diejenige Art der
Haltung von
Rindvieh, bei welcher man die Erzielung der größtmöglichen
Menge von
Milch und deren beste Verwertung beabsichtigt. Sie bedingt, besonders bei direktem Verkauf von frischer
Milch, weit lebhaftern
Geldumsatz, als sonst möglich, und kann deshalb mit relativ geringerm
Betriebskapital organisiert werden.
Von großer Wichtigkeit ist die Milchwirtschaft für die städtischen
Bevölkerungen. Sehr schöne Einrichtungen der Art haben unter andern
London,
[* 2]
Leipzig,
[* 3]
Breslau.
[* 4] Am vorteilhaftesten gestaltet sich hier der Betrieb ganz ohne
Zucht mit frischmelkenden
Kühen, welche
man so lange benutzt, als sie genügend
Milch geben. Im großen
Durchschnitt kann man annehmen, daß die
Kühe im ersten Halbjahr nach dem
Kalben 70-80 Proz. ihres gesamten Milchertrags liefern.
Hält man die
Kühe in den Milchwirtschaften nur so lange, so erhält man mit ganz denselben Unkosten die doppelte Milchmenge.
Sorgsame Berechnungen haben erwiesen, daß eine Milchwirtschaft in einer großen Stadt nicht bestehen
kann, wenn nicht im großen
Durchschnitt pro
Kopf täglich mindestens 9
Lit.
Milch gemolken werden können, gleichgültig, ob
der Betrieb mit eignem
Areal oder ohne solches stattfindet. Da, wo die
Milch nicht mehr täglich frisch verkauft werden kann,
muß die Milchwirtschaft entweder zur
Butter- oder zur Käsefabrikation
¶
mehr
eingerichtet werden. LangeTransporte verträgt die Milch nicht. Der direkte Verkauf für den Bedarf großer Städte fordert die
Einrichtung von Milchwirtschaften in der nächsten Umgebung. Mittels der Eisenbahn wird die Milch aus einer Entfernung von 100 km
und darüber herbeigeschafft. Von großen Gütern errichten die Besitzer zuweilen in den Städten eigne
Verkaufsstellen für die Milch. Sonst vermitteln Zwischenhändler (Milchpachter) das Geschäft. In neuerer Zeit haben sich
in manchen Gegenden besondere Genossenschaften zur Verwertung der Milch durch Fabrikation von Butter und Käse etc. gebildet.
Im Mittelpunkt mehrerer Güter errichtet man die Fabrik auf gemeinsame Rechnung und verkauft an dieselbe die Milch
zu wesentlich höhern Preisen, oder man liefert derselben die Milch und verarbeitet sie auf gemeinsame Rechnung und Gefahr.
Auch von kleinen bäuerlichen Wirten sind solche Molkereigenossenschaften schon vielfach eingerichtet worden, besonders am
Rhein, in der Schweiz,
[* 6] in Württemberg
[* 7] und Baden,
[* 8] während sonst das gesamte Molkereiwesen und mit demselben auch die
genossenschaftliche Entwickelung gegenwärtig am höchsten in Dänemark
[* 9] floriert. Einen großen Aufschwung erhielt die en gros
betriebene Milchwirtschaft dadurch, daß die Buttergewinnung mittels der Zentrifuge
[* 10] sich verallgemeinerte.
Die Versorgung großer Städte mit Milch und Milchprodukten wird mehr und mehr von einzelnen großen Geschäften bewirkt, welche
in ihren Etablissements vorzügliche Apparate zur Konservierung der Milch und zur Butter- und Käsebereitung
besitzen. Täglich zweimal werden die Artikel mit besondern Fuhrwerken in den Straßen umhergefahren und zum Kauf offeriert.
Die Wagen sind so eingerichtet, daß eine betrügerische Mischung der Milch mit Wasser nicht stattfinden kann. Vgl. Litteratur
bei Milch.
