Abkürzung von
Michael, als
Kose- und Spottname gebraucht mit der Nebenbedeutung des Schwerfällig-Gutmütigen,
Einfältigen;
daher deutscher Michel, etwa seit dem
Befreiungskrieg gebrauchte Benennung der deutschen
Nation, die deren politische
Unreife und
Indolenz andeuten sollte.
(spr. -schell), 1) Francisque, franz. Litterarhistoriker,
geb. zu
Lyon,
[* 2] seit 1839
Professor an der Faculté des lettres zu
Bordeaux,
[* 3] gehört zu den gründlichsten
Kennern der ältern französischen
Sprache
[* 4] und Litteratur und hat sich durch zahlreiche
Ausgaben älterer Litteraturdenkmäler
(darunter »La chanson de
Roland et le
roman de Roncevaux«, 1869) verdient gemacht. Von seinen kulturhistorischen Werken sind
hervorzuheben: »Histoire des races maudites de laFrance et de l'Espagne« (Par. 1847, 2 Bde.);
»Histoire des hôtelleries, cabarets, hôtels garnis, etc.« (1851-54, 2 Bde.);
die preisgekrönten
Schriften: »Étude de philologie comparée sur l'argot, etc.«
(1856);
»Recherches sur le commerce, la fabrication et l'usage des étoffes de soie, etc., pendant
le moyen-âge« (1852-54, 2 Bde.);
»Le
[* 5] pays basque, sa population, sa langue, etc.«
(1857);
»Histoire du commerce et de la navigation à
Bordeaux« (1867-71, 2 Bde.).
»Le livre des psaumes, ancienne traduction française«
(1877) und »Rôles gascons« (1885, Bd.
1) heraus.
2)
MarcAntoine Amédée, franz. Vaudevillendichter, geb. zu
Marseille,
[* 6] war seit 1834 in
Paris
[* 7] litterarisch thätig; starb daselbst Michel begann als Dichter mit elegischen
Poesien,
später schlug er einen andern
Ton an und versorgte in
Gemeinschaft mit
Labiche, Lefranc, Delacour u. a. die
Theater
[* 8] mitVaudevilles,
deren er mehr als hundert verfaßte. Wir nennen von diesen
Stücken, deren
Wirkung auf dem übertrieben Possenhaften der
Situation
wie der
Sprache beruht: »La chanteuse des rues«, »Un
tigre du
Bengale«, »Une femme qui perd ses jarretières«, »Le
chapeau de paille d'Italie«, »Mesdames de Montenfriche«, »Les
finesses de Bouchavannes« etc.
3)
Louise, franz. Kommunistin, geb. 1836 auf dem
Schloß Vroncourt (Haute-Marne) als uneheliche Tochter des Besitzers, erhielt
durch ihren
Vater eine sehr gute
Erziehung, verließ nach dessen
Tod 1850 das
Schloß, machte das Lehrerinnenexamen und
¶
mehr
begründete in Paris eine Schule. BeimAusbruch der Kommune 1871 trat LouiseMichel entschlossen den radikalsten Rädelsführern zur
Seite, wurde gefangen genommen und zur Deportation nach Numea verurteilt, von wo sie 1880 infolge der allgemeinen Amnestie
zurückkehrte. Jedoch schon 1883 wurde sie wegen Aufhetzung zur Plünderung der Bäckerläden zu mehrjährigem
Gefängnis verurteilt. Sie gab 1886 ihre »Mémoires« heraus.
(spr. mischäll), Ernest Barthélemy, franz. Historienmaler,
geb. zu Montpellier, kam 1850 nach Paris, wurde Schüler von Picot und Cabanel und besuchte die École des beaux-arts,
wo er 1856 den zweiten und 1860 den ersten römischen Preis erhielt. Während seines Aufenthalts in Rom
wurde er durch Krankheit an weitern Studien und Arbeiten gehindert; er kehrte zwar zunächst nach Paris zurück, zog aber
seiner Gesundheit wegen den Süden Frankreichs vor und übernahm in seiner Vaterstadt die Stelle eines Konservators des Musée
Fabre und Direktors der Kunstschule. Seine auf mehreren Ausstellungen prämiierten Hauptwerke sind: der
eingeschläferte Argus (Museum in Montpellier), Daphne (Museum in Angers), die Mildthätigkeit des heil.
