Moltke,
Adelsgeschlecht, von dem zuerst Matthäus Moltke (1220‒46) erwähnt wird. Es war ursprünglich in Mecklenburg auf Stridfeld angesessen, welcher Besitz bis 1780 in der Familie forterbte. Von Stridfeld aus verbreitete sich im 13. Jahrh. ein Zweig dieses Geschlechts nach Schweden, der jedoch 1413 im Mannsstamm erlosch. Margarete Moltke hatte dort 1414 den schwed. Reichsrat Christian Nielsen Wasa geheiratet und ist in vierter Generation die Stammmutter des Königs Gustav Wasa. Ebenso gelangte früh schon die Familie in Dänemark und Norwegen zu Macht und Ansehen in Kirche und Staat. Gegen Ende des 16. Jahrh. war das Geschlecht Moltke dem gänzlichen Erlöschen nahe. So ist Gerhard Moltke auf Stridfeld (gest. 1563) der Stammvater sämtlicher noch lebenden Moltke; durch seine Söhne Otto von Moltke auf Samow (gest. 1609) und Klaus von Moltke auf Stridfeld (gest. 1610) teilten sich die in zwei Linien.
A. Gerhards Enkel (von der ältern Linie) in dritter Generation, Joachim Moltke auf Samow und Schorssow (1602‒65), ist der Stammvater aller deutschen Moltke. Diese teilten sich nach 1665 wieder in zwei Linien, eine ältere auf Samow und eine jüngere auf Schorssow. Von 1643 bis 1785 war das Gut Samow das Stammhaus der ältesten deutschen Linie, während Stridfeld auf die jüngere deutsche Linie überging. Von den Nachkommen der jüngern Linie verbreiteten sich mehrere nach Württemberg, Bayern und Österreich.
Aus dieser jüngern deutschen (Schorssower) Linie stammt Friedrich Detlev Moltke (geb. 1750), der sich mit einer Prinzessin von Holstein-Beck (Großmutter des Königs Christian Ⅸ. von Dänemark) vermählte, 1776 in den deutschen Reichsgrafenstand erhoben wurde, seine mecklenb. Güter gegen die Herrschaft Behle im Großherzogtum Posen vertauschte, preuß. Oberjägermeister wurde und 1825 starb. Aus der ältern deutschen (Samower) Linie stieg ein Enkel Joachims
forlaufend
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in dritter Generation, Ludwig Philipp Moltke, zur Würde eines österr.
Feldmarschalls empor.
Aus derselben Linie stammt in sünfter Generation der preuß. Feldmarschall Hellmuth Karl Bernhard von Moltke (s. d.), der von König Wilhelm in den nach dem Rechte der Erstgeburt ver erbenden preuß. Grafenstand erhoben und somit der Stifter der neuern (preußischen) Grafenlinie wurde. Da die geschlossene Ehe des Feldmarschalls mit seiner Stiefnichte Mary von Vurt kinderlos geblieben ist, so solgte ihm nach sei- nem Tode sein Vruderssohn Wil- helm v on Moltke (geb. zu Kopenhagen), preuß. Oberstlieutenant und Commandeur des schles. Leibkürassierregiments Nr. 1, im Fide'ikommiß und im Grafentitel. L. Gerhards Enkel (von der jüngern Linie) in vierter Generation, Joachim Moltke auf Stridfeld und Walkendorf (1662-1730), ist der Stammvater aller dänischen Moltke. Sie haben schon seit Mitte des 17. Jahrh, in der dän. Armee, Diplomatie und Ver- waltung bedeutende Stellungen eingenommen.
AdamGottlob (geb. 1709, gest. Günstling und Minister des Königs Friedrich V. von Dänemark, ward 1750 zum dän. Lehnsgrafen auf Vregentved (Seeland) erhoben;
seine zahlreiche Nachkommenschaft verbreitete sich über Dänemark und Schleswig-Holstein.
Die Lehnsgraffchaft Bre- gentvcd erbte Adam Gottlobs Sohn Joachim Godske (geb. gest. dän. Staatsminister unter König Christian VII. bis 1784, und diesem solgte sein Sohn Adam Wilhelm (geb. 25. Aug. 1785,gest. dän. Staatsminister unter König Christian VIII. und Friedrich VII. bis 1852. Dessen Enkel, Fried- rich Christian (geb. ist gegen- wärtig Besitzer von Vregentved.
