Milben
(Acarina),
Ordnung der
Spinnentiere
[* 2]
(Arachnoidea), kleine
Tiere mit gedrungenem
Körper, an dem nur selten die
Grenze
zwischen Vorder- und
Hinterleib noch angedeutet ist. Die vier Beinpaare enden meist mit zwei
Klauen, sind aber
häufig auch noch mit Haftapparaten (Saugnäpfen) versehen; die Mundteile sind bei vielen Milben
zum Beißen, bei
andern zum
Stechen und Saugen eingerichtet. Die
Augen sind klein oder fehlen gänzlich. Die innere
Organisation ist sehr einfach.
Milben

* 6
Seite 11.606.
Herz und
Blutgefäße fehlen stets,
Tracheen
[* 3] häufig, so daß alsdann die
Atmung durch die gesamte
Haut
[* 4] bewirkt
werden muß. Der
Darmkanal ist meist mit Blindsäcken versehen, die als
Leber gedeutet werden. Nierenartige
Organe scheinen
ebenfalls nicht immer vorhanden zu sein. Die
Geschlechter sind bei den Milben
stets getrennt. Bei der
Begattung halten sich viele
Milben
arten mit Saugnäpfen, die in der
Nähe der Geschlechtsöffnungen liegen, aneinander fest. Die
Eier
[* 5] werden einzeln abgelegt (nur selten findet ein
Lebendiggebären statt); die aus ihnen ausschlüpfenden
Jungen haben nur drei
(höchst selten sogar nur zwei) Beinpaare und machen mehrere
Häutungen durch, bei welchen die fehlenden
Beine und die äußern
Geschlechtsorgane zum Vorschein kommen. Die Lebensweise und
Nahrung der ist sehr verschieden; die meisten
leben parasitisch an
Pflanzen und
Tieren und ernähren sich von deren Säften, andre streifen im
Wasser oder auf dem Land frei
umher und leben vom
Raub kleinerer
Tiere oder als
Schmarotzer. Oft wechselt parasitische und
¶
mehr
selbständige Ernährungsweise im Leben desselben Tiers, indem jene dem Larvenzustand, diese dem ausgebildeten Tier eigentümlich ist, und umgekehrt.
Man teilt die sehr zahlreichen Arten der Milben
in zehn oder mehr Familien ein, von denen die wichtigsten folgende sind:
1) Laufmilben
(Trombididae), mit weichem Körper von lebhaften Farben; atmen durch Tracheen und leben frei
an Pflanzen oder auf dem Boden.
2) Gallenmilben (Phytoptidae), erzeugen an Blättern durch Einstich Gallen.
3) Wassermilben (Hydrachnidae), atmen gewöhnlich durch Tracheen und leben meist im Süßwasser, selten im Meer.
4) Zecken (Ixodidae), meist größere Milben
mit hartem Hautpanzer, atmen durch Tracheen und leben von Wirbeltierblut (s.
Zecken).
5) Gamasiden (Gamasidae), atmen durch Tracheen und schmarotzen auf Insekten [* 7] und Warmblütern.
6) Käsemilben (Tyroglyphidae), ohne Tracheen, leben auf und von Käse, Kartoffeln etc.
7) Krätzmilben [* 8] (Sarcoptidae), gleich der vorigen und folgenden Familie tracheenlos, leben auf oder in der Haut von Warmblütern.
8) Haarbalgmilben
(Dermatophili), leben in den Talgdrüsen von Warmblütern. - Besondere Erwähnung verdienen
folgende Arten:
Katze