Martinus (Kirche St. Nicolas des Champs in Paris), Fortuna und das Kind (Museum in Narbonne), der Decamerone (1874).
Im Justizpalast und im Theater zu Montpellier führte er dekorative Malereien aus. 1880 erhielt er das
Ritterkreuz der Ehrenlegion.
(Piz) (Kt. Graubünden,
Bez. Albula).
3163 m. Dritthöchster und westlichster Gipfel der Bergünerstöcke (Albulagruppe); imposante und
edle Bergform, die man z. B. schon zwischen Kazis und Thusis und hinter Müstail von der Albulabahn aus
bewundern kann. Am N.-Hang liegt ein kleiner Gletscher. Nach NW. zweigt ein Gipfelgrat ab, der über die Punkte 2804 und 2691 m
bis zur Motta Palousa oberhalb Tiefenkastel und des ConterserSteins zieht. Der Piz Michèl kann von Alvaneu Bad aus durch das
Schaftobel gefahrlos in 6 Stunden, ferner von Tinzen und Savognin im Oberhalbstein über die Bleisota (2467
m) bestiegen werden und bietet eine schier unermessliche Fernsicht. Er wird zur Hauptsache aus Trias aufgebaut, besonders
aus dem felsauftürmenden Hauptdolomit, dem die Kössenerschichten des Rät und Liasschiefer aufruhen.
Diese letztern enthalten im Schaftobel Versteinerungen (Bivalven und Belemniten). Der N.-Hang an der Albula
weist von unten herauf die Triasglieder vom Muschel- oder Virgloriakalk bis zur Obern Rauhwacke der Raiblerschichten auf,
während der ganze Komplex im S. (auf OberhalbsteinerSeite) den grauen (und bunten) Bündnerschiefern aufgesetzt ist, die
nach NO. und N. unter den Hauptdolomit einfallen. Diese Schiefer sind die Fortsetzung derjenigen der
Lenzerheide und enthalten bei Lenz, Obervaz und Alvaschein Fukoiden.
Sie werden heute als oligocäner Flysch angesehen, der von den mesozoischen Sedimenten (Trias und Jura) überschoben worden
ist. Am kompliziertesten gestalten sich die Verhältnisse am W.-Fuss des Bergstockes über dem ConterserStein (Promaschtgel
und Motta Palousa), wo aus den grauen Schiefern noch krystalline Schiefergebilde, Serpentin, dioritischer
Grünstein und Diabas hervorbrechen. Südl. und östl. der Motta Palousa finden sich in den bunten Schiefern Manganerze (Abhang
von Uigls und Alp von Tiefenkastel, hier in etwa 1880 m).
die volkstümliche Abkürzung des NamensMichael, die in keinem Zusammenhang mit dem altdeutschen
Worte «michel», d. i. stark, groß, steht.
Dem deutschen Michel sagt man Schwerfälligkeit und gutmütige Unklugheit nach, um
in ihm die Verkehrtheiten der deutschen Nation in ähnlicher Weise zu personifizieren, wie dies die Engländer in ihrem John
Bull, die Nordamerikaner in ihrem BruderJonathan thun.
(spr. -schell), Louise, franz. Anarchistin, geb. 1836 auf
Schloß Vroucourt (Haute-Marne) als uneheliche Tochter des Besitzers, erhielt eine gute Erziehung, so daß sie das Lehrerinnenexamen
bestehen und in Paris eine Schule gründen konnte. Als 1871 die Commune die Regierung ergriff, trat sie
als agitatorische Kraft
[* 11] für diese auf, was ihr später die Deportation nach Neucaledonien zuzog. Nach der Amnestieruug kehrte
sie 1880 nach Paris zurück. Sie wurde weil sie zur Plünderung von Bäckerläden aufgefordert hatte, zu sechs
Jahren Gefängnis verurteilt, im Mai 1885 von der Regierung begnadigt, wies aber die Begnadigung zurück. 1886 gab
sie ihre Memoiren heraus. Als die franz. Anarchisten für den eine Kundgebung planten,
hielt sie kurz zuvor aufreizende Vorträge zu Lyon, wurde eine Zeit lang als geistesgestört im Irrenhaus zu Vienne festgehalten,
lebte darauf in London,
[* 12] kehrte aber 1895 wieder nach Paris zurück.