Titel
Moritz
(Moriz, franz. Maurice, ital. Maurizio, »der Dunkelfarbige«),
männlicher Name, germanisiert für lat. Mauritius. Die hervorragendsten Träger [* 2] desselben sind:
1) Prinz von Anhalt-Dessau, geb. zu Dessau, [* 3] Sohn des Fürsten Leopold und seiner Gemahlin Anna Luise, trat, nachdem er schon seit 1723 bei seinem Vater Adjutantendienste gethan, 1727 in die preußische Armee und machte 1734-35 den Feldzug am Rhein sowie die Schlesischen Kriege mit, in deren zweitem er sich bei Hohenfriedeberg [* 4] und Kesselsdorf auszeichnete. Nachdem er dann im Auftrag des Königs Friedrich II. die Kolonisation wüster Landstriche an der Oder und in Pommern [* 5] geleitet hatte, wurde er 1752 zum Gouverneur von Küstrin [* 6] ernannt.
An den hauptsächlichsten Schlachten [* 7] des Siebenjährigen Kriegs nahm er teil: bei Kolin [* 8] zwar griff er infolge eines Mißverständnisses nicht zur rechten Zeit und an der rechten Stelle an und verschuldete mit die Niederlage, zeichnete sich aber bei Roßbach [* 9] und besonders bei Leuthen, [* 10] wo er den rechten preußischen Flügel führte, so sehr aus, daß ihn der König auf dem Schlachtfeld zum Feldmarschall ernannte. Desgleichen kämpfte er bei Zorndorf und Hochkirch [* 11] und wurde hier, als er sich schwer verwundet nach Bautzen [* 12] wollte schaffen lassen, von Panduren gefangen. Aus der Gefangenschaft durfte er nach Dessau zurückkehren, starb aber schon an einem Krebsgeschwür an der Lippe. [* 13] Er war unvermählt geblieben.
2)
Prinz von
Oranien,
Graf von
Nassau,
Statthalter der
Niederlande,
[* 14] zweiter Sohn
Wilhelms I. von
Oranien und
Annas von
Sachsen,
[* 15] durch letztere Enkel von Moritz
3), geb. zu
Dillenburg, studierte in
Heidelberg
[* 16] und
Leiden
[* 17] und ward
nach der Ermordung seines
Vaters 1585 von den
Provinzen
Zeeland und
Holland und 1590 auch von
Utrecht,
[* 18]
Overyssel
und
Gelderland zum
Statthalter sowie gleichzeitig zum Oberbefehlshaber der Land- und
Seemacht der
Vereinigten
[* 19]
Niederlande erwählt.
Als Befehlshaber des niederländischen Heers, welches er auf eine bedeutende Stärke [* 20] brachte, vorzüglich organisierte und einübte, führte er den Krieg mit Spanien [* 21] mit genialem Geschick und außerordentlichem Erfolg. In vier Jahren säuberte er den Boden der sieben Provinzen von den Spaniern und trug dann den Krieg in die spanischen Niederlande, wo er namentlich den glänzenden Sieg von Nieuwpoort erfocht. Am berühmtesten wurde seine Verteidigung von Ostende, [* 22] vor welchem Platz er vier Jahre lang den größten Teil der spanischen Armee beschäftigte.
Da er sich fast ausschließlich mit den militärischen Angelegenheiten beschäftigte und politischer
Ehrgeiz ihn nicht beseelte,
überließ er die Leitung der Staatsangelegenheiten dem
Führer der aristokratischen
Partei, Oldenbarneveld (s. d.), mit
dem er
lange Zeit in freundschaftlichem Einvernehmen stand, bis derselbe sehr gegen seinen
Willen 1609 den zwölfjährigen
Waffenstillstand mit
Spanien abschloß. Der
Gegensatz zwischen der kriegerisch gesinnten, nach einer monarchischen
Einheit des
Staats strebenden oranischen
Partei, deren
Haupt, doch nicht geistiger
Leiter Moritz
war, da er als
Politiker ebenso unbedeutend wie
hervorragend als
Feldherr war, und der republikanischen partikularistischen
Aristokratie
Hollands unter Oldenbarneveld kam infolge
der religiösen Streitigkeiten der
Arminianer und
Gomaristen 1618 zum
Ausbruch und endete 1619 mit dem
Sieg und der
Hinrichtung
Oldenbarnevelds.