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Katze. Die Haarbalgmilben
(Dermatophili Leach) sind lang gestreckt, wurmähnlich, mit langem, quer geringeltem Hinterleib, einem Saugrüssel,
zwei Augenpunkten, mit zwei Krallen bewaffneten Stummelbeinen, leben in den Talgdrüsen und Haarbälgen des Menschen und der
Tiere. Demodex folliculorum Sim. (s. Tafel »Spinnentiere«) lebt zu je 2-4 in den Mitessern der Haut des Menschen,
ohne hier üble Folgen hervorzurufen, dagegen zu 10-15, selbst 200, in den Haarbälgen, den Ausführungsgängen der Talg- und
Schweißdrüsen beim Hund und bei der Katze
[* 9] und verursacht einen sehr erheblichen Hautausschlag, der zur Abzehrung und zum Tod
führen kann. Die Heilung durch Benzin-, Karbolsalbe, Ätzkalilauge gelingt nur in leichtern Fällen. -
Die Krätzmilben (Lausmilben, Sarcoptidae Leach) sind mikroskopisch klein, weichhäutig, sehr gedrungen gebaut, oft stark borstenhaarig,
ohne Augen und Tracheen, mit verkümmerten oder kurzen, weniggliederigen Beinen, deren Endziel eine gestielte Haftscheibe oder
lange Borste trägt; die Mundteile bestehen aus einem Saugkegel mit scheren- oder nadelförmigen Kieferfühlern
und seitlich anliegenden Kiefertastern.
Sie leben auf oder in der Haut warmblütiger Wirbeltiere und erzeugen die Krätze oder Raude. Die Gattung Sarcoptes Latr. umfaßt Tiere mit dickem Hautpanzer, konischen Rückenpapillen, Dornen und Haaren, breitem, kurzem Rüssel, fünfgliederigen Beinen, von denen die beiden vordern überall, das letztere nur beim Männchen gestielte Haftscheiben besitzt, die beiden hintern beim Weibchen in eine lange Borste auslaufen. Die Männchen leben mehr oberflächlich auf der Haut; die Weibchen aber graben Gänge in die Oberhaut, an deren Enden sie sich aufhalten und ihre Eier ablegen.
Alle Arten, die auf Tieren vorkommen, können auf Menschen übergehen und bei diesen Krätze erzeugen. S. scabiei L. (Acarus scabiei Fab., Krätzmilbe des Menschen, s. Tafel »Spinnentiere«),
Pferde II

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Pferde.das Weibchen 0,5 mm lang, lebt auch auf dem Pferde, [* 10] dem neapolitanischen Schaf [* 11] und wahrscheinlich auch auf der Ziege, bohrt sich in die Haut ein und gibt dabei eine scharfe Flüssigkeit von sich, welche die Entstehung eines Bläschens oder Wärzchens veranlaßt. Sie schweift beständig umher und erzeugt viele neue Gänge, das befruchtete Weibchen aber stirbt in den längern Galerien nach dem Ablegen der Eier. S. minor, Weibchen 0,25 mm lang, erzeugt die Raude der Katzen [* 12] und Kaninchen. [* 13] S. squamiferus, ebenso groß, mit dreieckigen Schuppen auf dem Rücken, erzeugt die Raude des Hundes und Schweins.
Rind (wilde Rinder, Ha

* 15
Rind.
Die Gattung Dermatodectes Gerl. umfaßt Milben
mit länglichrundem Körper, zwei hintern Fortsätzen, gestreckterm Mundkegel mit
langer Schere
[* 14] der Kieferfühler, ziemlich langen Beinen, an denen das Endglied des dritten weiblichen Beinpaars zwei lange
Borsten, das vierte nach der Begattung eine gestielte Haftscheibe trägt, welche das Männchen an sämtlichen
Beinpaaren besitzt. Sie leben auf der Haut, graben keine Gänge, stechen aber bis zur Lederhaut und saugen; für den Menschen
sind sie meist ohne Gefahr. D. communis Zürn, Weibchen 1 mm lang, auf Schaf, Rind
[* 15] und Pferd,
[* 16] erzeugt Raude. Die
Gattung Symbiotes Gerl. (Dermatophagus Fürst.) hat blasig aufgetriebene, kurzgestielte Saugscheiben und viel dickere, kürzere
Scherenkiefer; die hierher gehörigen Milben
leben auf den Haustieren, benagen deren Oberhaut und Haare
[* 17] und erzeugen auf dem Menschen
höchstens einen ganz leichten, schnell vorübergehenden Hautausschlag. S. bovis Zürn, Weibchen 0,5
mm lang, lebt auf Rind und Pferd. - Die Käsemilben (Tyroglyphidae Leach) sind lang gestreckt, mit konischem,
langem Rüssel, scherenförmigen Kieferfühlern und ziemlich langen, mit Klauen endenden Beinen.
Hierher gehört die Käsemilbe (Tyroglyphus siro Gerv. u. T. longior Gerv., Acarus domesticus de Geer, s. Tafel »Spinnentiere«),
Mehemed Pascha Kibrisl