Von den übrigen Söhnen des Adam Gottlob sind zu nennen: Geb- hard (geb. 1764, gest. 1851), Stifter der Neben- linie Moltke-Hvitfeldtzu Moltkenborg (Fünen), dessen Enkel, Gebhard Leon (geb. 23. April 1829), seit 1860 königlich dän. Gesandter in Paris ist, und OttoIoachim (geb. 1770, gest. 1853), dän. Staats- minister und Präsident der Schleswig - Holstein- Laucnburgischen Kanzlei unter König Friedrich VI. und Christian VIII. bis 1842. Ein vierter Sohn, der königlich dän. Generalmajor Christian Magnus Friedrich, war auf dem Gute Noer in Schleswig angesessen.
Zwei Söhne des letztern spielten eine Rolle in der schlesw.-Holstein.
Be- wegung. Magnus (geb. 1783, gest. 1864) war 1813 - 50 Obergerichtsrat und Landrat in Schles- wig.
In der schlesw. Provinzialständeversammlung zeichnete er sich durch seine liberale Gesinnung aus und ward in der ersten Session 1836 zum Präsi- denten erwühlt.
Sein älterer Bruder, AdamGott- lob Detlev (geb. 1765, gest. 17. Juni 1843), ging als Abgeordneter der schlesw.-Holstein.
Ritterschaft auf den Wiener Kongreß, um von König Fried- rich VI. die Wiederherstellung der alten schlesw.- Holstein.
Landesverfassung zu fordern;
1815-23 war er in derselben Richtung thätig, als die Ritter- schaft unter Dahlmanns Leitung am dän. Hofe und am Deutschen Bundestage sich mit dieser Frage be- schäftigte.
Auch veröffentlichte er die «Reise nach Mainz zur Zeit des Bombardements» (Altona 1794) und eine Sammlung «Oden» (Zur. 1805) und «Ge- dichte» (ebd. 1806).
Zwei Söhne des letztgenannten wirkten im Sinne der dän. Politik gegen Schleswig- Holstein.
Karl Moltke (geb. gest. ward 1846 nach Erlaß des Offenen Briefs Präsident der Schleswig-Holstein-Lauen- burgischen Kanzlei und suchte vergebens der fort- schreitenden Bewegung in den Herzogtümern Ein- halt zu thun.
Nach Beendigung des Deutsch-Däni- schen Krieges von 1848 bis 1850 übernahm er das Ministerium für Schleswig. In dieser Stellung 1851-54 führte er die dän. Reaktion mit rücksichts- loser Härte durch, wurde aber abgesetzt.
Erst nack dem Deutsch-Dänischen Kriege von 1864 trat er wieder auf kurze Zeit ohne Portefeuille in das dän. Ministerium ein, welches den Wiener Frieden ab- schloß.
Sein Sohn, Adam Heinrich Karl, Graf vonM. (geb. ist Besitzer des Moltke- Reventlowschen Fidelkommisses.
Karls jüngererBru- der, Adam Friedrich Adamson (geb. gest. in Kiel), war 1862-63 Präsident der Holstein.
Regierung zu Plön. Diese Behörde sollte die Aussonderung Holsteins aus dem dän. Gesamtstaate durchführen, wurde aber un- mittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Vundes- truppen aufgelöst. -
Vgl. Langhorn, Histor.
Nach- richten über die dänischen Moltke (Kiel 1871).
Moltke, Hellmuth Karl Bernhard, Gras von, preuß. Generalfeldmarschall, geb. zu Parchim in Mecklenburg-Schwerin als Sohn des preuß. Hauptmanns a. D., spätern dän. General- lieutenants Friedrich Philipp Victor von Moltke (geb. gest. und einer Tochter des preuß. Geh.
Finanzrats Paschen, ent- stammte der ältern deutschen (Samower) Linie des Ge- schlechts Moltke (s. d.).
Er besuchte die Landkadetten- akademie zu Kopenhagen, wurde dän. Offizier, trat aber als Sekondelieute- nant des 8. Infanterieregiments in preuß. Militär- dienste. 1823-26 besuchte er die Allgemeine Kriegs- schule in Berlin und wurde 1828-31 bei der Landes- vermessung beschäftigt;
1832 wurde er Min General- stab kommandiert, 1833 zum Premierlieutenant und 1835 zum Hauptmann befördert.
