Titel
Mineralwässer
(Mineral- oder Heilquellen, Gesundbrunnen), Quellwässer, welche sich von den gewöhnlichen Quellwässern, sei es durch das Vorkommen von besondern Bestandteilen, sei es durch einen hohen Gehalt an Stoffen, welche in andern Quellwässern nur in geringen Spuren vorhanden sind, sei es durch eine höhere Temperatur, auszeichnen. Die Wichtigkeit eines Gehalts des Wassers an Jod und Brom, die Steigerung der Menge des keiner Quelle [* 2] fehlenden Chlornatriums bis zur Hervorbringung einer Solquelle und die Wildbäder, deren Wasser sich eben nur durch die hohe Temperatur auszeichnen, während der Gehalt an gelösten Stoffen ein ganz geringer ist, sind Beispiele für die verschiedenen Eigenschaften, welche ein Quellwasser zum Mineralwasser machen können.
Als Hauptbestandteile der Mineralwässer
sind aufzuführen:
Chloride,
Schwefelsäure-,
Kohlensäure- und Doppeltkohlensäuresalze sowie
Sulfurete von
Kalium,
Natrium,
Magnesium,
Calcium,
Strontium,
Eisen
[* 3] und
Mangan.
Ammoniak kommt selten vor,
Rubidium und
Cäsium nur
in
Spuren,
Lithium,
Baryum,
Aluminium, aber auch
Kupfer,
[* 4]
Blei,
[* 5]
Zink in geringer
Menge. Wichtig ist ein
Brom- und
Jodgehalt, außerdem kommt sehr regelmäßig
Kieselsäure vor, seltener
Fluor,
Phosphorsäure,
Salpetersäure,
arsenige Säure,
Borsäure, freie
Schwefel- und
Salzsäure etc.
Organische
Stoffe finden sich immer nur in geringer
Menge, und ihre
Natur ist noch
sehr wenig erforscht. An
Gasen enthalten die Mineralwässer
gelöst:
Sauerstoff,
Stickstoff,
Schwefelwasserstoff, Kohlenoxysulfid
und gewöhnlich
Kohlensäure, diese bisweilen in sehr großer
Menge. Nach ihren
Bestandteilen kann man die Mineralwässer
in folgender
Weise
gruppieren: A. Alkalische Mineralwässer
(Natropegae) enthalten vorzugsweise kohlensaures
Natron und
Kohlensäure,
¶
mehr
außerdem kohlensauren Kalk, kohlensaure Magnesia, schwefelsaures Natron und Chlornatrium. a) Einfache Säuerlinge mit wenig festen
Bestandteilen und nicht unter 400 ccm Kohlensäure in 1 Lit.: Heppinger, Apollinaris- und Landskroner Brunnen
[* 7] im Ahrthal, die Säuerlinge
des Laacher Sees, die Wernarzer und Sinnberger Quelle bei Brückenau, Liebwerda, Marienquelle in Marienbad, Dorotheenau bei
Karlsbad. b) Alkalische Säuerlinge mit bedeutendem Gehalt an kohlensaurem Natron und Kohlensäure und sehr untergeordneten Mengen
andrer Bestandteile: Vichy, Neuenahr, Mont Dore, Néris, Chaudes-Aigues, Bilin, Fachingen, Geilnau, Gießhübel, Preblau, Borszek, Elöpatak,
Rodna. c) Alkalisch-muriatische Säuerlinge enthalten neben kohlensaurem Natron auch Kochsalz: Ems,
[* 8] Luhatschowitz (jod- und bromreich),
Selters, Gleichenberg, Weilbach (Lithionquelle), Raisbach bei Bonn,
[* 9] Krankenheil. B. Glaubersalzwässer enthalten
neben kohlensaurem vorwaltend schwefelsaures Natron: Karlsbad, Bertrich, Marienbad, Tarasp-Schuls, Ofen, Salzbrunn, Rohitsch, Salzquelle
in Franzensbad. C. Eisenwässer (Chalybopegae) mit einem Gehalt an Eisensalzen (meist doppeltkohlensaurem Eisenoxydul) von nicht
weniger als 0,06 in 1 Lit. a) Reine Eisenquellen sind arm an festen Bestandteilen, reich an Kohlensäure:
Schwalbach, Spaa, Altwasser, Brückenau, Reinerz, Liebenstein, Königswerth, Ambrosius- und Karolinenquelle in Marienbad, Hofgeismar,
Schandau, Freienwalde, Niederlangenau, Steben. b.) Alkalische und alkalisch-salinische Eisensäuerlinge enthalten außer kohlensaurem
Eisenoxydul noch kohlensaures, schwefelsaures Natron und Kohlensäure in hervorragender Menge: Franzensbad, Elster,
[* 10] Kudowa, Flinsberg,
Bartfeld. c) Erdig-salinische Eisensäuerlinge enthalten neben kohlensaurem Eisenoxydul und schwefelsaurem
Natron noch kohlensauren und schwefelsauren Kalk: Pyrmont, Driburg, Rippoldsau, Petersthal, Griesbach, Freiersbach, Antogast, Schuls,
Charlottenbrunn, Wildungen, Contrexéville. d) Eisenwässer mit schwefelsaurem Eisenoxydul: Alexisbad, Muskau, Mitterbad und Ratzes
in Tirol.
