AlleMoralitäten sind gereimt, in unregelmäßigen
Stanzen, und schließen mit einem
Gebet. Im 15. Jahrh. waren sie
in
England und
Schottland sehr gebräuchlich und erhielten sich hier auch nach der
Reformation in der Form von theologisch-polemischen
Schauspielen; erst unter
Cromwell wurden sie förmlich abgeschafft. In
Frankreich finden wir sie gleichzeitig mit
den
Mysterien unter
Philipp dem
Schönen (wahrscheinlich im
Gegensatz zu den letztern, für welche die Passionsbrüderschaft
privilegiert war) von der
Brüderschaft der
Bazoche (s. d.) aufgeführt; sie hatten hier mehr einen komischen
Charakter und
arteten bald aus. In
Deutschland
[* 3] wurden die Moralitäten durch die seit dem 15. Jahrh. üblichen
Schulkomödien ersetzt.
Vgl.
Genée, Die englischen Mirakelspiele und Moralitäten (Berl. 1878).
(frz. moralités; engl. moralities), im Mittelalter
geistliche Schauspiele, die im Gegensatz zu den Mysterien (s. d.) nicht die evang. Erzählung
oder Heiligenlegenden in dramat. Form darstellten, sondern einzelne Sittenlehren durch erfundene Beispiele oder geistliche
Parabeln unmittelbar veranschaulichten. Außer wirklichen Personen der weltlichen und heiligen Geschichte traten in den Moralitäten alle
möglichen Tugenden und Laster und sonstige Personifikationen allgemein sittlicher Zustände und Eigenschaften
auf.
Während die Mysterien sich an die überlieferte Erzählung hielten, sind die Moralitäten ein erster Anfang von dramat.
Erfindung. Die Moralitäten sind eine franz. Erfindung, die im 14. Jahrh.
aufkam. Auch in England, Italien und den Niederlanden faßten sie um dieselbe Zeit Fuß. Diese Stücke erhielten
in den Aufführungen der Basoche (s. d.) und anderer franz. Spielgesellschaften
nicht selten eine satir. Wendung. In der ersten Hälfte des 16. Jahrh. werden auch polit. und religiöse Zeitfragen
in den Moralitäten behandelt. Seit 1550 verschwinden sie aus der Litteratur. In Deutschland scheinen Moralitäten neben den
Mysterien nie recht aufgekommen zu sein. Eine spätere Erneuerung der Moralitäten sind in Spanien
[* 4] die Autos sacramentales von Lope de
Vega und Calderon.