Titel
Mohiléw
,
1) (russ.
Mogilew)
Gouvernement im westlichen Rußland, grenzt im N. an das
Gouvernement
Witebsk, im O. an
Smolensk, im SO. und
S. an
Tschernigow, im
W. an
Minsk und umfaßt 48,046 qkm (872,6 QM.). Das Land besteht
im N. aus einem
Plateau, das bis 274 m
Höhe ansteigt und die
Wasserscheide zwischen
Düna und
Dnjepr bildet,
im S. aus einer weiten
Ebene von 150-190 m
Höhe. Bewässert wird Mohiléw
von mehr als 1000
Flüssen und
Bächen, die alle dem Stromgebiet
des
Dnjepr und der
Düna angehören; in erstern münden allein 250
Flüsse,
[* 2] darunter der bedeutendste der
Sosh.
Die vielen Seen sind alle unbedeutend. Von Sümpfen sind hervorzuheben: der Wereteja, Massalskoje, Junowo;
die meisten derselben sind nur gefroren passierbar und erzeugen Fieber und andre Krankheiten. In einigen Kreisen herrscht Lehmboden, in andern steiniger Grand- und Kiesboden vor;
sonst findet sich überall sandiger Boden, Humus ist nur sehr selten anzutreffen. In geognostischer Hinsicht treten drei verschiedene Formationen auf: im N. die Devon-, im W. und S. die Eocän- und im O. die Kreideformation. [* 3]
Das Mineralreich liefert Eisen, [* 4] Kalkstein, Lehm, Fayenceerde, Torf, Salz [* 5] und Mineralquellen (letztere bei Sjenno und Gorki). Das Klima [* 6] ist unfreundlich, feucht, mit vorherrschenden Nord- und Nordwestwinden und kalten Sommernächten. Die mittlere Jahrestemperatur ist 4,5° C. (Januar -9,2,° Juli +17,4°); die Regenmenge beträgt 48 cm. Die Bevölkerung [* 7] zählt (1883) 1,170,495 Einw., 24 pro QKilometer, und besteht vorzugsweise aus Weißrussen, außerdem Juden, Polen (hauptsächlich der Adel), Groß- und Kleinrussen und Litauern; Deutsche [* 8] sind in geringer Zahl vorhanden.
Der Konfession nach kommen 80 Proz. (darunter gegen 6 Proz. Sektierer) auf die Griechisch-Katholischen, 3 Proz. auf die Römisch-Katholischen, 17 Proz. auf die Juden. Vom Gesamtareal entfallen 38 Proz. auf Wald, 29 auf Äcker und 16 auf Wiesen. Der Ackerbau erzeugt Roggen, im S. auch Weizen im Überfluß, sonstiges Getreide [* 9] nur für den innern Bedarf. Allgemein ist der Hanfbau, besonders auf dem linken Ufer des Dnjepr; im südlichen Teil werden auch Runkelrüben und Tabak [* 10] gezogen.
Die Ernte [* 11] betrug 1884: 3,1 Mill. hl Roggen, 2 Mill. hl Hafer, [* 12] 3,5 Mill. hl Kartoffeln;
Weizen, Gerste, [* 13] Hirse, [* 14] Erbsen, Buchweizen in geringern Mengen.
Das Tierreich liefert sehr viel Flugwild und Fische, [* 15] Bären, Wölfe, Füchse, Hasen, Iltisse, seltener auch Rehe und Biber. Der Viehstand betrug 1883: 369,000 Pferde, [* 16] 371,000 Stück Hornvieh, 330,000 Schafe, [* 17] darunter 5000 Merinos, 322,000 Schweine [* 18] und 58,000 Ziegen. Die Industrie ist sehr unbedeutend und produzierte 1883 für 3,4 Mill. Rubel, namentlich Branntwein, Papier, Leder, Mehl, [* 19] Tabak, Bier und Zündhölzchen. Der Handel, dessen die Juden sich ganz bemächtigt haben, ist recht lebhaft und wird durch die schiffbaren Flüsse (namentlich Düna, Dnjepr und Sosh) sowie durch die drei das Gouvernement durchschneidenden Eisenbahnen (die Linien von Smolensk nach Dünaburg und nach Minsk im N. und die Linie Wilna-Romny im S.) begünstigt.
Wesentliche Artikel der Ausfuhr sind: Leder, Holz, [* 20] Holzprodukte, Kalk und Getreide;
der Einfuhr:
Getreide,
Salz,
Fische, Manufaktur-,
Galanterie- und Drogueriewaren. Die
Volksbildung ist höchst mangelhaft; die Zahl der Lehranstalten
war 1883: 276 mit 13,233
Schülern, darunter 9
Mittelschulen mit 1878
Schülern. Mohiléw
zerfällt in die elf
Kreise:
[* 21]
Gorki,
Homel,
Klimowitschi, Mohiléw
, Mstiszlawe,
Orscha,
Rogatschew, Sjenno,
Staryj-Bychow, Tschauszi und
Tscherikow.
Die gleichnamige Hauptstadt des Gouvernements, in schöner Gegend am Dnjepr gelegen, hat ein altes Schloß, 29 griechisch-kath. Kirchen (darunter die schöne Kathedrale, zu der Katharina II. und Joseph II. von Österreich [* 22] 1780 den Grundstein legten), 4 römisch-kath. Kirchen (darunter die Karmeliterkathedrale, 1692 erbaut), eine protestantische Kirche, 3 Synagogen und 33 jüdische Bethäuser, ein katholisches und ein griech. Priesterseminar, 2 Gymnasien für Knaben und Mädchen, ein 1679 erbautes Rathaus mit gotischem Turm, [* 23] Armen-, Irren- und Krankenhäuser, große Kasernen, über 100 Gerbereien, regen Handel mit Leder, Cerealien, Salz, Zucker, [* 24] Branntwein, Fischen, Hanf und Holz und (1880) 40,536 Einw., davon etwa zwei Drittel Juden.
Die Stadt ist Sitz eines römisch-katholischen
Erzbischofs (seit 1863 vakant), eines griechisch-katholischen
Erzbischofs und
eines
Zivilgouverneurs. Mohiléw
wird urkundlich zuerst im 14. Jahrh. erwähnt, erhielt 1561 von
Siegmund
August und 1577 von
Stephan
Báthori das
Magdeburger
Recht. 1654 ergab sich die Stadt dem
Zaren
Alexei
Michailowitsch; die Bewohner massakrierten jedoch 1661 die ganze russische
Garnison und schlossen sich den
Polen an. 1703 wurde
Mohiléw
von
Peter d. Gr. aus strategischen
Gründen niedergebrannt. Hier
Gefecht
¶
mehr
zwischen den Franzosen unter Davoût und den Russen unter Bagration, in welchem letztere geschlagen wurden. Unweit der Stadt liegt der schöne Jantschinsche Park mit Schloß, worin 1780 die Kaiserin Katharina II. mit dem Kaiser Joseph II. eine Zusammenkunft hielt.
2) (poln. Mogílow) Kreisstadt im russ. Gouvernement Podolien, am Dnjestr, hat 4 griechisch-katholische und eine armen. Kirche, eine Synagoge und 16 jüdische Bethäuser, Gerbereien und (1884) 18,421 Einw. Während die christliche Bevölkerung sich mit Gärtnerei, Böttcher- und Schuhmacherarbeiten, auch etwas Weinbau und Seidenzucht beschäftigt, treiben die Juden lebhaften Handel mit Cerealien, Branntwein, Mais, Holz und Manufakturwaren, besonders nach Galizien und Odessa. [* 26]