[* 11] D. Kochsalzwässer (Halopegae) mit vorherrschendem Gehalt an Kochsalz und andern Chloriden enthalten in untergeordneter
Menge schwefelsaure Alkalien und Erdsalze, kohlensaure Erdsalze und kohlensaures Eisenoxydul. a) Einfache
Kochsalzwässer mit geringem Kochsalzgehalt: Kissingen,
[* 12] Homburg,
[* 13] Kronthal, Mergentheim,
[* 14] Neuhaus bei Aschaffenburg,
[* 15] Kannstatt,
[* 16] Aachen,
[* 17] Burtscheid, Mehadia, Wiesbaden,
[* 18] Baden-Baden,
[* 19] Bourbonne les Bains, Mondorf, Soden. b) Solen mit bedeutendem Kochsalzgehalt: Nauheim,
Öynhausen, Soden, Ischl,
[* 20] Reichenhall, Arnstadt,
[* 21] Salzungen, Wittekind, Jaxtfeld, Kösen, Sulza, Juliushall, Frankenhausen, Beringer Brunnen,
Hubertusbrunnen, Hall
[* 22] in Württemberg,
[* 23] Hall bei Innsbruck,
[* 24] Salzhausen. c) Jod- und bromhaltige Solen mit bedeutendem
Jod- und Bromgehalt: Kreuznach,
[* 25] Elmen, Dürkheim,
[* 26] Adelheidsquelle, Hall in Oberösterreich, Salzbrunn, Wildegg, Königsdorf-Jastrzemb.
E. Bitterwässer (Picropegae) enthalten vorwiegend Bitter- und Glaubersalz: Püllna, Saidschütz, Sedlitz, Gran,
[* 27] Ivanda, Budapest
[* 28] (Hunyadi), Birmensdorf und Mülligen in der Schweiz,
[* 29] Friedrichshall und Alap in Ungarn.
[* 30] F. Schwefelwässer (Theiopegae)
riechen deutlich nach Schwefelwasserstoff und enthalten lösliche Schwefelmetalle: Stachelberg, Le
[* 31] Prese, Heustrich in der Schweiz,
Barèges, Eaux-Chaudes, Bagnères de Luchon, Amélie les Baius, Aix, Eaux Bonnes. G. Erdige oder kalkhaltige Mineralwässer
enthalten vorwiegend
kohlensauren und schwefelsauren Kalk, Chlorcalcium. a) Einfache erdige Mineralwässer:
Leuk, Bormio, Lippspringe, Bath,
Weißenburg
[* 32] in Bern,
[* 33] Saxon in Wallis.
b) Erdige Mineralwässer
mit erheblichem Gehalt an Schwefelwasserstoff: Baden
[* 34] bei Wien,
[* 35] Baden im Aargau,
Schinznach, Trentschin,
Teplitz, die Euganeischen Thermen oder Bäder von Abano, Nenndorf, Eilsen, Meinberg, Langenbrücken, Boll, Reutlingen,
[* 36] Wipfeld, Hechingen.
