Michelet
(spr. misch'leh), Jules, histor. und philos. Schriststeller, geb. zu Paris, [* 2] war 1821 Professor am Collège Rollin, von 1826 bis 1830 an der Normalschule; durch die Julirevolution wurde er Sektionschef am Reichsarchiv und gleichzeitig Guizots Stellvertreter an der Sorbonne. Sein erstes Geschichtswerk «Tableaux synchroniques de l'histoire moderne» erschien 1826; 1831 folgte seine «Histoire romaine» (République, 2 Bde.; 5. Aufl. 1876). Aber erst durch seine Geschichte Frankreichs wurde er als Schriftsteller berühmt und als Historiker ungemein populär.
Mit Unrecht ist im Gegensatz zu dem Pragmatismus Mignets und Guizots seine Geschichtsdarstellung als die philosophische bezeichnet worden, wohl weil er es liebt, den idealen Kern der treibenden Gewalten hervorzuheben; mit mehr Recht nennt man ihn einen poet. Geschichtschreiber, dessen temperamentvolle phantasiereiche Darstellung durchdrungen ist von Begeisterung für die Ideale der Demokratie, Haß gegen den Klerikalismus und einen feurigen, von der Überlegenheit der «kelt. Rasse» überzeugten Patriotismus bei großer Belesenheit und Quellenkenntnis.
Diese «Histoire de
France» erschien 1837-67 (16 Bde.; zuletzt 1879, 19 Bde.).
In demselben
Geiste demokratischer Propaganda ist auch «L'Histoire de la Révolution française»
(7 Bde., 1847-53; neue Aufl., 5 Bde.,
1889) geschrieben. Indes wurde Michelet
1838 Mitglied der
Akademie moralischer und polit. Wissenschaften und Nachfolger Daunous
als Geschichtsprofessor am Collège de
France. Gestützt auf die
Sympathien der studierenden
Jugend, begann
er für die demokratischen Ideen und namentlich gegen die
Jesuiten und ultramontanen Bestrebungen eine heftige
Fehde, die ihm
erbitterte Feinde zuzog.
Infolgedessen gab Michelet
mehrere Flugschriften heraus, wie «Des Jésuites»
(1813),
mit Quinet gemeinschaftlich verfaßt; «Le [* 3] prètre, la femme et la famille» (1845),
«Le peuple» (1846). Die Regierung schloß 1851 seinen Lehrkursus, und nach dem verlor er wegen Verweigerung des Huldigungseides seine Archivarstelle. Aus der folgenden Zeit stammen seine viel gelesenen Schriften: «L'oiseau» (1856; deutsch, 4. Aufl., Berl. 1869),
«L'insecte» (1857; deutsch Braunschw. 1858),
«L'amour» (1859; deutsch von Spielhagen, 4. Aufl., Lpz. 1874),
«La femme» (1860; deutsch von Spielhagen, 2. Aufl., ebd. 1875),
«La mer» (1861; deutsch von Spielhagen, ebd. 1861),
«La sorcière» (1862; deutsch von Klose, ebd. 1863). Während der Belagerung von Paris verfaßte in Italien [* 4] die Schrift «La France devant l'Europe» (Flor. 1871). Er starb auf Hyères; die Beisetzung seiner Leiche auf dem Père-Lachaise wurde (Mai 1876) zu einer großen Kundgebung für die demokratische Republik. Aus seinem Nachlaß erschien «Histoire du XIXe siècle» (bis Waterloo, [* 5] Bd. 1-3, Par. 1875),
«Œuvres complètes. Edition définitive». -
Vgl. Monod, Jules Michelet
(Par. 1875), Corréard,
Michelet
,
sa vie, son oevre historique (1887), und
M.s autobiogr.
Werke: Ma jeunesse (Par. 1884) und Mon journal 1820-23 (ebd. 1888).