Meierei, im engern Sinne die vornehmlich auf Milchnutzung gerichtete Viehhaltung, welche bei verhältnismäßig
geringen Betriebskosten einen raschen Geldumsatz gestattet; im weitern Sinne rechnet man zur auch die
Verarbeitung der selbst gewonnenen oder gesammelten Milch auf Butter und Käse, das eigentliche Molkereiwesen (s. d.). Während
in letzterm ein besonderer Wert auf hohen Gehalt und gute Beschaffenheit der Milch gelegt wird, begnügt man sich beim Verkauf
der Milch zum direkten Konsum meistens mit den ortsüblichen polizeilichen Anforderungen.
In den Milchviehhaltungen in den Städten selbst oder in der Nähe derselben trachtet man deshalb, möglichst milchergiebige
neumelke Kübe zu halten, und wenn die Milchergiebigkeit nachläßt, durch andere zu ersetzen. Im allgemeinen ist der Gehalt,
also der wahre Wert der Milch um so niedriger, je größer die ermolkene Milchmenge ist; in der Stadt
wird die Milch aber nicht nach ihrem Gehalt, sondern nach der Anzahl Liter bezahlt. Die Milchleistung ist individuell;
manche
Rassen und Schläge zeichnen sich indes durch besondere Milchergiebigkeit aus;
so erzielt man von den Niederungsrassen (Holländer,
Oldenburger) und dem einfarbigen Gebirgsvieh (Schwyzer, Allgäuer) Jahreserträge von 3000 bis 4000 l.
Sehr hohe Milcherträge (es wurden bis zu 8000 l beobachtet) erscheinen als krankhafte Zustände;
solche
Tiere sind wenig
widerstandsfähig gegen Krankheiten, und dadurch sind der Zucht auf Milchleistung, die bis zu einem gewissen Grade ihre volle
Berechtigung hat und eine größere Beachtung verdient, ihre natürlichen Grenzen
[* 11] gesetzt.
Ein hoher
Wassergehalt des Futters (Grünfutter, Rüben, Schlempe u. s. w.) und eine warme Verabreichung
desselben oder des Tränkwassers, reichliche Gaben von Salz,
[* 12] welches die Tiere zu größerer Wasseraufnahme anregt, befördert
die Menge und erniedrigt den prozentischen Gehalt der Milch. Medikamente und Geheimmittel, die zur Erhöhung des
Milchertrags angepriesen werden, haben keinen Wert. Durch fleißiges, sorgfältiges Melken der jungen Kühe können dieselben
zu größerer Milchleistung erzogen werden.
Die sog. Milchzeichen (weiches, kräftig ausgebildetes Euter, großer Milchspiegel, feiner Schwanz, Knochenbau, Haarwuchs u. s. w.)
lassen nicht mit Sicherheit auf gute Milcherträge schließen, sind aber nicht ganz von der Hand
[* 13] zu weisen.
Arbeitsleistung (Zug)
beeinträchtigt die Milchmenge. Die hygieinischen Bedenken gegen die auf hohen Milchertrag gerichtete Fütterung
und gegen die meist sehr mangelhafte Stallwirtschaft in den Städten sowie die Furchtvor derTuberkulose haben zur Errichtung
kostspieliger Kindermilchanstalten geführt, in welchen tierärztlich beaufsichtigte Kühe nur mit Trockenfutter ernährt
werden dürfen; nachdem man heute mit der Bahn aus weiterer Umgebung der Städte bei gut geregelter polizeilicher
Milchkontrolle gehaltreiche Milch beziehen und den Tagesbedarf im Hause selbst sterilisieren kann, hat sich diese Einrichtung
so ziemlich überlebt. Auch schmeckt die Milch von Weidevieh besser als von Stallvieh. Die Milchversorgung der Städte und
die polizeiliche Kontrolle des Milchhandels hat eine große hygieinische Bedeutung. -
Vgl. Kurtze, Der Berliner
[* 14] Milchhandel
(Berl. 1888);
Martiny, Die Versorgung Berlins mit Vorzugsmilch (Brem. 1891);
Fleischmann, Lehrbuch der Milchwirtschaft (ebd. 1893);
Milchzeitung.
Organ für die gesamte Viehhaltung und das Molkereiwesen, hg. von Petersen (ebd., seit 1872).