H. Indifferente Thermen, Wildbäder (Akratothermen), sind arm an festen und gasförmigen Bestandteilen, nur
Stickgas entwickelt sich aus den meisten in bedeutender Menge; sie wirken wohl hauptsächlich durch ihre hohe Temperatur: Plombières
19-65°, Topuszko 49-55°, Banis 30-50°, Teplitz 39-49,4,° Wildbad Gastein 35-48°, Warmbrunn 35-40,5,° Römerbad bei Tüffer
37,5,° Wildbad in Württemberg 35-38,4,° Pfäfers und Ragaz 34-35°, Neuhaus 35°, Schlangenbad 27-30,5,° Landeck 17,5-29°,
Johannesbad 29°, Tobelbad 25-29°, Liebenzell 22,5-25°.
Die Bestandteile der Mineralwässer
entstammen, wie die der Quellen überhaupt, den von den versinkenden atmosphärischen Niederschlägen
berührten Gesteinen, wobei sich dadurch, daß das Wasser in den verschlagenen Schlangenwegen, welche seinen unterirdischen
Lauf charakterisieren, eine große Menge Gestein auslaugen kann, Konzentrationsprozesse in dem Sinn abspielen
können, daß ein in den Gesteinen weitverbreiteter, aber nur in Spuren vorkommender Bestandteil sich im Quellwasser in relativ
viel bedeutenderer Menge vorfindet. So entstammen die Solen nicht immer unterirdischen Salzlagern, sondern sie entspringen
mitunter auch aus kristallinischen Gesteinen, den in denselben zwar unbedeutenden, aber weitverbreiteten Chlornatriumgehalt
sammelnd.
Auch die Erhöhung der Temperatur bei den sogen. Thermen ist nur auf eine Wärmezufuhr aus den vom Wasser bespülten Gesteinen zurückführbar; das Wasser versinkt bis zu denjenigen Tiefen der Erdrinde, bei denen durch die erfahrungsmäßige Wärmezunahme nach dem Erdinnern zu die Temperatur der Quelle herrscht; benutzt dann die Quelle beim Aufsteigen eine Spalte, also einen bequemen, rasch zurücklegbaren Weg, so wird sie ohne wesentlichen Wärmeverlust an der Erdoberfläche ankommen mit dem der tiefsten Stelle ihres unterirdischen Laufes entsprechenden Wärmegrad.
Wechselt die Natur der Gesteine, [* 37] welche vom versinkenden Wasser berührt werden, so kann sich eine Mannigfaltigkeit von chemischen Prozessen abspielen. So kann mit Sauerstoff beladenes Wasser in der Tiefe auf Schwefeleisen, in Kalkstein eingeschlossen, stoßen; dieses liefert bei der Oxydation nicht nur leicht lösliches Eisensulfat, sondern auch Schwefelsäure, [* 38] die dann auf das Calciumcarbonat einwirken wird und das Wasser mit Kohlensäure anreichert, für welche es aber auch noch andre Abstammung geben kann: unterirdische Ansammlungen gasförmiger Kohlensäure vulkanischen Ursprungs oder Zufuhr aus den obersten Schichten der Erde, deren Vegetationshülle reichlichst Kohlensäure, vom Wasser in die Tiefe entführt, liefern kann. Mit Kohlensäure auf irgend einem Weg versehen, wird das Wasser alle von ihm berieselten kohlensauren Gesteine stark auflösen, als doppeltkohlensaure Salze an die Erdoberfläche transportieren. Spielt sich der oben erwähnte Oxydationsprozeß von Doppelschwefeleisen in dolomitischen Gesteinen ab, so sind die Bedingungen zur Bildung von Bitterwässern gegeben; wirkt die auf diesem Wege ¶
mehr
gebildete Schwefelsäure auf alkalihaltige Silikate ein, so entstehen Glaubersalzquellen. Mit Sulfaten, etwa mit Gips,
[* 40] beladene
Wässer können beim Durchsinken bituminöser Schichten eine Reduktion der Sulfate erleiden und die neugebildeten Schwefelverbindungen
eine Schwefelwasserstoffquelle veranlassen. Charakteristisch sind ferner für gewisse Mineralwässer
die Absätze, die sie an ihrer Austrittsstelle
liefern, so namentlich der Schwefel für die Schwefelwasserstoffquellen, die kohlensauren Salze als solche
oder wie das Eisencarbonat weiter oxydiert (zu Eisenhydroxyd) für die Säuerlinge. In diesen Absätzen finden sich nicht selten
die im Quellwasser nur in sehr geringen Spuren auftretenden Körper in wägbarer Menge (so z. B. Arsen in den Eisenabsätzen).
