in seinen 17 Stadtteilen
25,000 Häuser (davon 52 Proz. aus Stein); die Zahl der Wohnungen beträgt ca. 50,000, wovon 10 Proz. im Keller liegen. Die ungünstigen
Wirkungen der Wohnungsverhältnisse äußern sich in der großen Sterblichkeitsziffer der Bevölkerung
[* 25] (39:1000), welche die Geburtsziffer erheblich übersteigt.
Bildungsanstaltensind: die Universität, mit historisch-philologischer, juristischer, physikalisch-mathematischer und medizinischer
Fakultät (1886 mit 3338 Studierenden);
Unter den MuseenMoskaus sind bemerkenswert (außer den verschiedenen wissenschaftlichen
Kabinetten bei der Universität): das Rumjanzowsche Museum (1861 aus St. Petersburg nach Moskau übergeführt),
mit Bibliothek, Kunstgalerien, Altertümern, ethnographischem und mineralogischem Kabinett;
die Kunstausstellung
und die Museen für technische Wissenschaften und Industrie. An Wohlthätigkeitsanstalten (Waisen-, Armen-, Krankenhäusern etc.)
ist kein Mangel, besonders bemerkenswert ist das kolossale Findelhaus, das eine dreifach so große Zahl
von Kindern, wie in der Anstalt selbst untergebracht ist, in Dörfern, Schulen etc. unterhält.
Petrowskoje-Rasumowskoje, mit der gleichnamigen landwirtschaftlichen Akademie, und
die beiden Klöster und Wallfahrtsorte Troitzo-Sergiewsk und Woßkressensk oder Neu-Jerusalem, mit einer Kirche nach dem Modell
des Tempels zu Jerusalem.
[* 37]
[Geschichte.]
Die
Gründung von Moskau verliert sich im Dunkel. Die ersten historischen Nachweise stammen aus dem 12. Jahrh.; damals
stand hier Kutschkowo, die reiche Besitzung des Bojaren Kutschko, welchen JuriDolgorukij hinrichten ließ,
und dessen Güter er einzog. Später erbaute Juri auf einem der sieben Hügel an der Moßkwa (wo jetzt der Kreml steht) eine Stadt,
die er nach dem FlußMoßkwa nannte (doch findet sich auch der Name Kutschkowo noch später). Die frühste
Erwähnung Moskaus in den Chroniken ist auf das Jahr 1147 zurückzuführen. 1176 ward es durch den Fürsten von Rjäsan und
wieder 1237 durch die Mongolen zerstört.
Michael der Tapfere, der jüngere BruderAlexander Newskys, führte 1248 zuerst den Titel eines Fürsten von Moßkwa, und 1328 verlegte
Johann Danilowitsch, welcher den TitelGroßfürst führte, seine Residenz von Wladimir nach Moskau, das seitdem
Hauptstadt des davon benannten Großfürstentums blieb, auch der Sitz eines Metropoliten ward. In der ersten Hälfte des 14. Jahrh.
unter Johann I. Kalita bestand aus dem mit Palissaden umgebenen Kreml, dem Possad (dem um den Kreml gelegenen Stadtteil),
dem Sagorodje, der alle Vorstädte umfaßte, und dem Saretschje, dem auf dem andern Ufer der Moßkwa gelegenen Teil (jetzt
Samoskworetschje). 1367 ließ Dmitri Joannowitsch den Kreml mit einer Steinmauer umgeben. 1368 hatte eine Belagerung durch
die Litauer zu bestehen. 1382 zerstörten die Mongolen die Stadt abermals, und 1493 und 1547 legten Feuersbrünste
dieselbe fast ganz in Asche; 1571 ward sie von Dewlet-Gerai-Chan von der Krim
[* 38] eingeäschert. Im 16. Jahrh. zählte Moskau bereits
über 100,000 Einw. In demselben Jahrhundert entstanden auch die drei andern alten Stadtteile, der Kitai Gorod, indem 1534 der
Possad mit einem Wallgraben umgeben wurde, der Bjely Gorod (Bjelgorod), der sich halbkreisförmig um den
Kreml und den Kitai Gorod zieht und 1586 von Feodor Joannowitsch ebenfalls mit Steinmauern, durch welche 9 Thore führten, und
Erdwällen befestigt wurde.
Diese Erdwälle ließ Katharina II. in die berühmten Boulevards (Twerskoi, Strastnoi, Pretschistenski etc.) verwandeln. Endlich
wurden von 1588 bis 1592 auch sämtliche Vorstädte in die Befestigungslinie gezogen und mit hohen Palissaden,
die 1638 durch einen Erdwall ersetzt wurden, umgeben; so entstand der Semljänoi Gorod, welcher damals vom Volk bewohnt wurde,
während die Bürger, Kaufleute und der niedere Adel im Bjelgorod, die Bojaren und die Gäste (Gósti, d. h. die Gesandten u.
dgl.) im Kitai Gorod wohnten und die Fürsten und angesehensten Bojaren im Kreml ihren Sitz hatten.
Nach 1703 verlegte Peter d. Gr. seine Residenz nach Petersburg, wohin 1712 auch die Senatoren übersiedeln mußten. Der härteste
Schlag aber traf Moskau 1812, als Napoleon I. in das Innere des russischen Reichs vordrang und, an der Moßkwa
bei Borodino vergebens aufgehalten, 14. und 15. Sept. in die verlassene Stadt einzog. Die Vorräte des Zeughauses und die öffentlichen
Schätze waren aus Moskau gerettet worden, der größte Teil der Einwohner geflohen, so daß die Zahl der in Moskau Zurückgebliebenen
nur 12-15,000 betragen mochte, zur Hälfte Gesindel, außerdem Kranke in den Hospitälern. Schon in der
ersten Nacht nach dem Einzug der Franzosen brach in mehreren Gegenden der Stadt Feuer aus; am zweiten Tag verbreitete ein heftiger
Wind die Flammen nach allen Seiten hin, so daß bald ganz Moskau in Feuer stand. Am 16. Sept. verließ Napoleon den
Kreml und eilte nach dem Lustschloß Petrowskoje,
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