Militärgrenze
,
der vom Adriatischen Meer bis Siebenbürgen sich erstreckende schmale Landstrich, welcher Ungarn [* 2] von der Türkei [* 3] scheidet, 1849 zu einem eignen Kronland erhoben wurde, bis auf die neueste Zeit seine eigne militärisch-administrative Verfassung hatte und ein Areal von 33,422 qkm (609 QM.) mit (1869) 1,200,371 Einw. umfaßt. Das Land war zur Abwehr gegen die Macht der Osmanen rein militärisch organisiert, zerfiel in die Kroatisch-Slawonische und die Serbisch-Banater (Ungarische) und enthielt 14 Infanterie-Grenzregimenter und 1 Grenzbataillon mit den zu ihnen gehörigen Landbezirken sowie 12 Militärkommunitäten.
Nach
Abschluß des staatsrechtlichen
Ausgleichs mit
Ungarn wurde die Provinzialisierung der Militärgrenze
beschlossen und seitdem auch
nach und nach durchgeführt. Die Serbisch-Banater Militärgrenze
wurde 1872 (1. Nov.) dem
Königreich
Ungarn einverleibt
und gehört jetzt teils zu den
Komitaten Bács,
Temes und
Krassó, teils wurde das neue
Komitat
Szörény gebildet, welches seit 1880 mit
Krassó vereinigt ist. Die Kroatisch-Slawonische Militärgrenze
dagegen, mit Einschluß des
Peterwardeiner
Regiments, welches zur
Banater
Militärgrenze
gehörte, d. h. das Gebiet vom Adriatischen
Meer bis zur Savemündung, wurde dem
Königreich
Kroatien-Slawonien
einverleibt.
Wirklich provinzialisiert und mit letzterm vereinigt wurde jedoch zuerst nur das Gebiet der beiden
Warasdiner
Grenzregimenter, welches seit 1871 das kroatisch-slawonische
Komitat
Belovár bildet, dann die
Städte
Zengg (jetzt zum
Komitat
Fiume
[* 4] gehörig) und
Militär-Sissek, das, mit
Zivil-Sissek vereint, zu dem
Agramer
Komitat geschlagen wurde.
Vom Jahr 1873 bis 1881 war die Militärgrenze
auf 10 Regimentsbezirke beschränkt, die folgende sechs Grenzdistrikte
bilden:
Distrikt | qkm | Einw. (1881) | Distrikt | qkm | Einw. (1881) |
---|---|---|---|---|---|
Kroatien: | Slawonien: | ||||
Lika-Otočac | 5774 | 151045 | Gradisca | 1905 | 61696 |
Ogulin-Sluin | 3785 | 151278 | Brod | 2223 | 86725 |
Banaldistrikt | 2770 | 134225 | Peterwardein | 2781 | 114115 |
Zusammen (1-6): | 19238 | 699084 |
Dieses Gebiet der ehemaligen Militärgrenze
wird im W. vom Adriatischen
Meer und dem Morlakkenkanal, im N. von den kroatisch-slawonischen
Komitaten und der
Donau, im O. von der letztern und im S.
von
Dalmatien sowie durch die
Unna
[* 5] und
Save begrenzt, welche es von
Bosnien
[* 6] und
Serbien
[* 7] scheiden. Der westliche Teil ist ein meist felsiges, der Karstformation angehörendes
Hochland, das im W.
vom
Velebit (bis 1753
m) und vom
Kapellagebirge (1533 m), im O. dagegen von der Plisevitza (1649 m) eingeschlossen wird und
im
Niveau bis zu 600 m aufsteigt, während die bedeutenden Berggipfel 1600 m
Höhe erreichen.
Auch der östlichere Landesteil bis zum Zusammenfluß der Unna und Save wird von kleinern Gebirgszügen bis zu 700 m erfüllt. Das Klima [* 8] ist in den Gebirgsgegenden rauh, in den Ebenen meist mild; an der Meeresküste erreicht nicht selten die Bora eine außerordentliche Heftigkeit. Die Einwohner sind größtenteils Slawen (95 Proz.), nämlich Kroaten und Serben (657,847) und Slowaken (4741), außerdem Deutsche [* 9] (22,271), Ungarn (4563), Rumänen (1138), Ruthenen, Italienerin der Küste), Albanesen, Zigeuner etc. Der Religion nach sind 345,843 römisch-katholisch, 330,246 griechisch-orientalisch, 10,807 evangelisch und 7462 griechisch-katholisch.