Die Mineralwässer
werden zum Teil direkt an der Quelle getrunken (Brunnenkur) oder zum Baden benutzt, vielfach aber
auch auf Krüge
[* 41] oder Flaschen gefüllt und verschickt. Wird hierbei nicht genügend Rücksicht auf die Beschaffenheit des Wassers
genommen, so kann dasselbe in kurzer Zeit sich zersetzen. Als Schutzmittel wirkt stets die freie Kohlensäure, welche die
Kohlensäuresalze der alkalischen Erden und des Eisens in Lösung erhält und durch ihren Druck den Zutritt
der Luft in die Flaschen hindert. Man hat deshalb mehrfach angefangen, beim Füllen der Flaschen Vorkehrungen zu treffen, durch
welche die im Mineralwasser enthaltene freie Kohlensäure am Entweichen gehindert wird.
Künstliche Mineralwässer.
Der gesteigerte Konsum der Mineralwässer
hat dazu geführt, die natürlichen Mineralwässer nachzuahmen, durch künstliche
zu ersetzen. Indem man genau die Analyse der und das Verhalten der nachgewiesenen Stoffe berücksichtigt, gelangt man zu Nachbildungen,
welche die natürlichen Mineralwässer
in vielen Fällen vollständig zu ersetzen im stande sind und stets gleiche Beschaffenheit haben,
während die natürlichen Mineralwässer
in verschiedenen Jahren oder Jahreszeiten
[* 42] erhebliche Schwankungen in ihrer
Zusammensetzung zeigen. In neuerer Zeit hat man gleichsam neue Mineralwässer
geschaffen, indem man Mischungen
herstellte, die sich
nicht in der Natur vorfinden u. für manche Fälle oft viel zweckmäßiger zusammengesetzt sind als die
natürlichen Mineralwässer, bei denen gewisse Bestandteile unangenehme Nebenwirkungen hervorbringen können.
Die Fabrikation der künstlichen Mineralwässer erfolgt im allgemeinen in der Weise, daß man sehr reines (destilliertes) Wasser mit den der Analyse entsprechenden Ingredienzien versetzt, dann mit Kohlensäure unter einem Druck von mehreren Atmosphären sättigt und das fertige Wasser auf Flaschen füllt. Bei fabrikmäßigem Betrieb benutzt man zur Entwickelung der Kohlensäure Apparate mit Rührwerk, z. B. einen innen verzinnten und mit Blei ausgelegten kupfernen Cylinder A [* 39] (Fig. 1), durch dessen Deckel, mit Stopfbüchsen [* 43] o gedichtet, eine durch die Kurbel [* 44] p drehbare Messingwelle n geht, an der ein vierarmiger, mit Blei beschlagener hölzerner Rührapparat befestigt ist.
In der Mitte des Entwickelungsgefäßes erhebt sich ein Cylinder, welcher das Bleigefäß B zur Aufnahme der Säure enthält. Die Öffnung a im Boden desselben kann durch das Stangenventil b mittels der Kurbel e geöffnet und geschlossen werden. Die kleine Öffnung c dient zur Druckausgleichung, die Verschraubung f zum Einfüllen der Säure, m ist ein Manometer, [* 45] h dient zum Einfüllen des Kohlensäuresalzes, als welches man Magnesit, auch Kreide [* 46] oder Kalkstein benutzt, l zum Ablassen der Lösung nach vollendeter Entwickelung.
Die Kohlensäure entweicht durch das mit Hahn [* 47] z versehene Rohr r, während i ein Sicherheitsventil ist. Die Kohlensäure passiert ein oder mehrere halb mit Wasser gefüllte Waschgefäße und wird auch, wenn nötig, mit Eisenvitriollösung, Sodalösung, neutraler. Eisenchloridlösung, übermangansaurem Kali oder Öl gewaschen, passiert auch wohl ein Gefäß [* 48] mit frisch ausgeglühter Holzkohle. Man sammelt die Kohlensäure in Gasometern von gewöhnlicher Konstruktion und treibt sie durch eine Druckpumpe in ein kupfernes, innen verzinntes Mischgefäß, in welchem ein Rührwerk das Gas mit dem Wasser, welches bereits die dem Mineralwasser eigentüm-
[* 39] ^[Abb.: Fig. 1. Kohlensäure-Entwickelungsapparat.]
[* 39] ^[Abb.: Fig. 2. Apparat zur Darstellung künstlicher Mineralwässer.] ¶