Moralitäten
(franz. Moralités, engl. Moralities), im spätern Mittelalter geistliche Schauspiele, welche, den Mysterien (s. d.) nachgebildet, besonders in Frankreich und England, auch in Italien [* 2] vielfach üblich waren. Sie sind ernsthafterer Art als die Mysterien und haben meist eine moralische Tendenz, daher der Name. In zwei der ältesten Stücke dieser Art, »Every man« und »Hick-Scorner«, sind die Hauptpersonen: Jedermann (Repräsentant des menschlichen Geschlechts) und ein Freigeist, neben denen verschiedene Tugenden und Laster als allegorische Figuren auftreten.
Alle Moralitäten
sind gereimt, in unregelmäßigen
Stanzen, und schließen mit einem
Gebet. Im 15. Jahrh. waren sie
in
England und
Schottland sehr gebräuchlich und erhielten sich hier auch nach der
Reformation in der Form von theologisch-polemischen
Schauspielen; erst unter
Cromwell wurden sie förmlich abgeschafft. In
Frankreich finden wir sie gleichzeitig mit
den
Mysterien unter
Philipp dem
Schönen (wahrscheinlich im
Gegensatz zu den letztern, für welche die Passionsbrüderschaft
privilegiert war) von der
Brüderschaft der
Bazoche (s. d.) aufgeführt; sie hatten hier mehr einen komischen
Charakter und
arteten bald aus. In
Deutschland
[* 3] wurden die Moralitäten
durch die seit dem 15. Jahrh. üblichen
Schulkomödien ersetzt.
Vgl.
Genée, Die englischen Mirakelspiele und Moralitäten
(Berl. 1878).