Mnemonik
(grch.), Mnemotechnik oder Gedächtniskunst, die Kunst, durch eine besondere Methode die Leistungen des Gedächtnisses zu steigern. Schon die Alten kannten eine Gedächtniskunst, als deren Erfinder der griech. Dichter Simonides betrachtet wurde und welche nach Cicero (De oratore II, 84, 85) und Quinctilian besonders die Redner anwendeten. Dieselben stellten sich irgend einen begrenzten Raum, z. B. eine Stadt, ein Haus, ein Zimmer vor und verteilten das, was sie sich merken wollten, in der richtigen Reihenfolge auf bestimmte Plätze in diesem Raume.
Diese Methode der
Verbindungen hat im wesentlichen bis auf die neueste Zeit den mnemonischen
Systemen zu
Grunde gelegen. Zum
Teil wurde diese Kunst als eine Art kabbalistischer
Geheimlehre behandelt, wie von
Giordano Bruno, dem Vervollkommner
der sog.
Lullischen Kunst (ars magna Lullii), und noch später, am Ende des 16. Jahrh., von dem
Deutschen Lambertus Schenkel, der als umherreisender
Lehrer derselben Aufsehen erregte; zum
Teil widmeten
aber auch berühmte Gelehrte ihr Nachdenken dieser Kunst, wie Konr.
Celtis im 15. Jahrh. und später
Leibniz.
In dem ersten
Jahrzehnt des 19. Jahrh. regten die
Schriften von Kästner, einem kursächs. Landgeistlichen (Mnemonik
oder die
Gedächtniskunst
der Alten, Lpz. 1804), und vom
Freiherrn von
Aretin, Bibliothekar zu
München
[* 3]
(Systematische Anleitung zur
Theorie und Praxis der Mnemonik
, Sulzb. 1810), das Interesse an dieser Wissenschaft
von neuem an, später die
Schriften von Aimé
Paris
[* 4] (Principes et applications diverses de la mnémonique, 7. Aufl., Par.
1834) und der
Brüder Jos. Feliciano und
Alexander de
Castilho
(Traité de mnémotechnie, 5. Aufl.,
Bordeaux
[* 5] 1835, und Dictionnaire mnémotechnique, 5. Aufl.,
Lyon
[* 6] 1834). Eine eigentümliche Methode bildete der
Pole Jazwinski ans, indem
er mnemonische Quadrate konstruierte und mit Bildern belegen ließ.
In
Deutschland
[* 7] erhob seit 1840 der Däne
Karl
Otto, genannt
Reventlow, die
Mnemotechnik auf eine höhere
Stufe der
Ausbildung, wie man sie aus dessen Lehrbuch der
Mnemotechnik (Stuttg. 1843) und Wörterbuch der
Mnemotechnik (ebd. 1844) kennen
lernen kann. Seine Methode, die sog. Substitutionsmethode, setzt für sinnliche
Vorstellungen,
Begriffe, Wörter und
Buchstaben
Zahlen und umgekehrt, von dem Grundsatze ausgehend, daß die anschauliche
Vorstellung leichter im
Gedächtnis haftet als der
abstrakte
Begriff, und empfiehlt sich besonders, wo es gilt, Reihen von
Zahlen dem
Gedächtnis rasch und sicher einzuprägen.
Ähnlich verfuhr
Hermann
Kothe (Lehrbuch der Mnemonik
, 2. Aufl., Hamb. 1852, und
Katechismus der
Gedächtniskunst oder
Mnemotechnik, 6. Aufl. von Montag, Lpz. 1887) und
Hugo
Weber-Rumpe (Mnemonisches Zahlwörterbuch,
Bresl. 1885, und Mnemonische Unterrichtsbriefe, ebd. 1887-88). Die Schule
kann von der Mnemonik
nur einen sehr beschränkten Gebrauch machen. (S.
Gedächtnisübungen.)