Milet
,
die mächtigste und reichste unter den ion. Städten Kleinasiens, auf einem Vorsprunge der Küste Kariens am Südrande des Latmischen Meerbusens gelegen, wurde nach der Tradition von ion. Auswanderern aus Attika im 10. Jahrh. v. Chr. gegründet. Die glückliche Lage der Stadt brachte ihren Handel und ihre Schiffahrt zur hohen Blüte; [* 2]
die Milesier dehnten ihren Verkehr und ihre zahlreichen Kolonien (80-90 sollen sie in der Blütezeit besessen haben) nach den Gestaden der Propontis (des Marmarameers), des Pontus Euxinus (Schwarzen Meers), bis zu der Mündung des Tanais (Don), andererseits nach Italien [* 3] und nach Ägypten [* 4] aus;
berühmt war ihre Fabrikation feiner Wollzeuge. Milet
wußte den lydischen Fürsten
(Krösus)
und anfangs den Perserkönigen (Cyrus) gegenüber seine Selbständigkeit zu wahren;
gerade damals, in das 6. Jahrh. v. Chr., fällt die höchste Blüte seiner Kultur;
nur perserfreundliche Tyrannen herrschten.
Als einer von diesen,
Aristagoras, sich 499 gegen
Persien
[* 5] erhob und den ion.
Aufstand entzündete, ward Milet
494 nach verzweifeltem
Widerstand zerstört. Zwar
siedelten sich bald wieder Griechen hier an und stellten die Stadt her, doch gewann sie nur einen
Teil ihres frühern
Glanzes
wieder. Heutzutage steht auf ihrer
Stelle das ärmliche Dorf Palatia. Milet
ist Geburtsort der
Philosophen
Thales,
Anaximander und
Anaximenes, des Geschichtschreibers
Hekatäus und des Romanschreibers
Aristides, dessen «Milesiaca», Erzählungen
lasciven
Inhalts, auch bei den
Römern großen Beifall fanden, die danach alle ähnlichen
Schriften als Fabulae Milesiae
(Milesische Märchen
oder
Geschichten) bezeichneten. Die noch vorhandenen Ruinen
M.s sind spät und unbedeutend, wertvoller sind die des nahe gelegenen
Apollotempels (Branchidä; s. Didyma).