Noch in demselben Jahre unternahm eine Reise nach dem Orient, wurde aber schon in Konstantinopel durch den Se- raskier Mehmet Chosref Pascha vermocht, längere Zeit dort zu bleiben. In durchaus unabhängiger Stellung nahm an der von Mahmud II. ge- planten Reorganisation des türk. Heers hervor- ragenden Anteil, begleitete den Sultan auf einer Reise durch Bulgarien und führte fortifikatorischc Austräge in Nustschuk, (^ilistria, Varna, Schumla sowie später an den Befestigungen der Dardanellen aus. Nachdem die türk. Regierung die Beurlaubung M.s auf fernere drei Jahre bewirkt hatte, ging Moltke 1838 zur Armee nach Kleinasien und durchstreifte das Land nach allen Richtungen hin. (Über seine Itineraires vgl. Ritters «Erdkunde».) Auch nahm Moltke am Feldzug gegen die Kurden (1838) und gegen die Ägypter in Syrien (1839) teil, wo Hafis Pascha 24. Juni der Schlacht bei Nisib, die er gegen M.s Rat unternommen hatte, geschlagen wurde. Nach dem erfolgten Tode Mahmuds II. kehrte in die Heimat zurück, wurde 1840 zum Generalstab des 4. Armeekorps versetzt und 1842 zum Major befördert, 1845 jedoch dem Generalstab aggregiert und als Adjutant des Prinzen Heinrich von Preußen nach Rom gesendet.
Während des Aufenthalts daselbst nahm Moltke die Umgegend Roms topographisch auf, kehrte nach dein Tode des Prinzen znrück, wurde 1846 dem Gencralstabe des 8.
mehr
korps zugeteilt und 1848 zum Abteilungschef im Großen Generalstabe, 22. Aug. desselben Jahres jedoch zum Chef des Generalstabes des 4. Armeekorps ernannt. In dieser Stellung wurde Moltke 1850 zum Oberstlieutenant und 1851 zum Obersten befördert, demnächst 1855 mit dem Charakter als Generalmajor zum ersten Adjutanten des Prinzen Friedrich Wilhelm, des spätern Kaisers Friedrich III. ernannt, den er nach Petersburg, Moskau, London und Paris begleitete. Nachdem Moltke 1850 zum Generalmajor befördert war, wurde er 1857 mit Führung der Geschäfte als Chef des Generalstabes der Armee beauftragt, 1858 aber definitiv mit dieser Stellung betraut und 1859 zum Generallieutenant ernannt.
Ende 1863 traf in Frankfurt die nötigen Verabredungen mit den übrigen Bevollmächtigten für den bevorstehenden Feldzug gegen Dänemark und wurde als Chef des Generalstabes dem Oberkommando der unter Prinz Friedrich Karl operierenden verbündeten Armee überwiesen. In dieser Stellung nahm er an dem Übergang nach Alsen 29. Juni teil und trat nach Beendigung des Krieges 18. Dez. in die frühere Thätigteit als Chef des Generalstabes der Armee zurück. Im Frühjahr 1866 nahm an den wichtigen Beratungen der in Berlin versammelten höhern Generale hervorragenden Anteil, welche die Möglichkeit eines Bruchs mit Österreich ins Auge faßten, und legte für diesen Fall seinen Operationsplan vor, der später zur Anwendung kam. Moltke wurde General der Infanterie und leitete in dem bald darauf ausbrechenden Kriege im Hauptquartier des Königs die Operationen der preuß. Heere zu dem Siege von Königgrätz 3. Juli, dann den Vormarsch nach Olmütz und Wien und schloß 26. Juli den Waffenstillstand zu Nikolsburg ab. In Anerkennnng seiner Verdienste erhielt Moltke nach dem Frieden eine Dotation, aus der er das vom König Wilhelm bestätigte Familienfideikommiß Kreisau, im schles. Kreise Schweidnitz, errichtete.
Als im Juli 1870 Frankreich an Preußen den Krieg erklärte, war in der Lage, dem König einen vollständigen Operationsentwurf unverzüglich vorzulegen, der die Grundlage des siegreichen Feldzuges bildete. Wegen des glänzenden Erfolges des Krieges wurde Moltke in den Grafenstand erhoben, empfing das Großkreuz des Eisernen Kreuzes und wurde Generalfeldmarschall. 1872 wurde er zum Mitglied des preuß. Herrenhauses ernannt und bei Verteilung der Nationalbelohnungen durch eine zweite Dotation ausgezeichnet.
