Methōde
(griech., »Verfahren«),
im allgemeinen ein nach Grundsätzen geregeltes Verfahren zur Erreichung eines bestimmten Zwecks. In diesem allgemeinen Sinn muß jeder vernünftigen menschlichen Thätigkeit Methode zu Grunde liegen. Ganz besonders verlangt aber die wissenschaftliche Forschung eine klar bewußte und geordnete und dem entsprechend die Mitteilung der erkannten Wahrheit im Unterricht. In dieser engern Anwendung heißt Methode die Kunst, eine Reihe non Gedanken nach gewissen Grundsätzen so zu ordnen, daß dadurch entweder neue Erkenntnisse gewonnen, oder gewonnene Erkenntnisse andern in überzeugender Weise mitgeteilt werden.
Hierfür gibt es zwei entgegengesetzte Wege, deren einer von der Erkenntnis allgemeiner Wahrheiten, Gesetze und Begriffe zu der des Einzelnen und Besondern hinableitet (Deduktion), während der andre umgekehrt von der Beobachtung des Einzelnen zur Erkenntnis des Allgemeinen aufleitet (Induktion, Anagoge). Die Unterscheidung dieser beiden Wege führte zuerst Sokrates mit Klarheit in die Philosophie ein; Platon und besonders Aristoteles bildeten die Erkenntnis derselben weiter aus.
Durch Eukleides, den Mathematiker, wurden die beiden Methoden auch auf die Mathematik angewandt. Er bezeichnete sie zuerst mit den seither allgemein gewordenen Namen der Synthesis (compositio, Aufbau, Deduktion) und Analysis (resolutio, Auflösung, Induktion), denen die Betrachtung zu Grunde liegt, daß das Allgemeinere das Einfachere, das Besondere aber das Zusammengesetztere ist. Da Eukleides vorzugsweise die synthetische Methode (Deduktion) in seinen Elementen der Geometrie anwandte, wurde diese auch die geometrische Methode genannt.
Dieselbe schreitet von allgemein anerkannten Grundsätzen und Begriffsbestimmungen (Axiomen und Definitionen) zur Aufstellung und zum Beweis von Lehrsätzen (Propositionen) fort, aus welchen endlich die praktisch wichtigen Folgerungen gezogen werden. Diese geometrische Methode galt bis ins 17. Jahrh. allein als das eigentlich wissenschaftliche Verfahren, wie denn noch Spinoza nach ihr seine Ethik anordnete. Seit Bacon und Descartes, denen die italienische Naturphilosophie und besonders die neuere Astronomie vorgearbeitet hatte, wurde dem gegenüber die Induktion (Analysis) besonders bevorzugt, indem die Überzeugung immer mehr durchdrang, daß alles menschliche Wissen auf dem Grunde der sinnlichen Wahrnehmung ruhe und der analysierenden Betrachtung der einzelnen Gegenstände und Erscheinungen sein Dasein verdanke.
Auf der sorgsamern Ausbildung dieser Methode beruht vorzüglich der großartige Aufschwung der Naturwissenschaften in den letzten Jahrhunderten, sie ist aber allen Zweigen des menschlichen Wissens zu gute gekommen. Wenn der Sensualismus des vorigen Jahrhunderts, zumal in England und Frankreich, darin zu weit ging, daß er nur noch die Analysis gelten lassen wollte, so versuchte die sogen. absolute Philosophie in Deutschland (Fichte, Schelling, Hegel), anknüpfend an gewisse
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Äußerungen Kants, die synthetische Methode unter dem Namen Konstruktionsmethode (bei Kant Architektonik) wieder zur Alleinherrschaft zu bringen, und das mit der einseitigen Überspannung, als könnte aus einem allgemeinsten Begriff ohne Hilfe der Erfahrung (a priori) das gesamte System der menschlichen Erkenntnis entwickelt oder konstruiert werden. Die kurze Herrschaft dieser Philosophie ist hauptsächlich an dem Einspruch der Naturforschung gegen diese Selbsttäuschung gescheitert.
In der Gegenwart erkennt man ziemlich allgemein mit Goethe an, daß »Analysis und Synthesis, Induktion und Deduktion, beide zusammen, wie Aus- und Einatmen, das Leben der Wissenschaften ausmachen«. Zunächst muß die Erkenntnis von der zergliedernden Betrachtung des Einzelnen ausgehen. In der Hypothese wird dann der Versuch gemacht, von der Induktion zur Deduktion überzugehen; gelingt derselbe, wird aus der Hypothese durch praktische Erprobung ein anerkanntes Gesetz, so kann von hier aus synthetisch zu dem Einzelnen fortgeschritten werden.
Als schlagendstes Beispiel kann man das Kopernikanische Weltsystem betrachten, welches, auf Induktion beruhend, zunächst als Hypothese hervortrat und allmählich solche Sicherheit erlangt hat, daß man aus seinen Grundgesetzen auf das Dasein noch unbekannter und erst später aufgefundener Weltkörper (synthetisch und deduktorisch) geschlossen hat. Treffend nennt man seit Kant die synthetische auch das progressive, die analytische das regressive Verfahren. Seit Descartes ist ferner die letztere oft als die Methode der Erfindung (heuristische Methode) bezeichnet worden. - Die genetische Methode, nach welcher man eine natürliche Bildung oder eine organische Entwickelung in ihrem allmählichen Entstehen vom Ursprung an beobachtend begleitet, ist jenen beiden Methoden nicht nebengeordnet, insofern sie nur bei der Beobachtung und Darstellung des Thatsächlichen Anwendung findet und nur der Kenntnis, nicht der tiefer eindringenden Erkenntnis der Dinge dient. Ihr verwandt ist die pragmatische Methode der Geschichtschreibung, in welcher das Thatsächliche in seinem natürlichen Zusammenhang der Reihe nach vorgeführt wird. Über die einzelnen Lehrmethoden, welche nur einfache oder zusammengesetzte Anwendungen der obigen Methoden auf bestimmte Gebiete des Wissens sind, s. die Artikel Lehrform, Unterricht etc. Vgl. Litteratur bei Logik.
In der Mathematik unterscheidet man außer den vorstehend erwähnten allgemeinen noch eine Menge spezieller Methoden, z. B. die Exhaustionsmethode, die Methode der unbestimmten Koeffizienten, die Methode der kleinsten Quadrate u. a. Die Exhaustionsmethode ist ein bei den Geometern des Altertums, namentlich bei Archimedes, übliches Verfahren zur Berechnung krummliniger ebener Figuren, krummer Oberflächen und von solchen begrenzter Körper. Die Methode der unbestimmten Koeffizienten, von Descartes angegeben, dient zur Entwickelung von Funktionen in Reihen von bekannter Form; die anfangs unbestimmt gelassenen Koeffizienten werden mittels der Eigenschaften der Funktionen ermittelt. Die Methode der kleinsten Quadrate, von Gauß erfunden, dient zur Berechnung der wahrscheinlichsten Werte der Unbekannten aus einem System von Gleichungen, deren Zahl die der Unbekannten übersteigt, die aber mit Beobachtungsfehlern behaftet und daher nicht genau richtig sind (s. Wahrscheinlichkeit).