Mittelzell
12 Wörter, 63 Zeichen
Mittelzell,
1) Insel im Unter- oder Zeller See (westlicher Teil des Bodensees), zum bad. Kreis [* 4] Konstanz [* 5] gehörig, an 5 km lang, 2 km breit, östlich mit dem Festland durch eine Brücke [* 6] verbunden, höchst ergiebig an Obst, Getreide [* 7] und Wein, enthält 3 Pfarreien (Oberzell, Mittelzell und Unter- oder Niederzell), ein Schloß und (1885) 1537 kath. Einwohner. Die reiche, 724 daselbst begründete gleichnamige Benediktinerabtei, deren Mönche (Walafried Strabo, Hermann Contractus, Berno u. a.) sich vom 9. bis ins 16. Jahrh. große Verdienste um die Wissenschaften erwarben, kam 1538 an das Hochstift Konstanz und ward 1803 säkularisiert. Die Klosterkirche enthält das Grab Karls des Dicken.
Vgl. Schönhuth, Chronik des ehemaligen Klosters Reichenau (Freiburg [* 8] 1836);
Staiger, Die Insel Reichenau (Konst. 1874). -
2) Stadt im östlichen Böhmen, [* 9] an den Vorbergen des Adlergebirges gelegen, hat ein schönes Schloß mit Bibliothek und Gemäldesammlung, eine Bezirkshauptmannschaft und ein Bezirksgericht, ein Obergymnasium, Piaristenkollegium, Fabrikation von Tuch, Baumwoll- und Leinenwaren und (1880) 4702 Einw. -
3) Marktflecken in der böhm. Bezirkshauptmannschaft Gablonz, an der Pardubitz-Reichenberger Eisenbahn, hat eine Fachschule für Malerei und Steinschneidekunst, [* 10] Erzeugung von Edelsteinimitationen und Dosen, gewerbsmäßige Ölmalerei und (1880) 2522 Einw. -
4) Dorf in der niederösterreich. Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen, [* 11] am Eingang des romantischen, zwischen dem Schneeberg und der Raxalpe gelegenen, von der Schwarza durchströmte Höllenthals, hat eine Kaltwasserheilanstalt (Rudolfsbad), ein Kurhaus, schöne Villen, darunter die des Erzherzogs Karl Ludwig (Wartholz), und (1880) 935, als Gemeinde, mit Einschluß von 20 kleinen Ortschaften oder Rotten, 6854 Einw. Im Gemeindebezirk liegen der Thalhof, die Prein, Edlach, Payerbach und andre reizend gelegene Orte und Wiener Villeggiaturen, der Kaiserbrunnen (Ausgangspunkt der Wiener Hochquellenleitung), dann mehrere industrielle Anlagen, so ein Hochofen mit Eisengießerei [* 12] (Edlach), ein Hammer- und Walzwerk [* 13] (Hirschwang), eine große Papierfabrik (Schlögelmühl), eine Cellulose- und Holzstofffabrik u. a. -
5) Dorf in der sächs. ¶
Kreishauptmannschaft Bautzen, [* 15] Amtshauptmannschaft Zittau, [* 16] an der Linie Zittau-Markersdorf der Sächsischen Staatsbahn, aus den beiden Gemeinden Reichenau klösterlichen und Reichenau Zittauer Anteils bestehend, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, Spinnerei, Orléansfabriken, Färbereien nebst Appreturanstalten, Leimsiederei, Maschinenfabrikation, Ziegelbrennerei, Braunkohlenwerke, eine Farbholzmühle und (1885) 5561 meist evang. Einwohner. - 6) Ein von den Bischöfen von Chur [* 17] erbautes Schloß im schweizer. Kanton Graubünden, [* 18] am Zusammenfluß des Hinter- und Vorderrheins. Hier blühte die vom Bürgermeister Tscharner von Chur errichtete Erziehungsanstalt, deren Miteigentümer H. Zschokke war, und an welcher der Herzog von Chartres (der nachmalige König Ludwig Philipp) 1793-94 unter dem Namen Chabot als Lehrer der französischen Sprache [* 19] wirkte. Das Schloß ist jetzt im Besitz der Familie v. Planta.
Rudolf, Schriftsteller, geb. 1817 zu Marienwerder, [* 20] studierte in Königsberg [* 21] und Bonn [* 22] Rechtswissenschaft und widmete sich in seiner Vaterstadt dem Staatsdienst, den ihn Kränklichkeit jedoch bald zu verlassen zwang. Er siedelte nun (1859) nach Berlin [* 23] über, wo er sich schriftstellerischer Thätigkeit zuwandte und starb. Quell und Inhalt seiner mit Beifall aufgenommenen Schriften war ausschließlich das deutsche Familienleben, dessen einzelne Stadien er in seiner Beobachtung poesievoll und mit Laune zu schildern verstand. Es sind: »Aus unsern vier Wänden«, in drei Abteilungen: »Kinderleben« (11. Aufl. 1868),
»Knaben und Mädchen« (1864) und »Auswärts und Daheim« (1864);
ferner »Liebesgeschichten. Neues aus den alten vier Wänden« (1868);
»Am eignen Herd. Aus den neuen vier Wänden« (1873) und »Die Alten. Letzte Bilder« (1876).