Die Anzahl der Israeliten beträgt 2388. Von der produktiven Bodenfläche (81,61 Proz. des Areals) entfallen auf Ackerland 24,4 Proz., Gartenland 1,17, Weinland 0,64, Wiesen 9,28, Weideland 18,66 und Wald. 27,66 Proz. Haupterwerbszweig ist die Landwirtschaft; der Ertrag derselben ist jedoch sehr verschieden, da im westlichen Teil der steinige Boden, die Borastürme und die übermäßige Dürre den Getreidebau in größerm Maßstab [* 10] schwer aufkommen lassen. In der mit Vorliebe gepflegten Obstkultur nimmt den ersten Platz die Pflaume (Zwetsche) ein, welche gedörrt oder zu Slibowitz und Zwetschenmus verwendet wird.
Wichtig ist ferner der Weinbau, der namentlich bei Karlowitz ein vorzügliches Produkt liefert, sowie der Waldreichtum. Der Viehstand ist namentlich an Schafen (auf den ausgedehnten Hutweiden im W.), Schweinen und Ziegen bedeutend. Auf die Seidenkultur wird besonders im Küstengebiet seit Jahren viel Fleiß verwendet; Jagd und Fischerei [* 11] sind sehr einträglich. Der Bergbau [* 12] liefert als Hauptprodukte Eisenerz (bei Oriovatz, Petrovagora und Trgovo), Kupfer- und Bleierz (Trgovo).
Die Industrie steht quantitativ und qualitativ noch auf sehr niedriger Stufe. Getreide- und Sägemühlen gibt es überall im Land; im übrigen beschränkt sich die gewerbliche Produktion auf Branntweinbrennerei, Töpferarbeiten, Herstellung von Werkholz, Baumaterialien, Leder, auf Seiden- und Wollspinnerei. Ausgebreiteter und mannigfaltiger ist dagegen die häusliche Industrie. Der Handel mit eignen Erzeugnissen ist sehr gering, bedeutender der Transithandel.
Die wichtigsten Ausfuhrartikel sind: Bau- und Werkholz, Wein und Getreide, [* 13] Borstenvieh, Slibowitz, gedörrte Zwetschen, Zwetschenmus, Häute, Schafwolle, Honig, Knoppern und Blutegel. [* 14] Bedeutendere Handelsplätze sind: Semlin, Mitrovitz, Brod, Altgradisca, Kostajnica und Carlopago. Die Volksbildung steht noch auf niedriger Stufe; von je 100 schulpflichtigen Kindern besuchen nur 38 wirklich die Schulen (deren man an 600 zählt), und über 80 Proz. der Gesamtbevölkerung können weder lesen noch schreiben. Von höhern Lehranstalten bestehen 2 Obergymnasien, eine Ober- und 4 Unterrealschulen; ferner eine theologische Lehranstalt (griechisch-orientalisch) und ein Pädagogium.
Seit Aufhebung der Militärverfassung des
Landes bildet die Kroatisch-Slawonische Militärgrenze
einen staatsrechtlichen
Bestandteil des
Königreichs
Kroatien-Slawonien. Als
Landesregierung fungierte früher
¶
mehr
das k. k. Generalkommando in Agram.
[* 16] Die Rechtspflege war seit 1872 von der Verwaltung ganz getrennt; in erster Instanz entschieden
die Bezirksgerichte und sechs Gerichtshöfe, in zweiter und dritter die Militärgre
nzsektionen der Banal- und Septemviraltafel
in Agram. In Angelegenheiten, welche Kroatien-Slawonien mit Ungarn gemeinsam sind, unterstand die auch schon früher
den ungarischen Zentralbehörden, namentlich in Bezug auf das Post-, Telegraphen-, See- und Bergwesen.
Was das Militärwesen betrifft, so wurde seit 1873 das mit dem österreichischen übereinstimmende ungarische Wehrgesetz
von 1868 an Stelle der frühern Militärverfassung eingeführt. Die Gemeindeverfassung der Militärgrenze
wurde durch Gesetz vom geordnet.