Schon seit 1867 gehörte er dem Reichstag des Norddeutschen Bundes und später dem des Deutschen Reichs an, wo er sich zu den Deutschkonservativen hielt und bei wichtigen Beratungen, namentlich über militär. Angelegenheiten, zuweilen das Wort ergriff. Am erbat Moltke seines hohen Alters wegen seine Entlassung als Chef des Großen Generalstabes und erhielt sie 9. Aug. unter Ernennung zum Präses der Landesverteidigungskommission. Mit besonderer Festlichkeit wurde M.s 90jähriger Gedurtstag gefeiert. In seltener Rüstigkeit verlebte er seinen Lebensabend, noch begleitete er den Kaiser Wilhelm II. zur Taufe des Kreuzers Falke und zur Besichtigung des Nordostseekanals nach Kiel, bald darauf, starb er in Berlin, ohne vorher krank gewesen zu sein. Moltke war seit 1841 mit Mary von Burt (geb. gest. der Stieftochter seiner Schwester, vermählt. Seine Ehe blieb kinderlos.
Moltke war einer der hervorragendsten Strategen der Neuzeit, der sich und den preuß. Generalstab durch gründliches Studium der Napoleonischen Kriege geschult und für die großen Aufgaben der Feldzüge von 1864, 1866 und 1870 herangebildet hat. Ein hohes Verdienst erwarb er sich auch dadurch, daß er durch die gewissenhafteste Unparteilichkeit und richtige Beurteilung in der Wahl der Offiziere für den Generalstab diesen zu einer Elite der Armee heranbildete. Aber nicht nur als Soldat, sondern auch als Schriftsteller nimmt Moltke einen hervorragenden Platz ein.
Außer verschiedenen kleinern Aufsätzen erschienen von ihm folgende Werke: «Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den J. 1835–39» (Berl. 1841; 6. Aufl., ebd. 1893),
«Der russ.-türk. Feldzug in der europ. Türkei 1828 und 1829» (ebd. 1845; 2. Aufl. 1877), Karte von Konstantinopel und dem Bosporus, Karte der Umgegend von Rom. An den Generalstabswerken über den Italienischen Krieg von 1859, den Deutschen Krieg von 1866 und über den Deutsch-Französischen Krieg von 1870 und 1871 hat Moltke erheblichen Anteil. Die an seine Gemahlin gerichteten Reisebriefe wurden als «Briefe aus Rußland» (1. u. 2. Aufl., Berl. 1877; 4. Aufl., ebd. 1893) veröffentlicht.
Ein 1884 in der Zeitschrift «Vom Fels zum Meer» veröffentlichter Essay M.s über Polen erschien in poln. Übersetzung als «O Polsce» (Lpz. 1885). Nach M.s Tode erschienen seine «Gesammelten Schriften und Denkwürdigkeiten» (8 Bde., Berl. 1891–93),
die zahlreiche Briefe und bis dahin noch nicht veröffentlichte Arbeiten M.s, darunter auch eine Novelle, enthalten; ferner «Briefe an seine Braut und Frau und an andere Anverwandte» (2 Bde., Stuttg. 1893). Die «Militär. Werke M.s» giebt der Große Generalstab heraus (Berl. 1892 fg.). Am wurde eine Bronzestatue M.s (von Brunow) auf dem Marktplatz zu Parchim, ein Standbild M.s (von Schaper) auf dem Laurenzplatz zu Köln enthüllt, am Leipziger Siegesdenkmal (1888) befindet sich ein Reiterstandbild M.s. Seit Sept. 1873 führt das Fort Nr. 2 von Straßburg, seit 1887 eine Kriegskorvette, seit 1889 das schles. Füsilierregiment Nr. 38 M.s Namen. –
Vgl. Freiherr von Fircks, Feldmarschall Graf Moltke und der preuß. Generalstab (2. Aufl., Berl. 1887).
Seine Biographie schrieben: W. Müller (3. Ausg., Stuttg. 1889), F. von Koppen (Glogau 1888) und Müller-Bohn (3. Aufl., Berl. 1893).