* 18
Mehl. 0,4 mm lang, gestreckt, zweiteilig, farblos, bewohnt alten, harten Käse, den sie in ein feines, aus ihren
Exkrementen und Bälgen bestehendes Pulver verwandelt. Die Mehlmilbe (T. farinae Deg.) mit im vordern Teil nicht abgeschnürtem
Körper, lebt in feuchtem, verdorbenem Mehl;
[* 18] Arten der Gattung Glycyphagus finden sich als weißer Beschlag auf getrockneten süßen
Früchten und auf Kartoffeln, myriadenweise in kranken Kartoffeln. - Die Schmarotzer- oder Tiermilben
(Gamasina
Gerst.), mit ungeteiltem Körper, scherenförmigen Kieferfühlern, freien Kiefertastern, gleichen, haarigen Beinen mit zwei
Klauen und Haftscheibe, ohne Augen, leben auf der Körperoberfläche andrer Tiere, ohne sich festzusaugen. Die rotgelbe, 1,1
mm lange Käfermilbe (Gamasus coleoptratorum L.) lebt auf Käfern, besonders Mistkäfern und Totengräbern.
Die 1,3 mm lange, gelbe Vogelmilbe (Hühnermilbe, Dermanyssus avium Dug.) schmarotzt auf Stubenvögeln, Hühnern und Tauben,
[* 19] geht
auch auf den Menschen und erzeugt unerträglich juckende Beulen. - Über die Familie der Zecken (Holzböcke, Ixodidae) s. d. -
Milbenspinne - Milch

* 20
Seite 11.607.Die Wassermilben (Hydrachnidae Sund.), kugelig oder langgestreckt, oft lebhaft gefärbt, ungeteilt, mit zwei oder vier Augen, klauen- oder säbelförmigen Kieferfühlern, kurzem ersten Kiefertasterpaar an der Spitze mit feinen Endhaken oder Borsten, langen, von vorn nach hinten an Länge zunehmenden Schwimmfüßen mit breiten Hüftgliedern, zwei Fußklauen, langen Schwimmborsten, atmen durch Tracheen und leben meist in süßem Wasser am Boden zwischen Pflanzen. Die Larven schmarotzen an Wasserinsekten oder Muscheltieren. - Mehrere Arten der Gattung Phytoptus erzeugen auf Pflanzen gallenartige Mißbildungen, die sich meist durch einen Filz von fleischigen Haaren auf ihrer Oberfläche auszeichnen. Namentlich verursacht P. vitis Land. Traubenmißwachs. Auf der Oberseite des Blattes entstehen eigentümliche Ausbuchtungen, die auf der Unterseite mit weißrötlichem Filz überzogen sind. Ähnliche Mißbildungen wurden früher ¶
mehr
für Pilzbildungen (Phyllerium, Erineum) gehalten. - Die Pflanzen- oder Laufmilben (Trombidina Leach), weichhäutig, lebhaft gefärbt, mit meist ungeteiltem Körper, klauen- oder stilettförmigen Kieferfühlern, kurzem, gedrungenem Kiefertasterpaar mit zwei scherenartig sich gegenüberstehenden Endgliedern, an denen das eine klauenförmig ist, langen, plumpen Lauffüßen, meist zwei Augen und Tracheenatmung, laufen auf der Erde und an Pflanzen; die sechsbeinigen Larven leben parasitisch von Pflanzensäften und vom Blut andrer Gliederfüßler.
Die Samtmilbe (Kochenillemilbe, Trombidium holosericeum L.), 2,25 mm lang, fast viereckig, hinten schmäler, samtartig scharlachrot, lebt auf Moos etc. und nährt sich von Räupchen etc.; die Larven leben parasitisch an Weberknechten, Blattläusen etc. Die viel größere Färbermilbe (T. tinctorium Fabr.) dient in Guinea zum Rotfärben. Die Milbenspinne (Tetranychus telearius L.), 1 mm lang, orangegelb, fein behaart, seitlich rostgelb gefleckt, besitzt Spinndrüsen, lebt unter einem mit diesen gefertigten Gespinstüberzug auf der Unterseite der Lindenblätter von deren Saft und überzieht auch die Zweige mit glitzerndem Gespinst.
Auf Gewächshauspflanzen wird eigentümliches Ergrauen und Mattwerden der Unterfläche der Blätter vielleicht durch andre Arten hervorgebracht. Die Herbstgrasmilbe (Leptus autumnalis Ant.), vielleicht die sechsbeinige Jugendform einer Tetranychusart, lebt als rotes Pünktchen an dürrem Gras, Getreidehalmen, Stachelbeerbüschen, bohrt sich gleich der Zecke in die Haut des Menschen und erzeugt heftiges Jucken und Fressen, wird aber durch Benzin oder Tabakslauge leicht beseitigt.
Vgl. Pagenstecher, Beiträge zur Anatomie der Milben (Leipz. 1860);
Gerlach, Krätze und Räude (Berl. 1857);
Fürstenberg, Die Krätzmilben der Menschen und Tiere (Leipz. 1861);
Zürn, Über Milben, welche Hautkrankheiten [* 21] bei Haustieren hervorrufen (Wien [* 22] 1877);
Haller, Die als Parasiten der Wirbellosen (Halle [* 23] 1880).