Titel
Möbel
[* 2] (franz. meuble, v. lat.
mobilis; hierzu Tafel »Möbel«
),
aller »bewegliche« Hausrat, im engern
Sinn die größern Einrichtungsstücke
der Wohn- und Arbeitsräume (in ihrer Gesamtheit auch
Mobiliar genannt). Sie werden in neuerer Zeit fast nur aus
Holz
[* 3] gebildet,
während im
Altertum und im
Mittelalter auch steinerne und metallene Möbel
häufig vorkamen, wie der Thronsessel
Kaiser
Heinrichs
III. (s.
Kaiserstuhl).
[* 4]
Ihrer Bestimmung
nach lassen sie sich in zwei
Gruppen trennen:
1) Sitz- und Lagermöbel
, 2)
Tische,
Kasten und
Schränke.
Sessel,
Tische und Bettstellen der Ägypter und Assyrer zeigen meist
senkrechte
Stützen und Lehnen mit rechtwinkelig angesetzten
Verbindungen, Sitzbrettern, Tischplatten etc., doch finden sich
auch
Tische mit Kreuzfüßen und
Faltstühle; die Möbel
waren durch Untergestelle höher oder niedriger zu
machen. Prachtmöbel
wurden mit
Metall- und Elfenbeineinlagen,
Email u. dgl. verziert, die Thronsessel mit
Teppichen belegt.
Teppiche und
Polster waren das unentbehrliche Erfordernis für die Ruhebetten der meisten orientalischen
Völker, welche, wie
heute noch, lieber lagen, als aufrecht saßen und daher auch niedrigerer
Tische bedurften und noch bedürfen.
Diese
Sitte ging auf die Griechen und
Römer
[* 5] über, deren Sitzmöbel
auch im wesentlichen die asiatischen
Formen, nur mit einer
Neigung zu geschwungenen
Linien, beibehielten. Dazu kam die
Verzierung der
Sessel- und Tischfüße mit Tierfüßen und Tierköpfen,
in welch letztere man auch gern die Seitenlehnen ausgehen ließ.
Bis auf die
Römer behalf man sich zum Aufbewahren der
Kleider etc. mit
Laden,
Truhen, tragbaren Kästchen; in der spätern römischen
Zeit kamen zuerst
Schränke mit mehreren
Thüren und
Fächern in
Gebrauch. Im
Mittelalter waren die Möbel
häufig immobil: Steinbänke
in den Fensternischen,
Truhen und
Etageren an den getäfelten
Wänden,
Schränke in den letztern;
in romanischer
Zeit bemalte man die glatten
Flächen der Möbel
, in gotischer verzierte man sie mit Schnitzwerk (s. Tafel,
[* 1]
Fig. 3 und
9).
Im Renaissancezeitalter entwickelte sich dann die häusliche Einrichtung und insbesondere das Mobiliar in der trotz der Veränderungen der Mode bis auf den ¶
[* 2] Fig. 1. Rokoko-Konsole (Karlsruhe, [* 7] großherzogliches Schloß).
[* 2] Fig. 2. Stuhl aus Nußbaumholz, deutsche Renaissance (München, [* 8] bayr. Nationalmuseum).
[* 2] Fig. 3. Spätgotischer Tisch (Nürnberg, [* 9] Germanisches Museum).
[* 2] Fig. 4. Gotischer Faltstuhl (Salzburg, [* 10] Frauenstift).
[* 2] Fig. 5. Tische der italienischen Hochrenaissance (Dresden). [* 11]
Fig. 6. Schrank [* 12] der deutschen Spätrenaissance (München, bayr. Nationalmuseum).
[* 2]
Fig. 7. Sitzmöbel
in Form eines Chorstuhls, französische Frührenaissance
(Schloß von
Blois).
[* 2] Fig. 8. Bilderrahmen, 18. Jahrh. (Berliner [* 13] Museum).