Hiernach bildeten die frühern Militärkommunitäten jetzt Städte (mit Magistrat und Stadtrat), alle übrigen
Ortschaften aber Ortsgemeinden (mit Gemeinderat) und sämtliche Ortsgemeinden eines Distrikts eine Distriktsgemeinde (mit einer
aus den Vertretern der Ortsgemeinden zusammengesetzten Repräsentanz). Im übrigen besteht in den Landgemeinden des Grenzgebiets
der patriarchalische Verband
[* 17] der »Hauskommunion« (s. d.), welche berechtigt ist, bewegliche
und unbewegliche Güter gemeinsam zu besitzen und neu zu erwerben, zwar noch fort; die Auflösung dieser Hauskommunionen ist
jedoch gesetzlich bereits ausgesprochen und wird nach und nach durchgeführt.
Nachdem mit kaiserlichem Manifest vom die Vereinigung der Militärgrenze
mit Kroatien und Slawonien und dadurch mittelbar mit
den Ländern der ungarischen Krone angeordnet wurde, ist das ganze Gebiet in die Verwaltung Kroatiens
und Slawoniens übergegangen. Von 1881 bis 1886 standen an der Spitze der provisorisch fortbestehenden sechs Grenzdistrikte
Distriktsbehörden und Bezirksämter. Gegenwärtig ist das Gesamtgebiet der Kroatisch-Slawonischen Militärgrenze
auf
Grund des Gesetzes vom womit das Königreich samt dem Grenzland in acht neugebildete Komitate
eingeteilt wurde, mit Kroatien-Slawonien (s. d.) vollständig vereinigt, und die politische Verwaltung ist in den bisherigen
sechs Grenzdistrikten ganz dieselbe wie in den übrigen Komitaten des Landes. Das ehemalige Grenzgebiet ist jetzt den Komitaten
Lyka-Krbava, Modrus-Fiume, Agram, Požega, Virovititz und Syrmien einverleibt.
[Geschichte.]
Den Grund zur Militärgrenze
legten nach herkömmlicher Ansicht die Könige Ludwig I. und Matthias Corvinus von Ungarn, ersterer
durch die erste Einrichtung einer Hauptmannschaft in Zengg, letzterer durch die Ansiedelung aus der Türkei geflüchteter
Bosnier und Serben in Kroatien im »Kapitanat von Zengg«, der spätern Karlstadter Grenze. Doch verfiel diese
Gründung wieder bis zur Spurlosigkeit. Die eigentliche Ausbildung gewann diese Einrichtung im 16. Jahrh., als Ferdinand I.
(1538) von den Türken vertriebenen Serben (Rascianern) drei Kapitanate in Ostslawonien: Kopreinitz, Kreuz
[* 18] und Ivanic, unter der
Verpflichtung des Kriegsdienstes gegen die Türkei überließ, welche die Grundlage der oberslawonischen oder »windischen«
Grenze mit Warasdin als Vorort ausmachten, während ihr zur Seite sich die »krabatische« oder
kroatische Grenze seit 1578-80 mit Karlstadt als Vorort ausbildete.
Beide unterstanden dem innerösterreichischen Hofkriegsrat zu Graz. [* 19] 1627 wurde die Karlstadter Grenze von den klinischen und kärntnerischen Ständen übernommen und 1630 dem Warasdiner Generalat die erste eigentliche Verfassung gegeben, 1658 ein Generalamtsverwalter für das Karlstadter krëiert. Neue Ankömmlinge und Angeworbene schlossen sich diesen Ansiedlern an, so daß nach dem Karlowitzer Frieden 1699 drei Grenzgeneralate, das Karlstadter, Warasdiner und Banal-Grenzgeneralat, entstanden.
Das im Süden der Karlstadter Grenze 1689 eroberte Land, Likka, Korbavia und Zvonigrad, wurde 1712 ebenfalls der Militärverwaltung unterstellt, wodurch die Karlstadter Grenze ihren Abschluß erhielt. Unter Leopold I. entstand 1702 aus den längs der Save, Theiß und Maros gelegenen Gegenden die Slawonische Grenze unter der Verwaltung des Hofkriegsrats und der kaiserlichen Kammer in Wien. [* 20] Diese Slawonische Grenze erfuhr 1747 eine Verminderung durch Verschmelzung eines beträchtlichen Teils derselben mit Ungarn.
