Titel
Milzbrand
,
Milzbrand
fieber, Milzbrandb
räune, Karbunkelkrankheit, Anthrax,
Zungen- oder Gaumenanthrax, Rückenblut,
Lendenblut, Blutseuche, Rankkorn (Pustula maligna),
Antonius- und
Darmfeuer,
Sibirische
Pest, eine bei den
Tieren nicht selten vorkommende und auf den
Menschen übertragbare
Krankheit. Der Milzbrand
entsteht durch
Aufnahme des
Milzbrandbacillus
(s. d.) oder seiner
Sporen mit dem Futter oder durch das Eindringen in die verletzte
Haut.
[* 2] Der Milzbrand
ist von einem
Tiere auf ein
anderes nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar, d. h. durch
Exkremente oder
Blut, die in Wunden der andern
gelangen, übertragbar.
Der Milzbrand
wird auf den
Menschen sehr selten durch den Genuß des Fleisches von milzbrand
kranken
Tieren, häufig aber durch unvorsichtiges
Abhäuten und
Zerlegen der
Kadaver übertragen. Das Reichs-Viehseuchengesetz schreibt beim
Ausbruch des Milzbrand
oder bei dem
Verdacht
desselben die
Anzeige an die Polizeibehörde vor. Wird hierauf Milzbrand
vom Tierarzt festgestellt, so muß der
Kadaver mit
Haut und
Haar
[* 3] vorschriftsmäßig verscharrt oder unter Anwendung hoher Hitzegrade oder von
Chemikalien unschädlich
beseitigt werden.
Die
Abgänge und der Ort, an dem das kranke
Tier oder der
Kadaver sich befand, müssen desinfiziert werden.
Der Milzbrand
wurde früher namentlich durch unzweckmäßige Beseitigung der daran gestorbenen
Tiere auf vorher seuchenfreie Gebiete
verschleppt. In jüngster Zeit hat man in den Gerbereien oder den dort verarbeiteten Wildhäuten eine ebenfalls nicht unwichtige
Quelle
[* 4] von Milzbrand
infektionen und -Verschleppungen entdeckt. Die Erscheinungen des Milzbrand sind bei den einzelnen
Tierarten sowie nach der Art der
Ansteckung verschieden. Man unterscheidet
1) einen Darmmilzbrand
bei
Aufnahme des
Giftes mit dem Futter (auch Fütterungsmilzbrand
genannt) und 2) den Hautmilzbrand
(Karbunkel, Karbunkelkrankheit, äußerer Milzbrand
). Bei der erstern Milzbrandform werden in der Regel
Sporen aufgenommen, die im
Tierkörper zu
Bacillen auswachsen;
Bacillen, die sich in der Nahrung finden, werden gewöhnlich durch
den
Magensaft unschädlich gemacht. Der Hautmilzbrand wird durch
Bacillen oder
Sporen hervorgerufen, die zufällig in vorhandene
Wunden gelangen oder durch stechende
Insekten
[* 5] übertragen werden.
Der Milzbrand kommt vor beim Rind,
[* 6] Schaf,
[* 7] Ziege,
Pferd,
[* 8]
Rot- und Damwild. Sehr wenig empfänglich ist der
Hund und das
Schwein
[* 9] (fälschlicherweise wird häufig der
Rotlauf (s. d.) der Schweine
[* 10] mit Milzbrand verwechselt).
Beim Schweine findet man in
den seltenen Fällen gewöhnlich Anschwellung der Rachenschleimhaut, weshalb die
Krankheit auch als Milzbrandb
räune bezeichnet
wurde. Bezeichnend für Milzbrand ist das plötzliche Entstehen, der schnelle Verlauf,
Tod durchschnittlich in 1-3
Tagen. Während
der
Krankheit versiegt plötzlich die
Milch, die
Tiere zeigen hohes
Fieber,
Atemnot, Anschwellungen auf der
Haut und Blutabgang aus dem
After; in einem durch einen Schnitt in die
Haut gewonnenen
Tropfen
Blut lassen sich mit dem Mikroskop
[* 11] zahllose
Bacillen nachweisen. Sehr schnell mit dem
Tode endigende Fälle nennt man
Milzbrandblutschlag. An geschlachteten
milzbrandkranken
Tieren fallen vor allen Dingen die stark
¶
mehr
geschwollene, dunkelrote, zerfließliche Milz, ferner Blutungen und sulzige Ergießungen unter der Haut und an den Eingeweiden auf. Jedes Tier mit solchen Erscheinungen ist im höchsten Grade milzbrandverdächtig. Eine Behandlung des Milzbrand bei den Tieren ist ohne Erfolg und deshalb durch das Reichs-Viehseuchengesetz verboten; dagegen wird von den angesteckten Menschen ein großer Teil durch rechtzeitig angewandte sachverständige Hilfe gerettet. Das Wesentlichste hierbei ist das Ausbrennen oder Ausschneiden der Milzbrandgeschwulst und Berieselung der Wunde mit Carbol-, Kreolin- oder Sublimatwasser.
Eine Zeit lang versuchte man durch Milzbrandschutzimpfung mit abgeschwächtem Milzbrandgifte die Haustiere in ausgesprochenen
Milzbranddistrikten gegen Ansteckung zu schützen. Zu diesem Behufe wurden Milzbrandb
acillen durch Züchtung
bei 42–43° abgeschwächt und zuerst ein schwächerer (premier vaccin) und 10–14 Tage später ein stärkerer Impfstoff
(second vaccin) den Tieren eingeimpft. Wenn es auch auf diese Weise möglich ist, Tiere eine bestimmte Zeit lang gegen natürliche
Ansteckung durch Milzbrand zu schützen, so sind die angestellten Versuche, namentlich durch
die zum Teil recht hohen Impftierverluste, vorläufig zu weiterer Anwendung der Schutzimpfung nicht ermutigend.