[* 2] Fig. 9. Gotischer Schrank (deutsche Arbeit, 15. Jahrh.).
[* 2] Fig. 10. Kredenzschrank (deutsche Arbeit, 1530).
[* 2] Fig. 11. Italienische Hochzeitstruhe, 16. Jahrh. (Mailand.) [* 14]
Fig. 12. Postament in französischer Boulearbeit, 1700.
[* 2] Fig. 13. Fauteuil mit Beauvais-Tapisserie (Zeit Ludwigs XV.).
[* 2] Fig. 14. Kommode aus der Zeit Ludwigs XVI., von J. H. ^[Johann Heinrich] Riesener.
mehr
heutigen Tag in Geltung gebliebenen Art. Namentlich wurden Schränke der verschiedensten Größe und Bestimmung zu einem Hauptbestandteil
des Mobiliars und zu einem Hauptobjekt künstlerischer Gestaltung: neben den auf das mannigfaltigste und kostbarste gezierten,
mit Geheimfächern etc. versehenen Kunstschränken und Kabinetten erscheinen insbesondere Kredenztische oder Büffette
[* 15]
(Fig. 6 u.
10), Bücherschränke, Truhen für Kleider und Wäsche
[* 15]
(Fig. 11), Schmuck und Waffenschränke, Tische
[* 15]
(Fig.
5), Sitzmöbel
für profane
[* 15]
(Fig. 2 u. 4) und kirchliche Zwecke (Kirchen- und Chorstühle,
[* 15]
Fig. 7) etc. Holzbildhauerei, Drechslerkunst
und eingelegte Arbeit aus verschiedenfarbigem Holz (Holzintarsia), aber auch in Marmor, Halbedelsteinen, Messing und Zinn dienen
zur Ausschmückung der Möbel.
Diese verschiedenen Techniken begreift man unter dem Namen Kunsttischlerei.
Den kräftigen Formen der Barockzeit folgen die zierlichen, gewundenen und geschnörkelten Formen des Rokoko
[* 15]
(Fig. 1 u. 8).
Man maskierte das Holz mit weißem Lackanstrich, Vergoldung und Bemalung, und der Tischler Boulle brachte die Einlagen von
Schildkrot und Metall in die Mode
[* 15]
(Fig. 12). Von der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts an bis zur
Mitte des jetzigen herrschte die Geradlinigkeit und Schmucklosigkeit, die Anwendung der Furnierung der wohlfeilen Holzarten
mit dünnen Platten kostbarerer Hölzer vor
[* 15]
(Fig. 13). In der Gegenwart wird die deutsche Kunsttischlerei, welche seit ca. 1875 einen
großen künstlerischen Aufschwung genommen hat, meist von dem Renaissancegeschmack beherrscht, während
die Franzosen mehr den nationalen Stilrichtungen (Louis XIV, XV und XVI) folgen. In England hat sich ein eigentümlicher Möbelstil
ausgebildet, welcher mehr von dem praktischen Bedürfnis als von künstlerischen Grundsätzen beeinflußt wird.
Vgl. Jacquemart, Histoire du mobilier (Par. 1877);
Champeaux, Le [* 16] meuble (das. 1885, 2 Bde.);
Bonaffé, Le meuble en France au XVI. siècle (das. 1886);
Hirth, Das deutsche Zimmer (3. Aufl., Leipz. 1886);
Storck, Einfache
Möbel
im Charakter der Renaissance (Wien
[* 17] 1875);
Schwenke, Ausgeführte und Zimmereinrichtungen der Gegenwart (Berl. 1883-87, 2 Bde.);
Pape, Der Möbel
tischler der Renaissance (Dresd. 1885);
Havard, Dictionnaire de l'ameublement (Par. 1887 ff.);
»Illustrierte Schreinerzeitung« (hrsg. v. Luthmer, Stuttg., seit 1882).
S. auch Zimmerausstattung.