Zur Sicherung des Kordons gegen die Türkei in den Grenzplätzen von Slawonien und Syrmien, welcher jetzt weniger die Einfälle
der Türken als das Eindringen der Pest und den Schmuggelhandel abzuwehren hatte, wurde 1747 ein schon früher aufgestelltes
Bataillon Tschaïkisten erhalten und 1763 in den Landstrich zwischen der Donau und Theiß versetzt. Um diese
Zeit wurde auch die Siebenbürgische Grenze errichtet und zwar die Szekler Grenze 1764, die Walachische 1766. Im J. 1754 wurden
die Militärgrenzrechte statuiert, 1770-87 der Militärgrenzgürtel abgeschlossen und das Kantonsystem eingeführt, und 1807 erhielt
die Militärgrenze
ein Grundgesetz.
Nach den unglücklichen Ergebnissen des Wiener Friedens 1809, durch welchen die westliche Hälfte der an
Frankreich fiel, um einen Teil Illyriens zu bilden, vereinigte der Pariser Friede 1814 die Grenzländer wieder mit der österreichischen
Monarchie. Dieselben bildeten staatsrechtlich einen Teil des ungarischen Reichs und des Großfürstentums Siebenbürgen, waren
aber nach Verfassung und Verwaltung gänzlich von denselben getrennt. Eingeteilt war die Militärgrenze
in vier voneinander
unabhängige, unter dem Hofkriegsrat stehende Generalkommandos oder Generalate als höchste Behörden, unter denen die Regimentskommandos
standen, welche die Bezirksbehörden vorstellten und nicht nur alle rein militärischen Verrichtungen, sondern auch alle
politisch-ökonomischen und Justizgeschäfte besorgten.
Die vier Generalate waren: das kroatische, das slawonische, das Banater oder ungarische und das siebenbürgische. 1848 wurde
die Militärgrenze
anfangs unter die Botmäßigkeit des ungarischen Ministeriums gestellt, schloß sich aber dann dem Kampf gegen die ungarische
Insurrektion an und half ihn siegreich beendigen. Zum Lohn für die bewiesene Treue der Grenzer in Italien
[* 21] und Ungarn wurde das
Militärgrenzgebiet durch die Reichsverfassung von 1849 zu einem eignen Kronland erklärt und erhielt 1850 ein neues Grundgesetz
mit wichtigen Vorteilen für das Land und seine Bewohner.
Nachdem 1851 die Siebenbürgische Militärgrenze
aufgehoben worden, erfolgte die Einteilung in drei Hauptabteilungen: die Kroatische Grenze,
welche in drei Grenzgebiete mit zusammen acht Infanterieregimentsbezirken zerfiel, die Slawonisch-Serbische
Grenze (früher auch die Syrmische genannt) mit drei Infanterieregimentsbezirken und die Banater Grenze mit drei Infanterieregimentsbezirken.
Nachdem in Österreich
[* 22] eine Verfassung eingeführt worden, wurden auch die Verhältnisse der Militärgrenze
wesentlich umgestaltet, indem
die persönlichen und bürgerlichen Rechte ihrer Bewohner erweitert, der Gebrauch der Landessprache gestattet, die körperliche
Züchtigung abgeschafft, der Erwerb des Grundeigentums erleichtert und die Niederlassung Fremder erlaubt
¶
mehr
wurden. Am wurde die Kroatisch-Slawonische Militärgrenze
dem Königreich Kroatien-Slawonien, die Banater Ungarn zugeteilt (s.
oben), durch die Einführung des Wehrgesetzes der letzte Rest der alten Institution beseitigt.
Vgl. Utiesenovic, Die und deren Verfassung (Wien 1861);
Hostinek, Die k. k. und ihre Verwaltung (das. 1861, 2 Bde.);
Vaniček, Spezialgeschichte der Militärgrenze
(1875);
Schwicker, Geschichte der österreichischen Militärgrenze (Teschen 1883).