Titel
Miller
,
1)
Johann
Martin, Liederdichter und Romanschriftsteller, geb. zu
Ulm,
[* 2] studierte in
Göttingen
[* 3]
Theologie
und schloß sich hier dem
Göttinger Dichterbund an, ward 1775
Vikar am
Gymnasium seiner Vaterstadt, 1780
Pfarrer zu
Jungingen, 1781
Professor
zu
Ulm, wo er, seit 1810
Dekan und geistlicher
Rat, starb. Miller
ward hauptsächlich durch seinen
Roman »Siegwart, eine Klostergeschichte« (Leipz.
1776, 2 Bde.) ein vielgelesener Schriftsteller. Er gab darin
der
Sentimentalität der Zeit, welcher kurz vorher
Goethes
»Werther« entsprungen war,
Ausdruck und
Nahrung; doch blieb das Werk
in seiner schwächlichen Unnatur tief unter dem genannten
Roman zurück.
Dabei verfolgte »Siegwart« eine moralisierende Tendenz, die auf die unmännlichste Fügsamkeit gegen jede Brutalität der Außenwelt hinauslief. Ähnliche lehrhafte Tendenzen vertreten auch die Romane: »Beitrag zur Geschichte der Zärtlichkeit; aus den Briefen zweier Liebenden« (Leipz. 1776);
»Briefwechsel dreier akademischer Freunde« (Ulm 1776-77) und »Geschichte Karls von Burgheim und Emiliens von Rosenau« (Leipz. 1778-1779).
Das
Beste, was Miller
hervorgebracht, sind einzelne
seiner ehedem vielgesungenen
Lieder, denen Innigkeit und zuweilen ein ans echte
Volkslied anklingender
Charakter nachzurühmen
sind. Seine Selbstbiographie findet sich in
Bock
[* 4] und
Mosers. »Sammlung von Bildnissen Gelehrter und
Künstler« (Nürnb. 1803).
Vgl. Prutz, Der Göttinger Dichterbund (Leipz. 1841).
2)
Ferdinand von, Erzgießer, geb. zu Fürstenfeldbruck, trat als
Lehrling bei einem Silberarbeiter
in
München
[* 5] ein, besuchte seit 1836 die
Akademie und modellierte und ziselierte nebenbei.
Sein Oheim, der Erzgießer Stiglmaier,
schickte ihn 1833 nach
Paris,
[* 6] damit er sich dort in der
Technik des
Erzgusses vervollkommte. In
Paris trat
er in die Werkstätte Soyers ein, arbeitete auch, um das
Vergolden größerer Erzstatuen etc. zu erlernen, in einer Vergolderwerkstätte
und kehrte dann heim, um später die 3 m hohen bayrischen Fürstenstatuen
Schwanthalers für den Thronsaal des Saalbaues zu
München in
Feuer zu vergolden, was
man in
Paris für eine Unmöglichkeit erklärt hatte. 1844, wo er als
Nachfolger seines Oheims zum Inspektor der königlichen Erzgießerei ernannt wurde, begann
er den Guß der 17 m hohen Schwanthalerschen
Bavaria
und vollendete ihn 1850. Infolge der
Londoner
Ausstellung (1851) eroberte er sich durch einen der
Löwen
[* 7] vom
Münchener
Siegesthor den amerikanischen
Markt. Von da an lieferte er, wie vorher für
Deutschland
[* 8] und
Österreich,
[* 9] nun auch eine lange
Reihe von Kolossalgüssen für die
Neue Welt, mehr als 80 an der Zahl, darunter das
Thor des
Kapitols in
Washington.
[* 10] Miller
war längere Zeit Gemeindebevollmächtigter von
München und bayrischer
Landtags- und Reichstagsabgeordneter,
als welcher er der Zentrumspartei angehörte. Das letzte größere Werk seiner
Gießerei,
[* 11] welche zuletzt
von seinen
Söhnen
Ferdinand
(s. Miller
5) und
Ludwig (geb. 1850) geleitet wurde, war die
[* 1]
Figur der
Germania
[* 12] (s. d.) für das Niederwalddenkmal.
