Morāl
(Moralität, v. lat. mores, die Sitten), der Inbegriff der Grundsätze der Sittlichkeit und ihre Ausführung im Leben, als Lehre oder Wissenschaft gleichbedeutend mit Sittenlehre oder Ethik (s. d.), als Betragen gleichbedeutend mit einem deren Vorschriften gemäßen Leben, insofern dasselbe sowohl auf Bewußtsein des sittlich Gebotenen als auf dem Willen, dem Gebot gemäß zu handeln, beruht. Ein Mensch ohne ist ein solcher, dem entweder das Bewußtsein eines Gebotenen überhaupt, oder der Wille, einem solchen gemäß zu handeln, fehlt; ein unmoralischer dagegen ein solcher, der zwar nach Grundsätzen, aber nach schlechten, handelt.
Moralisch nennt man alles, was dem Sittengesetz gemäß, oder auch, was dem Physischen entgegengesetzt ist. So spricht man von einem moralischen Zwang, d. h. einer Einwirkung auf den Willen durch Beängstigung des Gewissens, Furcht vor zukünftigen Übeln u. dgl., und nennt einen Menschen, dessen sittliche Ehre vernichtet ist, moralisch tot. Anderseits wieder bilden die moralischen oder praktischen Fähigkeiten als die des bewußten Handelns den Gegensatz zu den intellektuellen oder theoretischen als den Fähigkeiten des Erkennens.
Moralische Wissenschaften, im Gegensatz zu den sogen. exakten Wissenschaften, sind alle diejenigen Disziplinen, welche die Erforschung und Ergründung des geistigen Lebens des Menschen, seiner Gesetze und Äußerungen zur Aufgabe haben, z. B. die Psychologie, Kultur- und Religionsgeschichte, Litteratur- und politische Geschichte etc. Unter moralischer Überzeugung versteht man eine zwar nicht beweisbare, aber doch im Gefühl so festgewurzelte Überzeugung, daß uns das Gewissen nicht erlaubt, von ihr abzugehen.
Hieraus hat man einen »moralischen Beweis« für das Dasein Gottes abzuleiten versucht. Mit dem Ausdruck Moralprinzip bezeichnet man einen bestimmten praktischen Grundsatz, aus welchem sich andre Grundsätze und Pflichtgebote ableiten lassen, und deren von der Philosophie der alten und neuern Zeit sehr verschiedene aufgestellt worden sind (s. Ethik). Moralische Weltordnung nennt man denjenigen (wirklichen oder angeblichen) Zusammenhang der Welt, nach welchem Glückseligkeit die notwendige Folge der Tugend, diese selbst die ausreichende Bedingung der erstern sein soll, Moralphilosophie, die Wissenschaft der philosophischen Moral. Unter Moral einer Fabel oder Parabel versteht man die Lebensregel, welche darin veranschaulicht werden soll.
Vgl. Baumann, Handbuch der Moral (Leipz. 1879).