Mikromēter
(griech., »Feinmesser«), Instrumente zur Messung sehr kleiner Objekte, speziell auch an vielen Instrumenten und Werkzeugen befindliche Einrichtungen zu möglichst feiner, selbst mikroskopischer Fortbewegung verschiebbarer Teile und zur Messung dieser Bewegung. Gewöhnlich geschieht die Verschiebung mittels fein geschnittener Messing- oder Stahlschrauben (Mikrometerschrauben). Jede ganze Umdrehung des Schraubenkopfes bewirkt eine Verschiebung des Schiebers von der ganzen Länge des Abstandes je zweier Gewindeteile, Gewindehöhe. Soll die Bewegung eines Zeigers, Radius (Alhidade), oder eines Vollkreises, Gradringes (Limbus), um eine Achse mikrometrisch geschehen (in der Vermessungskunst als feine, im Gegensatz zur groben [Hand-] Drehung, unterschieden), dreht die Mikrometerschraube sich gewöhnlich in zwei in Pfannen liegenden Kugeln, deren eine, glatt durchbohrt (die Schraubenstange an ihr drehbar vernietet), im Ausgangspunkt an den feststehenden Teil sich stützt, die andre mit Muttergewinde an dem zu drehenden Teil angebracht ist. Man gibt den Kugelmuttern auch wohl verschiedene Gewinde und schneidet die Mikrometerschraube ebenfalls in je einer halben Länge der Spindel entsprechend, so daß bei jeder Schraubendrehung die erzielte Mikrometerbewegung gleich der Differenz der beiden Gewindehöhen ist (Differentialschraube). Eine andre Art der Mikrometerschraube behufs Zentraldrehung ist die Schraube ohne Ende. Der zu drehende Limbus ist mit einem an der Peripherie gezahnten konzentrischen Ring verbunden; an dem feststehenden Teil ist eine Schraube mit beiden Gewindeenden drehbar vernietet, deren Gewinde in die Zähne eingreifen; der Achsendrehung der Schraube entspricht dann die des Tellers. Zur feinen Messung geradliniger Schiebung (Maßstabmessung) oder zentraler Drehung (Winkelmessung, Bogenmessung) an Meßinstrumenten bedient man sich meist des Nonius. Will man nämlich an dem mit mikrometrisch verschiebbarem Zeigerstrich (Index) versehenen Maßstab oder Limbus (graduierter oder mit Gradeinteilung versehener Kreisbogen) kleinere Teile ablesen, messen, als unmittelbar in Teilstrichen angegeben sind, so bringt man zu einer oder beiden (Doppelnonius) Seiten des Index eine kleine Maßeinteilung auf dem Schieber an, deren Einheit von der des Maßstabes, Limbus, differiert. Diese Maßeinteilung heißt nach dem Erfinder, dem Portugiesen Pedro Nuñez, latinisiert Nonius (17. Jahrh.); nach Lalande ist der Schweizer Vernier (1631) Erfinder, daher das Instrument auch so benannt wird. Der gesuchte und zu messende Abstand des Index (Nullpunkt des Nonius) von dem letztgezählten Strich des Maßstabes ergibt sich durch Aufsuchen desjenigen Noniusstrichs, der mit irgend einem Limbusstrich zusammenfällt; entsprechende Bezifferung des Nonius erleichtert das sofortige Ablesen in Teilen des Limbus; ist z. B. ein Limbus in Bogengrade, der Nonius dagegen so geteilt, daß 29 Limbusteile auf ihm in 30 (Formel: n/(n±1)) Teile abgestrichen sind, so ist eine Minimalnoniusangabe von 1/30 Grad (1/n) = 2 Bogenminuten erwirkt. Auch versieht man wohl für besonders feine Messungen die Peripherie des vergrößertes Kopfes der Mikrometerschraube (Trommel) mit einer Einteilung, die dann an einem feststehenden Zeiger oder Nonius vorbeigedreht wird. Beträgt die Gewindehöhe der Schraube 1 mm, ist die Trommel in 100 Teile geteilt, gibt der Nonius 1/10 des Trommelteils, so würde die winzige Schiebung von ein tausendstel Millimeter (= 1 Millimillimeter, Mikromillimeter) gemessen werden können. Ist die Genauigkeit für mikrometrische Arbeiten in mechanischer Hinsicht sehr bedeutend, so macht doch die ununterbrochene Veränderlichkeit fast sämtlicher Materie mittels der Wärmeeinflüsse manches scheinbar genaue Resultat zur Illusion. Die Teilung z. B. normaler Metallmaßstäbe