Trotzdem ließ sich Moritz
nicht die
Alleinherrschaft
übertragen, sondern begnügte sich, 1621 den
Krieg gegen
Spanien wieder zu
eröffnen, in welchem er übrigens weniger glänzende Erfolge als früher errang. Er starb unvermählt im
Haag
[* 23] und hatte seinen
Bruder
Friedrich
Heinrich zum Nachfolger. ist einer der größten
Meister der
Kriegskunst gewesen.
Vgl. v. d. Kemp, Maurits van Nassau, Prins van Oranje (Rotterd. 1843, 4 Tle.);
Groen van Prinsterer, Maurice et Barneveldt (Utrecht 1875).
3) Moritz
, erst
Herzog, seit 1547
Kurfürst von
Sachsen, der älteste Sohn
Herzog
Heinrichs des
Frommen, geb. zu
Freiberg,
[* 24] erhielt seine
Erziehung an den
Höfen seines Oheims
Georg des
Bärtigen in
Dresden,
[* 25] dann des
Kurfürsten
Albrecht von
Mainz
[* 26] zu
Halle,
[* 27] hierauf des
Kurfürsten
Johann
Friedrich in
Torgau
[* 28] und eignete sich unter diesen verschiedenen Umgebungen
frühzeitig ebensoviel Selbständigkeit des
Charakters wie diplomatische
Klugheit an. Von ersterer gab er einen
Beweis, indem
er sich ohne Vorwissen seiner Eltern mit
Agnes, der Tochter
Landgraf
Philipps von
Hessen,
[* 29] vermählte.
Noch in demselben Jahr folgte er seinem Vater in der Regierung der Albertinischen Lande während er seinen Bruder August durch die Ämter Freiburg, [* 30] Laucha, Sangerhausen, [* 31] Weißensee, Kindelbrück und Sachsenburg entschädigte und ihm die Administration des Hochstifts Merseburg [* 32] verschaffte. Ebensowenig war er willens, gleich seinem Vater eine Bevormundung durch den Kurfürsten Johann Friedrich zu dulden. Obgleich der evangelischen Lehre [* 33] zugethan, verweigerte er deshalb den Beitritt zum Schmalkaldischen Bunde, trat auch der Eigenmächtigkeit, mit welcher jener in dem Stift Wurzen [* 34] die Türkensteuer ausgeschrieben und das Kirchenwesen geändert hatte, mit bewaffneter Hand [* 35] entgegen (s. Fladenkrieg).
Dagegen befestigte er das neue Kirchenwesen in seinem Gebiet und errichtete zu Leipzig [* 36] und Meißen [* 37] Konsistorien, von denen das letztere später nach Dresden verlegt ward; einen Teil der eingezogenen Klostergüter verwendete er zur reichlichern Ausstattung der Universität Leipzig und 1543 zur Stiftung der Fürstenschulen zu Meißen, Pforta und (1550) Grimma, [* 38] von denen der Flor des höhern Schulwesens in Sachsen ausging. Ehrgeizig und begierig nach Vergrößerung seines Gebiets, suchte er bereits damals sich dem Kaiser zu nähern. Er leistete ihm Hilfe gegen die Türken in Ungarn [* 39] 1542, wo ihm vor Pest nur die Aufopferung seines Edelknechts Sebastian v. Reibisch das Leben rettete, und beteiligte sich 1544 an des ¶
mehr
Kaisers Krieg gegen Frankreich. Das nächste Ziel seiner ehrgeizigen Wünsche bildete der Erbschutz über die Stifter Magdeburg
[* 41] und Halberstadt,
[* 42] allein der Kaiser zauderte, ihm diesen zuzugestehen. Erst kam zu Regensburg
[* 43] das geheime Bündnis
mit dem Kaiser zum Abschluß, durch welches sich Moritz
gegen Verleihung des Schutzrechts über die Stifter zum
Dienste
[* 44] des Kaisers verpflichtete. Doch wurde bereits hier statt der Stifter das Ernestinische Sachsen und die Kur als Lohn für
die zu leistende Hilfe in Aussicht genommen. Am 1. Aug. übertrug ihm Kaiser Karl V. die Vollstreckung der über den Kurfürsten
von Sachsen verhängten Acht, aber erst nachdem Moritz
der Zustimmung seiner Landstände sich vergewissert,
durch den Vertrag mit König Ferdinand vom 14. (19.) Okt. sich den Rücken gedeckt und vom Kaiser 27. Okt. die formelle Zusage der
sächsischen Kur erhalten hatte, brach er in das Ernestinische Sachsen ein und besetzte den größten Teil des Landes.
