Milan
I. (Obrenowitsch), früherer König von Serbien, kehrte 1890 von Paris nach Serbien zurück, angeblich nur, um die Erziehung seines Sohnes, des Königs Alexander, zu leiten, jedoch wohl auch in der Absicht, die Pläne der Königin Natalie zu durchkreuzen und seine finanziellen Interessen zu wahren. Die Königin Natalie betrieb nämlich mit allem Eifer die Aufhebung der Ehescheidung vom und wandte sich endlich an die Synode der Bischöfe mit der Bitte, dieselbe möge ihre Entscheidung über das Urteil des Metropoliten Theodosius abgeben, d. h. dasselbe aufheben.
Der Metropolit Michael war geneigt, sich auf eine erneute Verhandlung der Ehescheidungssache einzulassen und hatte schon eine dahin lautende Antwort an die Königin aufgesetzt. Doch hatte die Regentschaft Milan bei der Wiedereinsetzung Michaels in sein Amt versprochen, daß an dem Urteilsspruch von dessen Vorgänger Theodosius in der Ehesache nicht gerüttelt werden solle, und rechtzeitig von dem Vorhaben des Metropoliten durch den König Milan unterrichtet, begaben sich die Regenten zu Michael und erklärten ihm, »sie könnten es nicht dulden, daß die Synode auf das bekannte Gesuch der Königin-Mutter einen andern Bescheid erteile als denjenigen, dessen Wortlaut sie Sr. Eminenz hiermit bekannt zu geben sich beehrten«.
Demgemäß entschied die Synode 17. Juni, daß sie sich in Erwägung, daß der Ehestreit bereits endgültig entschieden worden sei, neuerdings in Erörterung einer durchaus vollendeten Thatsache nicht einlassen könne. Hatte Milan in dieser Frage gesiegt, so vermehrte das doch keineswegs seine Beliebtheit, im Gegenteil regte sich überall das Gefühl des Mitleids für die Königin-Mutter, deren völlige Unschuld an politischen Ränken sogar behauptet wurde, während der Ehescheidungsprozeß des Generals Protitsch gegen seine Gattin Artemisia Milan arg bloßzustellen drohte.
Auch mußte es Milan erleben, daß die Radikalen eine der seinigen ganz entgegengesetzte Politik namentlich in den auswärtigen Angelegenheiten befolgten, daß die Minister, die Milan in seiner Gereiztheit mit Vorwürfen überhäufte, dieselben mit Berufung auf ihre verfassungsmäßigen Pflichten und Rechte zurückwiesen, und daß die Presse ihn in der schonungslosesten Weise angriff. Milan verließ Belgrad im Oktober, nachdem ihm die Regenten die Wahrung seiner Rechte zugesichert und seinen Jahrgehalt erhöht hatten, und begab sich nach England. Die Königin Natalie versuchte noch die Skuptschina durch eine im November eingereichte Denkschrift für ihre Sache zu gewinnen; dieselbe erklärte sich aber für nicht zuständig. Weiteres s. Serbien.