Miasma
(grch.), frühere Bezeichnung des seinem Wesen nach durchaus unbekannten,
Krankheit erregenden
Stoffs, welcher
sich scheinbar aus dem
Boden entwickelte und bei den Bewohnern dieses
Bodens bald diese, bald jene specifische
Krankheit, deren Vorkommen augenfällig auf gewisse Gegenden beschränkt blieb, hervorzurufen schien. Da feuchter, sumpfiger
Boden, in dessen oberflächlichen Schichten stets lebhafte Zersetzungsvorgänge der abgestorbenen
Vegetation Platz greifen,
dem Entstehen solcher
Krankheiten besonders günstig erschien, dachte man sich das Miasma
zunächst als gasförmigen Körper,
entstanden durch die Fäulnis der organischen
Stoffe abgestorbener
Pflanzenwelt.
Die Entstehung von
Cholera, Gelbem
Fieber, den Malariakrankheiten, die sich in ihrem Vorkommen durch eine Vorliebe für bestimmte
Örtlichkeiten auszeichneten, glaubte man auf diese
Weise erklärt und sprach deshalb auch von einem Miasma
der
Cholera, des
Gelben
Fiebers u. s. w. Man nannte kurzweg alle diese
Krankheiten miasma
tische, zum Unterschiede von den kontagiösen,
denjenigen, bei welchen die
Verbreitung offenkundig durch den Verkehr, unabhängig von gewissen örtlichen
Begrenzungen erfolgte.
(S.
Kontagium.) Als sich bei mehrern Krankheitsformen durch die epidemiologische
Beobachtung nachweisen ließ, daß die Entstehung
auf miasma
tischem Wege zur Erklärung ihrer
Verbreitung nicht ausreichte (z.B. bei
Cholera), unterschied
man diese als
miasmatisch-kontagiöse, bald durch Miasma
, bald durch
Kontagium erzeugte, von den rein miasma
tischen (Malariafieber).
Gegenwärtig wissen wir, daß die meisten sog. Infektionskrankheiten, zu denen die miasmatischen ebenso wie die kontagiösen Krankheiten gehören, durch specifische lebende Erreger (sowohl Spaltpilze wie Protozoen), die auf irgend eine Weise in den Körper gelangen und sich dort vermehren, erzeugt werden. Als Miasma müssen wir jetzt diejenigen Krankheitserreger bezeichnen, welche außerhalb des Körpers sich entwickeln, als Kontagium diejenigen, deren Entwicklung im Körper sich vollzieht.
Man könnte sich noch denken, daß außerhalb des Körpers entwickelte Krankheitserreger im Körper des Erkrankten sich vermehren, dabei aber ihre Krankheit erregenden Eigenschaften allmählich verlieren, daher nicht weiter anstecken, nicht kontagiös wirken können, die Eigenschaften aber wiedergewinnen, wenn sie eine gewisse Zeit außerhalb des Körpers, im Boden, verlebt haben. Damit würde das Verhalten der miasmatisch-kontaqiösen Krankheiten sich klarmachen lassen. Nachgewiesen sind diese verschiedenen Entwicklungsgänge nicht, sowenig wie es gelungen ist, die Entwicklung von Krankheitserregern außerhalb des Körpers jemals nachzuweisen. Jedoch zwingt das epidemiologische Verhalten einzelner Krankheiten unbedingt zur Annahme einer Entstehung der Erreger auf diesem Wege.
Der principielle Unterschied von Miasma und Kontagium ist nicht mehr aufrecht zu erhalten, und die moderne Medizin bedient sich dieser Bezeichnungen nicht mehr, sondern klassifiziert die verschiedenen, aber stets belebten Erreger der Infektionskrankheiten einfach als durch endogene (im Körper vor sich gegangene) und ektogene (außerhalb des Körpers sich vollziehende) Vermehrung entstandene. (S. auch Ansteckung, Epidemie, Infektionskrankheiten.) ¶