muß daher unter peinlicher Berücksichtigung der Temperatur (Normaltemperatur meist +13° R., auch 0°) und der Ausdehnungskoeffizienten des Stoffes geschehen. Wo bei der Mikrometrie das bloße Auge nicht mehr ausreicht, geschieht Beobachtung und Messung mittels Lupe und Mikroskop. Bei Höhenmeßaneroiden mißt man durch das Mikroskop an einer kleinen, durch mikroskopische Photographie hergestellten Maßeinteilung. Auch die Meßkeile und Fühlhebel bei den Basismeßapparaten der Gradmessung etc. gehören zu den Mikrometern. In astronomischen Fernrohren hat man (Huygens, Gascoigne) Mikrometer in Gestalt fester oder verschiebbarer Fadenkreuze, Fadennetze, angebracht. Diese Fadennetze und -Kreuze werden aus auf Ringe gezogenen Platin- und Spinnfäden hergestellt, neuerdings viel auf dünne achromatische Glasplättchen,
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Glasmikrometer (namentlich von Breithaupt in Kassel), in Strichen mittels Teilmaschine eingraviert und in den gemeinsamen Brennpunkt der Objektiv- und Okularlinse eingesetzt; man beobachtet dann gleichzeitig das hier entstehende Objektivbild und das deutlich vergrößerte Fadennetz. Zur Messung kleiner Objekte unter dem Mikroskop wendet man auch das Schraubenmikrometer an, indem man den Objekttisch, eventuell mit Maßeinteilung versehen, mikrometrisch an zwei Fäden eines Glasmikrometers vorbeischiebt. Neuerdings hat Breithaupt in Mikroskope zur Beobachtung von kleinen Winkelgrößen an Theodoliten sehr genaue Maßstäbchen auf Glas eingesetzt, die eine direkte Ablesung sehr kleiner Winkelteilchen ermöglichen und den Nonius überflüssig erscheinen lassen (s. Carl, Repertorium für Physik, Leipz. 1879). Das Schraubenmikrometer wird auch in Fernrohren für astronomische Zwecke benutzt, speziell zur Messung der Planetendurchmesser und der Deklinationsunterschiede der Fixsterne. Man stellt hierzu das Fernrohr so ein, daß der bekannte Stern sich immer auf einem Strich eines gewöhnlichen Glasmikrometers fortbewegt, d. h. daß dieser Strich dem Himmelsäquator parallel liegt. Nun kann ein mikrometrisch verstellbarer Schieber mit Faden so verschoben werden, daß er mit den Strichen des Glasmikrometers parallel bleibt. Man stellt ihn so ein, daß er den Mittelpunkt des zu beobachtenden Sterns schneidet, und liest dann die ihrem Wert nach bekannten Umdrehungen der Mikrometerschraube ab, woraus sich der Deklinationsunterschied ergibt. Bei neuern Schraubenmikrometern benutzt man zwei Fäden, deren einer der täglichen Bewegung des Sterns parallel gestellt wird und der andre den Deklinationsunterschied bestimmt. Das Kreismikrometer besteht aus der kreisförmigen Blendung, Diaphragma, im Okular- und Objektivbrennpunkt oder auch aus einem hier angebrachten platten, genau abgedrehten Metallring; es dient zur Beobachtung der Zeitunterschiede zwischen Ein- und Austritt zweier Sterne, woraus man den Unterschied in der Rektaszension und unter Zuhilfenahme des bekannten Durchmessers des Ringes den Deklinationsunterschied berechnet. Das Rochonsche Mikrometer (von Arago für astronomische Messungen aptiert) beruht auf Anwendung zweier zusammengekitteter Glasprismen und Beobachtung der Berührung ihrer Objektbilder. Zur Messung der Winkeldistanz zweier Sterne und der Neigung ihrer Verbindungslinie gegen die Deklinationsebene des einen der Sterne (Positionswinkels) dient das Positionsmikrometer. Zu diesem Zweck ist die Mikrometervorrichtung um die optische Fernrohrachse drehbar und die Winkelgröße dieser Drehung zu messen. Vgl. auch Heliometer; ferner Dove, Maß und Messen (Berl. 1861); Carl, Prinzipien der astronomischen Instrumentenkunde (Leipz. 1865); »Zeitschrift für Vermessungswesen« 1880, IX, 3; »Über die Beziehungen zwischen der Vergrößerung der Mikroskope und der Genauigkeit mikrometrischer Messungen«.