Migräne
(franz. migraine, verstümmelt aus dem griech. Hemikrania, »halbseitiges Kopfweh«),
besondere Art
Kopfschmerz, welche gewöhnlich nur eine Seite des
Kopfes einnimmt, heftiger ist als der gewöhnliche
Kopfschmerz und ohne äußere Veranlassung periodisch wiederkehrt. Die Migräne
betrachtet
man als eine
Krankheit des sympathischen
Nervengeflechts, welche in Form eines Gefäßkrampfes (Hemicrania sympathico-tonica)
oder in Form einer Gefäßlähmung (Hemicrania sympathico-paralytica) auftreten kann. Die Migräne
kommt
bei beiden Geschlechtern, am häufigsten aber beim weiblichen und bei blutarmen
Personen vor.
Vielleicht bei der Hälfte aller an Migräne
leidenden
Frauen treten die Anfälle nur zur Zeit der
Menstruation (s. d.) oder unmittelbar
vor derselben ein.
In den meisten
Fällen datiert der Anfang des
Leidens, wenn auch nicht aus der ersten
Kindheit, so doch aus den
Jahren des Schulbesuchs her. Nachdem sich die Kranken am
Tag vor dem Anfall gewöhnlich wohl befunden
haben, bemerken sie meist gleich nach dem Erwachen die Vorboten des Anfalls oder den Anfang desselben. Sie sind verstimmt
und gereizt, klagen über leichtes
Frösteln, haben ein
Gefühl von großer Mattigkeit und Abgeschlagenheit,
Neigung zum
Gähnen, Appetitmangel und pappigen
Geschmack im
Munde. Dazu stellen sich
Kopfschmerzen ein, welche schnell eine fast
unerträgliche
Höhe erreichen.
Abspannung und die
Schmerzen
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treiben die Kranken ins Bett, [* 3] sie sind sehr empfindlich gegen Licht [* 4] und Geräusch und suchen das dunkelste und entlegenste Zimmer auf. Der Puls ist meist verlangsamt; auf der Höhe des Anfalls tritt häufig Übelkeit und nach heftigem Würgen Erbrechen ein. Nach dem Erbrechen pflegt der Anfall nachzulassen; meist gegen Abend stellt sich Schlaf ein, aus welchem die meisten Kranken am andern Morgen zwar noch angegriffen, aber frei von Schmerz erwachen. Die Krankheit bedroht niemals das Leben; aber nur selten werden Kranke, wenn sich auch die Anfälle zu manchen Zeiten langsamer wiederholen, gänzlich von ihrem Leiden [* 5] befreit.
Bei der krampfartigen Verengerung der Gefäße, bei weiter Pupille läßt man zuweilen mit gutem Erfolg Amylnitrit einatmen, welches eine Lähmung der sympathischen Gefäßnerven bewirkt; im entgegengesetzten Fall, wenn die Pupille der kranken Seite eng, die Schläfenarterie weit, die Haut [* 6] der Wangen und das Ohr [* 7] gerötet ist, wird das Ergotin empfohlen. Namentlich wird der Elektrizität [* 8] (nach der Methode von Holst angewandt) dauernder Erfolg nachgerühmt; zugleich lasse man die Kranken sich zu Bett legen, sorge für ein mäßig durchwärmtes Zimmer und vermeide jedes Geräusch in der Nähe des Patienten. In der anfallsfreien Zeit hüte sich der Kranke vor Erkältungen, Gemütsbewegungen, vor starker geistiger Anstrengung und Diätfehlern.
Vgl. Du Bois-Reymond, Zur Kenntnis der Hemikrania (in Reicherts »Archiv« 1860);
Pierson, Kompendium der Krankheiten des Nervensystems (Leipz. 1876).