Er starb
3) Orest Fedorowitsch, russ. Litterarhistoriker, geb. 1833 zu Reval, [* 13] studierte in Petersburg, [* 14] unternahm 1858 eine Reise ins Ausland zu wissenschaftlichen Zwecken und habilitierte sich 1863 als Dozent an der Petersburger Universität; später wurde er zum Professor der russischen (speziell ältern) Litteratur ernannt. Er veröffentlichte: »Ilja Murometz und das Paladinentum von Kiew. [* 15] Vergleichende kritische Untersuchungen über die Bestandteile des russischen Volksepos« (Petersb. 1869),
seine bedeutendste, aber einseitige Arbeit, in welcher das russische Volksepos dem deutschen gleichgestellt wird;
außerdem: »Die slawische Frage in Leben und Wissenschaft« (1865);
»Lomonossow und die Reform Peters d. Gr.« (1866);
»Vorlesungen über die russische Litteratur nach Gogol« (2. Aufl. 1878);
»Das Slawentum und
Europa«
[* 16] (1877) u. a. Miller
gehört der slawophilen
Partei an, ohne jedoch deren extreme
Anschauungen zu teilen.
4) Joaquin (mit seinem eigentlichen
Namen
Cincinnatus
Heine Miller
), nordamerikan. Dichter, geb. im
Staat
Indiana, wo seine Eltern auf einer kleinen
Farm wohnten. 1851 siedelte die
Familie nach
Oregon über, doch Joaquin trennte
sich bald von ihr, um sein
Glück auf eigne
Faust in
Kalifornien zu versuchen.
Dort führte er anfangs ein
Vagabundenleben, studierte dann
Jurisprudenz und ward 1870 in einem kleinen, wenig besiedelten
Distrikt zum
Richter gewählt. 1863 verheiratete
er sich mit einer unter dem
Namen Minnie Myrtle schreibenden Dichterin, und sieben Jahre danach wurde er von
ihr geschieden. 1870 ging er nach
London
[* 17] und fand daselbst einen Verleger für seine höchst originellen »Songs
of the sierras« (1871). Diese Gedichte, in denen er die wilde
Schönheit und Prachtfülle südlicher Gegenden mit ungewöhnlicher
Energie schilderte, riefen eine
Sensation in
England hervor, wie man sie dort seit den
Tagen
Byrons nicht
erlebt hatte.
Seit jener Zeit befindet sich Miller
meistenteils auf
Reisen. Er veröffentlichte noch: »Songs of the sunlands« (1873; eine neue,
etwas sanfter gestimmte Fortsetzung der ersten Gedichtsammlung);
»The ship in the desert« (1875);
»Songs of Italy«, »Songs of far away lands« (1878);
das Schauspiel »The Danites« (1876);
»Life among the Modocs« (1873),
eine Beschreibung seiner Erlebnisse unter den Indianern;
»One fair Woman«, Novelle (1876, 3 Bde.);
»Shadows of Shasta« (1881);
»Memorie and rime« (1884);
»Forty-nine, the gold-seeker of the sierras« (1884);
»The destruction of Gotham«, Novelle (1886).
Eine neue Ausgabe seiner »Poetical works« erschien in New York 1882.
5)
Ferdinand von, der jüngere, Bildhauer und Erzgießer, Sohn von Miller
2), geb. zu
München, lernte das
Gießen
[* 18] bei seinem
Vater, dann in den
¶
mehr
Gießereien zu Berlin,
[* 20] Paris und London, das Modellieren bei Kiß in Berlin, bei Widnmann in München und bei Hähnel in Dresden,
[* 21] bildete
sich 1867 in Italien
[* 22] weiter, ging 1871 nach Nordamerika
[* 23] und Kalifornien, machte die Feldzüge von 1866 und 1870/71 als Kavallerieoffizier
in der bayrischen Armee mit und leitete den Guß zahlreicher Monumente. An eignen Werken schuf Miller
mehrere
Figuren für den großen Brunnen
[* 24] in Cincinnati, einen Indianer mit Pfeil und Bogen,
[* 25] Statuen von Shakespeare und Humboldt für St.
Louis und die Statue des Albertus Magnus für Lauingen in Schwaben. - Sein Bruder Fritz (geb. 1840), Goldschmied, Ziseleur und Emailleur,
ist Lehrer für Metallarbeiten an der königlichen Kunstgewerbeschule in München.