Zwar mußte er dieses vor dem von der Donau herbeieilenden Kurfürsten Johann Friedrich schleunigst wieder
räumen und wurde selbst bis an die böhmische Grenze zurückgedrängt, als aber der Kurfürst durch seine Niederlage und Gefangennahme
bei Mühlberg gezwungen worden war, in der Wittenberger Kapitulation auf sein Land nebst der Kurwürde zu verzichten,
übertrug der Kaiser beides versprochenermaßen auf Moritz
, der die Söhne des Gefangenen mit einigen thüringischen
Ämtern abfand; die feierliche Belehnung fand in Augsburg
[* 45] statt.
Trotzdem war Moritz
nicht gewillt, dem Kaiser als Werkzeug zur Unterdrückung der evangelischen Lehre und zur Aufrichtung einer
erblichen Despotie zu dienen; vielmehr trachtete er danach, das Neugewonnene, das er jetzt nur durch
kaiserliche Gunst besaß, durch Aussöhnung mit seinen Glaubensgenossen sich zu sichern; persönlich fühlte er sich verletzt
durch die Gefangenhaltung seines Schwiegervaters, für dessen Freiheit er sich mit verbürgt hatte. Zunächst entschädigte
er seinen Bruder August für das verlorne Hochstift Merseburg durch Abtretung der Ämter Weißenfels,
[* 46] Eisenberg
und Schwarzenberg und entzog sich der Annahme des Augsburger Interim durch Aufstellung des Leipziger Interim; hierauf machte er
sich mit größter Gewandtheit die von mehreren norddeutschen Fürsten gegen den Kaiser geschlossene Verschwörung dienstbar,
bewirkte insgeheim seine von letzterm für unmöglich gehaltene Aussöhnung mit den Ernestinern und sicherte
sich durch den ebenfalls geheimen Vertrag zu Friedwalde, den Beistand König Heinrichs II. von Frankreich, dem er die
Bistümer Metz,
[* 47] Toul,
[* 48] Verdun
[* 49] und Cambrai preisgab.
Die Achtsvollstreckung gegen Magdeburg gab ihm einen erwünschten Vorwand zur Verdeckung seiner Rüstungen, [* 50] während er den Kaiser durch seine Anstalten, das Tridentiner Konzil zu beschicken und zu besuchen, täuschte. Sobald seine Vorbereitungen beendet waren, führte er im März 1552 sein Heer windesschnell von Thüringen nach Süddeutschland, verkündigte von Augsburg aus in einem Manifest die Gründe seiner Schilderhebung und nötigte durch die Erstürmung der Ehrenberger Klause den ungerüsteten Kaiser, schleunigst von Innsbruck [* 51] nach Villach zu fliehen und Unterhandlungen mit ihm anzuknüpfen.
Diese führten Anfang August 1552 zu dem Passauer Vertrag, durch welchen der Landgraf von Hessen seine Freiheit erhielt, der Ausgleich
des Zwiespalts in der Religion auf einen binnen sechs Monaten zu haltenden Reichstag verwiesen wurde. Nunmehr
leistete er dem Kaiser die
Türkenhilfe in Ungarn; als aber sein ehemaliger Kriegsgefährte, Markgraf Albrecht von Brandenburg-Kulmbach,
den Passauer Vertrag nicht anerkennend, im Reich den Krieg auf eigne Faust fortsetzte und den Verdacht erweckte, als ob er sich
als Werkzeug der kaiserlichen Rache brauchen lassen wolle, so verbündete sich Moritz
zur Abwehr desselben
mit den Bischöfen in Franken, dann auch mit Heinrich dem jüngern von Braunschweig
[* 52] und schlug den Markgrafen bei Sievershausen,
starb aber zwei Tage darauf an einer in dieser Schlacht erhaltenen Schußwunde im Feldlager, erst 32 Jahre alt. Moritz
war ein Fürst
von höchster Begabung, ein Meister in der sonst den damaligen Deutschen nicht eignen rücksichtslosen
Staatskunst.
Die Durchführung seiner weitern Pläne, in die er selbst seine nächsten Vertrauten nicht eingeweiht hat, die aber unzweifelhaft auf fernere Erhöhung seiner Machtstellung gerichtet gewesen sind, hat sein früher Tod unterbrochen, und seine Verdienste um die Rettung der protestantischen Glaubensfreiheit haben den auf ihm haftenden Schatten [* 53] des an seinem Glauben und seinen Verwandten begangenen Verrats nicht zu tilgen vermocht. Da er keinen Sohn hinterließ, folgte ihm sein Bruder August. Seine Witwe vermählte sich 1555 mit Johann Friedrich dem Mittlern, seine einzige Tochter, Anna, mit Wilhelm von Oranien, endigte aber in Geistesstörung.
Vgl. v. Langenn, Moritz, Herzog und Kurfürst zu Sachsen (Leipz. 1841, 2 Bde.);
G. Voigt, Moritz von Sachsen 1541 bis 1547 (das. 1876).
4) Graf von Sachsen, bekannt unter dem Namen Marschall von Sachsen, geb. als der natürliche Sohn Augusts des Starken von Sachsen und der Gräfin Aurora von Königsmark zu Goslar, [* 54] erhielt von seinem Vater während dessen Reichsvikariats den Titel eines Grafen von Sachsen und bald die Stelle eines Obersten in einem Kürassierregiment. 1709 focht er in Flandern unter Eugen und Marlborough mit Auszeichnung, und ebenso zeichnete er sich 1711 bei Stralsund [* 55] unter den Augen seines Vaters aus.
Kurz darauf vermählte ihn seine Mutter mit der reichen Gräfin Löben, doch war die Ehe nicht glücklich und wurde 1721 wieder getrennt. Bei allem Hang zu Ausschweifungen betrieb Moritz aufs eifrigste das Studium der Kriegskunst. 1717 nahm er in Ungarn unter Eugen an dem Kampf gegen die Türken teil, 1720 trat er in französische Militärdienste und erhielt 1722 ein deutsches Regiment. 1726 wählten ihn die Stände von Kurland [* 56] auf Antrieb der Herzogin-Witwe Anna Iwanowna, der Tochter des Zaren Iwan Alexiewitsch, zum Herzog.
Jedoch durch den Einfluß der Russen verdrängt, ging Moritz 1729 wieder nach Frankreich und wurde, nachdem er sich 1733 im polnischen Erbfolgekrieg am Oberrhein ausgezeichnet, 1736 zum Generalleutnant befördert. Im österreichischen Erbfolgekrieg nahm er Prag [* 57] mit Sturm, eroberte Eger [* 58] und Elbogen und zog mit Broglie an den Rhein zurück, wo er sich der Linien von Lauterburg bemächtigte. Im März 1744 ward er zum Marschall von Frankreich ernannt. Sein Feldzug in Flandern (1744) unter dem nominellen Oberbefehl Ludwigs XV. galt als ein Meisterstück der Kriegskunst, indem er den an Zahl überlegenen Feind zur Unthätigkeit nötigte. Am erfocht er über die Engländer den Sieg bei Fontenoy, durch welchen Brüssel [* 59] in französische Gewalt kam, und einen neuen bei Raucoux und ward hierauf zum Generalfeldmarschall aller französischen Armeen und nach dem Sieg bei Laffeld und der Einnahme von ¶
mehr
Bergen op Zoom [* 61] zum Oberbefehlshaber in den eroberten Niederlanden ernannt. Nachdem zu Aachen [* 62] Friede geschlossen war, zog sich Moritz auf das ihm vom König geschenkte Schloß Chambord zurück und machte dasselbe zu einem Sammelpunkt von Gelehrten, Künstlern und Philosophen. Er starb daselbst und ward zu Straßburg [* 63] in der protestantischen Thomaskirche bestattet, wo ihm 1765-76 von Pigalle ein großartiges Grabdenkmal errichtet wurde.
Bekannt ist Moritz' Liebesverhältnis zur berühmten Tragödin Adrienne Lecouvreur. Von einer natürlichen Tochter Moritz', Aurora de Saxe, verehelichte Dupin, stammt die Schriftstellerin George Sand ab. Die neuen Ansichten in der Kriegswissenschaft, die er in seinen »Rêveries« (beste Ausg., Par. 1751, 2 Bde.) aufstellte, fanden erst in späterer Zeit Beachtung. Auch hinterließ er »Lettres et mémoires choisis parmi les papiers originaux du maréchal de Saxe« (Par. 1794).
Vgl. K. v. Weber, Moritz, Graf von Sachsen, Marschall von Frankreich (Leipz. 1863);
Saint-René Taillandier, Maurice de Saxe (Par. 1865);
Vitzthum v. Eckstädt, Maurice, comte de Saxe, et Marie-Josèphe de Saxe, dauphine de France (Leipz. 1867).